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ruhelos
16.04.2009, 12:54
Am Uferrand

Vergangen ist die Jugendzeit
mit ihren Träumen, Überschwang.
Du strotztest voller Tatendrang
und sahst sogleich nach jeder Flut
am Strand nach angespültem Gut.

Dem Schwachen gabst du neuen Mut,
ein Anker warst du in der Not,
für den, der dem Ertrinken nah.
Du sahst dich selber nicht als Held
in dieser eisig kalten Welt.

Nach Jahren hast du festgestellt:
Du kamst im Leben viel zu kurz,
für Freunde fehlte dir die Zeit.
Vergessen, nah am Uferrand
verliert sich deine Spur im Sand

Ibrahim
16.04.2009, 13:24
Ein Gedicht, über das man lange nachgrübeln, es vor allem aber mit der eigenen Vita vergleichen kann. Schön. LG Ingo

Leier
16.04.2009, 17:30
Liebe ruhelos,


ist es eine Selbstbetrachtung oder wird ein anderer starker Mensch besungen, der sich selbst zu kurz kommen ließ?
Sehr beeindruckend!
Der mehrmaligen Lektüre mehr als wert!

Lieben Gruß
von
cyparis

Chavali
16.04.2009, 18:02
Liebe ruhelos,


was für ein schönes Gedicht ist dir da gelungen!
Ich bin begeistert!
So manchem Menschen ist dieser Lebenslauf schon begegnet oder wird es noch tun.

Obendrein noch ein interessantes Reim- und Strophenschema!
Könnte ich Sterne vergeben von 1 bis 5, bekämst du alle fünf :)


Liebe Grüße,
Chavali

Klatschmohn
16.04.2009, 18:34
Hallo Ruhelos,
wirklich sehr beeindruckend, Dein Gedicht und die Du schilderst hier auch die Vita vieler Menschen, die das Kunststück des Ausgleiches zwischen Fremd- und Eigenliebe nicht vollbracht haben. "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" heißt der Spruch - und oft wird das "Selbst" wohl dabei vergessen.
Andererseits muss man sich auch überlegen, ob man von einem Menschen geliebt werden möchte, der sich selbst nicht liebt.
Na ja, das sind jetzt philosophische Gedanken, die ja eigentlich Dein Gedicht nicht so berühren -aber wenn man mal ins Grübeln kommt.......!
Liebe Grüße,
Klatschmohn

Falderwald
17.04.2009, 22:25
Liebe ruhelos,

ein wirklich beeindruckendes Gedicht, welches einen selbstlosen Menschen beschreibt, der für alle und jeden da war, nur nicht für sich selbst, und dabei viel zu kurz kam.
Es gibt viele dieser Menschen, doch leider wird das auch oft ausgenutzt, so daß manchmal ein durchaus bitterer Nachgeschmack bleiben kann.
Denn meistens geben solche Menschen gerne und bedingungslos, weshalb sie es auch nicht verdient haben, daß sich ihre Spuren einfach so im Sand am Uferrand verlieren.

Interessant auch dein strophenübergreifendes Reimschema, was den Leser sozusagen direkt in die nächste Strophe hineinzieht.

Sehr schön, aber auch sehr wehmütig und melancholisch. Eine Selbstanalyse des LI's, die ohne Anklagen auskommt, sondern mehr einer Erkenntnis gleichkommt.


Gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Dana
20.04.2009, 00:54
Liebe ruhelos,
den meisten und mir als Naturdichterin vertraut, beeindruckst du mit der Natur jener Menschen, deren Herz zu weit ist, um als Herz erkannt zu werden.
So groß, dass diese Menschen vor lauter Geben das Nehmen vergessen.
In dieser Selbstvergessenheit verliert sich ihre Spur im Sand. Sie haben sich "verausgabt". Um ein Quell zu sein, sollte Eigenliebe einfließen, die auch groß sein darf.
So habe ich dein tiefsinniges Gedicht verstanden, das mich in seinen Reimen und Nichtreimen (die aber als solche beim Lesen ankommen) sehr berührt hat und mir sehr gefällt.
Liebe Grüße
Dana

ruhelos
23.04.2009, 12:36
hallo Ibrahim.

vielen Dank für dein Lob. Es freut mich sehr, dass ich dich hiermit zum Nachgrübeln bringen konnte.

hallo cyparis,

keine Panik, es geht natürlich um das lyr. ich, sprich einen anderen Menschen. Vielen Dank für das schöne Lob: Der mehrmaligen Lektüre wert.

hallo chavali,

schön, dass dich dieses Gedicht begeitern konnte und auch reim- und strophenschema dein Gefallen finden. 5 Sterne! Was will ich mehr.

hallo klatschmohn,

vielen Dank für dein Lob. Mit deinen Gedanken hierzu triffst du genau ins Schwarze.

hallo falderwald,

es freut mich, dass ich dich mit diesem Gedicht beeindrucken konnte.Ja, du hast recht. Ich beschreibe einen Menschen der für alles und jeden da war, aber leider selbst zu kurz kam. Schön, dass das strophenübergreifende Reimmuster dein Gefallen findet. Gut erkannt hast du, dass es hier um eine Erkenntnis und nicht ums anklagen geht.

hallo dana,

treffend hast du bemerkt, dass die Naturdichterin nun dazu übergegangen ist die Natur eines Menschen zu verdichten, (ich liebe nun mal Gedichte in denen die Natur zu Wort kommt) der vor lauter Geben vergaß zu nehmen. Mit der Zeiel verliert sich seine Spur im Sand möchte ich zeigen, dass sein Tun, jetzt wo er ausgebrannt ist und nicht mehr geben kann, in Vergessenheit gerät. Es freut mich, dass mein Reimschema dein Gefallen findet.

