Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die vier weisen Affen
Falderwald
21.08.2014, 15:32
Die vier weisen Affen
1. Der Blinde
Wie infantil sind jene weisen Affen,
die denken, dass sie einzigartig sind,
die Wunderwelt, erklärt von ihren Pfaffen,
macht für die wahre Lebenswelt sie blind.
Sie müssen sich den Kindheitstraum bewahren,
der wie ein Tumor im Gehirn mutiert,
vom ersten Licht bis zu den Totenbahren
sind sie von diesem Virus infiziert.
Er lässt die trüben Affenaugen träumen,
von einer Welt, die über ihrer thront,
wo in bananenschweren Himmelsbäumen
die Affenseele nach dem Tode wohnt.
Sie glauben ihre Götter zu verstehen,
doch Götter wurden hier noch nie gesehen.
2. Der Taube
Zuweilen senken sich auch die Primaten
vor lauter Ehrfurcht in des Urwalds Staub,
denn viele dieser Geistesakrobaten
sind auf dem Ohr des Affenglaubens taub.
Bedächtig hängen sie an jenem Worte,
das aus des Affenpfaffens Munde klingt,
für jeden öffne sich die Himmelspforte,
der mit dem Jubelchor im Einklang singt.
Dort preisen sie die Liebe und den Frieden
des Gottes ihrer Wahl, im Herzen rein,
doch wer nicht gleichen Glaubens ist hienieden,
dem schlagen sie auch gern den Schädel ein.
Und auch der Krieg kann ihren Gott nicht stören,
nie ließen Götter je ein Veto hören.
3. Der Stumme
Primaten dürfen niemals hinterfragen,
das ist den frommen Affen nicht erlaubt,
denn selig wird nur, wer in allen Lagen
an die Unsterblichkeit der Seele glaubt.
Verdammenswert bleibt jede Form des Zweifels,
das nehmen die gerechten Götter krumm,
und wer nicht gläubig ist, der ist des Teufels,
darum bleibt auch der wahre Affe stumm.
Die Suche nach dem Sinn des Affenlebens,
erfüllt sich dem, der seine Götter ehrt,
doch auf die Antwort wartet er vergebens,
weil nie ein Gott auf dieser Welt verkehrt.
So wurde es den Affen angetragen,
auch über ihre Götter nichts zu sagen.
4. Der Moralische
Rein hypothetisch einmal angenommen,
der Affenbande Glaube hätte recht,
dann wäre ihre Welt wohl arg verkommen,
behandeln sie doch den Planeten schlecht.
Die Götter hätten ihn für sie erschaffen,
so paradiesisch schön und lebenswert,
doch haben sich die tumben Glaubensaffen,
nie wirklich um sein Wohlsein je geschert.
Denn wie sie aus dem Affenglauben deuten,
ist diese Welt ein Götterangebot,
um Krieg zu führen und sie auszubeuten,
der Affe ist und bleibt ein Idiot.
Und wenn die Götter eines Tages kämen,
dann müssten sie sich für die Affen schämen.
Falderwald
. .. .
Moin Faldi,
NIX SEHEN, NIX HÖREN, NIX SAGEN - wer kennt nicht diese berühmte Affenskulptur!
Ich habe selbst eine, klein, in Bronze :D
Du hast eine Sonettreihe aus dem Thema gemacht, Sonette nach Shakespeare von der Form her.
Das vierte Sonett ist das wohl das Fazit, das der Poet in dir ;) gezogen hat.
Sozusagen das Meistersonett.
Klasse gemacht - du hast es einfach drauf!
Man könnte jetzt sicher eine Menge über den Inhalt philosophieren - was er auch verdient hätte :Blume:
Ich sage nur soviel dazu:
Wer nach diesem Schema lebt, hat umsonst gelebt!
Danke für diesen Lesegenuss!
Liebe Grüße,
Chavi
Hallo Faldi.
da schließe ich mich an und finde die Werke gelungen. Vor allem das zweite
ist mir sehr positiv aufgefallen und finde ich von der Aussagekraft mit am
Stärksten ohne die anderen Gedichte schmälern zu wollen...
insgesamt sehr gelungen, gefällt mir :)...LG gin
Falderwald
24.08.2014, 17:59
Hi Chavi,
genau, das sind die drei, die hier Pate standen und ein vierter, der ihre Affenmentalität beobachtet und reflektiert hat.
Von diesen Skulpturen gibt es ganz viele verschiedene Ausführungen und Abbildungen. Ich selbst besitze keine davon, aber ein Bekannter von mir hat sie auch in einer Vitrine im Wohnzimmerschrank stehen.
Du hast recht, das sind "shakespearesche Sonette" und ich muss sagen, die fließen auch sehr gut aus der Feder. :)
Ich weiß nicht, ob das im abschließenden Sonett gezogen Fazit das des Poeten in mir war, vielleicht war es auch der affenartige Teil in mir, der dort resümierte...:rolleyes::Aua:)
Ich sage nur soviel dazu:
Wer nach diesem Schema lebt, hat umsonst gelebt!
Oder er hat genau für dieses Schema gelebt?
Das ist hier die Frage...:)
Danke für deine lobenden und zustimmenden Worte...:)
Hi gin,
ich freue mich, dass auch dir diese kleine Sonettreihe gefallen hat.
Du hast recht, "der Taube" hat was. Den hätte ich jetzt gar nicht hervorheben können, aber du hast mich jetzt bewogen, diesen im Zusammenhang mit den anderen noch einmal zu lesen. Der "flutscht" richtig gut.
Auch dir danke ich für deine gewogenen Worte...:)
Vielen Dank für eure Rückmeldungen...:)
Liebe Grüße
Bis bald
Falderwald
Hallo Falderwald,
das riecht nach Kritik, gerichtet an Kirche im Allgemeinen und Bigotterie, aber insbesondere an die Hybris des dummen Menschen.
Der Affenglaube riecht nach Aberglaube, und die Verwendung des Pfaffenbegriffs deutet auf die römisch-katholische Kirche hin. Ich denke mal, es geht um die von den Menschen gemachte bzw. interpretierte Glaubenslehre. Insbesondere ihr naives Verhältnis dazu.
Du hast die Finger sauber in die Wunden gelegt, ein wenig Gotteszweifel gestreut und den blinden, selbstgerechten Menschen entlarvt. Doch wer fühlt sich von dieser kritischen Bewusstseinshaltung noch angesprochen. Die lustigen Affen füllen weiterhin als Briefbeschwerer die Schreibtische um uns zu spiegeln, und werden dabei täglich übersehen.
Denn die Affen bleiben immer die anderen. Das ist in der Natur so angelegt.
Ich bevorzuge auch das 2. Sonett.
im 2. Sonett, 2. Strophe dritte Zeile hätte ich ein Konjunktiv benutzt: Für jeden öffne sich...
Insgesamt aufwändig gezeichnet, aber tolle Affenbilder.
L.G.AZ
Falderwald
11.09.2014, 20:16
Hallo AZ,
ich fange mal hinten an. Die Frage ist ja, wo geben wir selbst einen oder mehrere dieser Affen zum Besten?
Aber es ist so, wie du sagst, jeder kennt diese Figur, jeder lacht insgeheim zustimmend darüber und es werden nur die anderen darin gesehen.
Das ist der wahre Witz dabei. ;)
Kritik ist immer so eine Sache, denn sie ist ein Spiegel, in den man hinein schauen kann oder nicht.
Warum sollte der Eingebildete in einen Spiegel schauen, wo er seine Fratze zu sehen bekommt. Es gibt doch genug von denen, die ihn schön erscheinen lassen.
Mit dem Aberglauben liegst du goldrichtig, aber auch wenn der Begriff Pfaffe vordergründig an die katholische Kirche erinnert, wollte ich ihn etwas allgemeiner als "Geistlicher" verwenden.
Somit wären eigentlich alle maßgeblichen Religionen gemeint, für die ja auch jeder andere Glaube ein Aberglaube ist.