badico
23.04.2009, 13:46
Liebe ruhelos,
(endlich weiß ich wie ich dich ansprechen kann, war mir vorher nicht sicher ob sie oder er :))
mich hat dein Gedicht auch sehr berührt, aber ich hatte noch einen anderen Gedanken dabei. Ich glaube nämlich nicht, dass jemand der bereit ist soviel für andere zu tun ganz ohne Freunde ist. Das dieses LI ganz sicher den eigenen Bedürfnissen hinterher hinkt, halte ich, da gebe ich dir recht, für gegeben. Ich bin halt einfach so blauäugig, naiv, das ich wirklich noch glaube, dass man irgendwann im Leben das zurückbekommt was man anderen antut...sprich...gebe ich mir Mühe im menschlichen Miteinander wird man mir auch (hoffentlich) menschlich begegnen. Das heißt für mich, je nachdem wie hoch meine Ansprüche sind, werde ich auch im Alter nicht wirklich alleine sein.
Ich kann es jetzt nicht besser erklären, weißt du wie ich es meine?

Liebe Grüße

Babsi

ruhelos
28.04.2009, 14:58
hallo badico,

vielleicht hast du recht und ich bin zu pessimistisch. Doch heute leben wir in Zeiten, wo jeder zuerst an sich denkt. Wenn man mal genauer hinschaut, passiert es immer wieder das alte Menschen abgeschoben oder gar ausgesetzt oder gar mißhandelt werden. Es gibt auch Berichte, dass Menschen jahrelang tot in ihrer Wohnung lagen, ohne vermisst zu werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Menschen es so verdient haben. Vielmehr leben wir in Zeiten, wo es leider zu oft an Nächstenliebe fehlt.

Viele Grüße
ruhelos

Alive
28.04.2009, 15:18
Hallo ruhelos.

Dein Gedicht empfinde ich als persönliche Angst des L.I.
Nun habe ich auch deinen Folgekommentar gelesen.
Pessimismus.

Wir können für uns nur etwas ändern, wenn wir auch 'Anderen' Gutes tun.

Prinzip: Ursache und Wirkung.

Kein Mensch sollte sich selbst beheulen, solange er keinem anderen ein Kleenex gereicht hat.

Alles Ende hat einen Anfang.

Gern gelesen,

Alive

a.c.larin
29.04.2009, 22:32
hallo ruhelos,

liebe deinen nächsten wie dich selbst - egal in welche richtung man diesen spruch einseitig auslegt : er bleibt einseitig und irgendjemand zahlt dabei drauf. die balance zu halten zwischen beidem : ein großes kunststück, um das jeden tag aufs neu gekämpft werden muss!
gut beobachtet, trefflich umgesetzt.

liebe grüße
larin

ReinART
30.04.2009, 10:28
Hallo Ruhelos
ein gelungenes Gedicht!
Geschrieben in einer melancholischen Sprache, die dem Inhalt gerecht wird.
Mich stört die Wiederholung von Jugend innerhalb 2 zeilen.
Du könntest Du eventuell großer Kraft schreiben, sofern Du das auch so siehst.
Ich selbst habe in meinem Leben eher die gegenteilige Entwicklung durchgemacht.
Habe in der Jugend (fast) alles genommen, was ich kriegen konnte. Manchmal zum Ärger und Nachteil meiner Mitmenschen...aber nicht in böser Absicht. Musste mir halt meinen Platz erobern. Natürlich habe ich alten Menschen über die Straße geholfen und bin im Bus aufgestanden, wenn eine viel ältere Person keinen Sitzplatz bekam. War aber alles weniger philantropisch oder empathisch, sondern auch ein Prozess meiner Entwicklung.
Je älter ich werde, desto selbstverständlicher werden mir solche Dinge und ich frage immer weniger nicht danach, ob das irgendwo vermerkt wird oder ob ich meinen Teil zurückbekomme...zumindest hoffe ich, dass sich diese Einstellung vertieft ;)
Mir hat ganz besonders die Flut und das Strandgut gefallen und nat. die Spuren im Sand!
Lieben Gruß
reinhard

ruhelos
04.05.2009, 13:02
hallo Alive,

vielen Dank für deinen Kommentar. Du siehst hier die Angst des lyr.ichs und Pessimismus. Was ich zu beschreiben versuchte, war das Ausgebranntsein des lyr. ichs. Die Person hat immer nur gegeben, dabei blieben Familie und Freunde auf der Strecke. Dafür zahlt es jetzt die Rechnung.

Niemand sollte sich selbst beheulen solange er anderen nicht ein Kleenex gereicht hat. Dieser Aussage stimme ich zu.Es geht hier auch nicht dabei jede Tat gegeneinander aufzurechnen. Ich will auch nicht sagen, dass man nie etwas zurückbekommt. Es geht in diesem Fall darum, zu zeigen, dass es auch Menschen gibt, die obleich sie viel für andere taten letztendlich allein darstehen. Auch die Wichtigkeit stets ausgeglichen zu bleiben, wollte ich hervorheben.

hallo larin,

einer zahlt immer drauf. Es ist ein Kunststück dabei die Balance zu halten. Treffend und tiefsinnig bemerkt. Du hast meine Intuition erkannt.

hallo reinart,

danke für deinen Kommentar. Die Wiederholung des Wortteils Jugend habe ich einmal ersetzt. Es freut mich, dass die melanchonische Stimmung zum Gedicht passt und besonders die Zeilen, in denen die Natur einfließt bei dir Anklang finden, Deine Einstellung heute findet meine Zustimmung. Es geht nicht darum, alles gegeneinander aufzurechnen, sondern einfach nur darauf zu achten, nicht selbst auf der Strecke zu bleiben.

Viele Grüße
ruhelos