Das naive Glauben an die Dogmen steht auf jeden Fall im Zentrum dieser Kritik.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal Herrn Schopenhauer aus "Parerga und Paralipomena II" zitieren:
Hingegen das Grundgeheimniß und die Urlist aller Pfaffen, auf der ganzen Erde und zu allen Zeiten, mögen sie brahmanische oder mohammedanische, buddhaistische, oder christliche seyn, ist Folgendes. Sie haben die große Stärke und Unvertilgbarkeit des metaphysischen Bedürf- nisses des Menschen richtig erkannt und wohl gefaßt: nun geben sie vor, die Befriedigung dessel- ben zu besitzen, indem das Wort des großen Räthsels ihnen, auf außerordentlichem Wege, direkt zugekommen wäre. Dies nun den Menschen Ein Mal eingeredet, können sie solche leiten und be- herrschen, nach Herzenslust. Von den Regenten gehn daher die klügeren eine Allianz mit ihnen ein: die andern werden selbst von ihnen beherrscht. Kommt aber ein Mal, als die seltenste aller Ausnahmen, ein Philosoph auf den Thron, so entsteht die ungelegenste Störung der ganzen Komödie.
Ja, das sagt doch eigentlich alles. ;)
Den Tipp für das zweite Sonett übernehme ich dankend und gern, so klingt es tatsächlich eleganter. :)
Vielen Dank für Kommentar und Vorschlag...:)
Liebe Grüße
Bis bald
Falderwald
a.c.larin
11.09.2014, 22:27
lieber falderwald,
wie ich sehe, bist du wieder mal bei einem deiner lieblingthemen angelangt.:p
diesmal finde ich die umsetzung aber geradezu genial: humorig, lehrreich - und durch die verschiebung in die affenwelt nah und fern genug, um auf dem schmalen grat zwischen kritik und einfühlung gekonnt zu balancieren.
well done!
daher gebe ich dir diesmal uneingeschränkt recht in dem punkt:
der Affe ist und bleibt ein Idiot.
und weißt du, was die schwierigste übung von allen ist?
den idioten in sich selber zu erkennen, zu lehren - und vielleicht doch irgendwann mal ein bisschen weiser werden zu lassen. :Aua
die conclusio ist gediegen.
ich denke auch, dass wir in vielerlei hinsicht den göttern peinlich wären.
allergernst gelesen,
larin
Erich Kykal
12.09.2014, 22:33
Hi, Faldi!
1. Sonett S1Z3 - Komma nach "Wunderwelt".
Ansonsten makellos!
Und so ganz in meinem Sinne - ich habe ausgiebig in deiner verbalen Abrechnung geschwelgt! Dieses Sonettquartett sollte an jede Tempel-, Synagogen-, Moschee- und Kirchentür dieser Erde genagelt werden!!!:D
(Leider würden nicht mal alle deutschsprachigen Affen den Text verstehen...:rolleyes::Aua...können oder wollen)
Allergernst gelesen und genossen! (Hab's wohl lange übersehen...sorry!)
LG, eKy
Falderwald
15.09.2014, 20:55
Servus larin,
ich freue mich, dass du diese Texte so positiv aufnimmst und bedanke mich für das "well done". :)
Das Lustige dabei ist, dass wir Menschen neben einem Gott eigentlich wirklich nur wie ein paar nackte Affen aussehen können.
Vielleicht liegt die göttliche Komödie ja darin, dass irgendein Gott diese Affen mit ein wenig Hirn ausgestattet hat, damit sie ihm zu seiner Unterhaltung dienen.
Jeder ist auf seine Weise solch ein Idiot und wäre den Göttern wohl peinlich, außer mir natürlich...:D;)
Vielen Dank für deinen Beitrag...:)
Servus Erich,
jepp, danke, Komma gesetzt. :)
Ich stimme dir zu, wahrscheinlich könntest du es ihnen auf die Stirnen nageln, das würden sie gar nicht spüren, so vernagelt sind manche in ihrem Glauben.
Viele könnten es aber auch nicht verstehen, und manche wollen es auch einfach nicht, denn was sie das ganze Leben geglaubt haben, muss doch wahr sein.
So ist es eben: Nix sehen, nix hören und nix sagen. ;)
Ich freue mich, dass du die Teilchen doch noch gefunden hast...:)
Vielen Dank für eure Kommentare und Gedanken zum Thema...:)
Liebe Grüße
Bis bald
Falderwald
Da fühle ich mich doch angesprochen, denn in jedem Mensch steckt auch ein Affe;)
Besonders stark finde ich " der Taube", der hat es mir am meisten angetan. Auch bewundere ich Deine Fähigkeit des Sonetteschreibens. Diese sind hier ein Genuß.:Blume::Blume::Blume:
Schon oft gelesen von sy
Falderwald
19.09.2014, 21:36
Moin syranie,
das hast du richtig gesagt, denn umgekehrt ausgedrückt, wäre das wohl für jeden Affen eine Beleidigung. ;)
Ich freue mich, dass dir diese Sonette gefallen haben, denn sie sind auch aus einem Guss, hintereinander aufgeschrieben und dann noch ein wenig gefeilt.
"Der Taube" scheint sich hier zum Favoriten dieser Miniserie zu entwickeln. :)
Vielen Dank für deine Antwort...:)
Liebe Grüße
Bis bald
Falderwald
Kia ora Faldi...
Hut ab und neidlose Bewunderung und Kompliment für diesen fein gelungenen Zyklus.
Inhalt: So alt wie die Menschheit und doch immer wieder und jeden Tag neu und aktuell. Leider.
Und es sieht auch nicht danach aus, als ob damit irgendwann mal Schluss ist.
Genau das Gegenteil ist der Fall.
Solang es die Spezies Affe gibt, wird sich immer einer finden, der das Ab- und Aussterben der Affengötter und ihrer (Be)Truglehren verhindert.
Was mir einfach nicht ins Hirn will:
Grad in Sachen Religion genügt EIN EINZIGER Fanatiker, um mit EINEM winzigen Funken einen Flächenbrand anzufachen, der, so scheints, unmöglich zu löschen ist. :mad:
Wieviel Gutes, längst Überfälliges und dringend Nötiges könnte doch erzielt werden, ließe sich die Rudelgesinnung und Energie aller Affen dieser Welt für humanitäre Projekte koordinieren, kanalisieren und bei einem der vielen überlebenswichtigen Projekte einsetzen!
Stattdessen????:Aua:Aua:Aua:Aua :mad:
Mein Favorit ist ebenfalls der Taube.
Ausgezeichnete Arbeit, Faldi, diesmal hast Du Dich wieder selbst übertroffen und ein Musterbeispiel für gehobene Lyrik vorgelegt.
Sehr sehr gern gelesen und besenft.
LG von Lai:Blume:
Falderwald
26.09.2014, 21:42
Kia ora Lailany,
vielen Dank für die netten und anerkennenden Worte. :)
Du hast recht, dieses alte Problem bleibt immer aktuell und wird sich auch so schnell nicht ändern.
Das liegt zum einen am Streben um Macht, zum anderen an den metaphysischen Bedürfnissen.
Die ersten nutzen es für ihre Zwecke aus, die zweiten nehmen es gern als tröstende Heilslehre an.
Dealer und Junkie.
Und dann gibt es noch diejenigen, die sich ihr eigenes Dogma erschaffen, weil sie zwar den gefährlichen o. a. Kreislauf durchschaut haben, aber auf das Seelenheil doch nicht verzichten wollen.
Die spritzen sich ihre eigene Mischung, auch nicht schlecht.
Und ganz oben in den Bäumen sitzen ein paar wenige Oberaffen, die allen anderen darunter ins Gehirn sch..., damit sie sich auch weiterhin ordentlich die Kante geben und nix mehr schnallen.
So ist das mit der Hierarchie.
Ist es da ein Wunder, dass all die ganzen Affen blind, taub und stumm werden? :Aua
Vielleicht ist "Der Taube" ja auch der Text, mit dem aktuellsten Bezug zur Gegenwart, denn dieser Tage herrschen ja allenthalben wieder dunkle Zeiten, der Krieg ist fern und doch so nah...
Lass uns einfach das Beste hoffen...:)
Vielen Dank für deinen zustimmenden Kommentar...:)
Liebe Grüße
Bis bald
Falderwald
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