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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Des Raben Ruf


charis
08.12.2015, 11:28
Des Raben Ruf durchbricht die Stille,
er schreckt die Starenschwärme auf.
Aus früh bestellter Felder Fülle
in Wellen ziehn sie hügelauf.

Ein kühler Morgenwind wiegt Gras,
flicht Silberbänder in die Hügel.
Die Weiden knien am feuchten Ufer,
ihr Seufzen wird der Stunden Maß.

Da treibt sie hin, ein stolzer Schwan
in blasser Schönheit unter Glas,
kein Leuchten mehr im starren Blick,
kein Lieben, Leiden oder Wahn.

Die Sonne wirft als flüchtig Siegel
auf dunkle Fluten Feuerspan,
trägt höher jenen mahnend Rufer
und lässt uns stumm Verrat zurück.

Chavali
08.12.2015, 12:27
Liebe charis,

das gefällt mir richtig gut und liegt ganz auf meiner Wellenlänge, was das Thema und
die Gestaltung des Textes betrifft.

Ganz unkonventionell setzt du die Reime, das ist mutig - gefällt mir aber gut, weil dadurch
eine starre Vorgabe (etwa Kreuz- oder umarmender Reim) unterbrochen wird.

Sehr gern gelesen und den Raben zugehört :)


Lieben Gruß,
Chavali

juli
09.12.2015, 10:42
Hier wo ich wohne gibt es viele Raben, sogar Kolkraben. Sie sind beeindruckend, und haben sehr viele verschiede Laute mit denen sie sich unterhalten. Früher waren sie Todesboten. Mir gefällt hier im gedicht, die düstere Atmosphäre. Ich will jetzt nicht auf jedes einzelne Bild eingehen, aber vor meinen Augen zieht ein Schwarz Weiß Film, und die letzte Zeile:
und lässt uns stumm Verrat zurück.

läßt mich weiter spinnen....

Für mich ist das eine Geschichte mit einem offenen Ende. :Blume::Blume::Blume:

Liebe Grüße sy

charis
11.12.2015, 17:05
Liebe Chavali, liebe Sy,

Es ist das Ophelia-Thema, aber man muss es nicht unbedingt in diesem Bezug lesen. Das Ende ist offen, findet Sy. Ja, das sehe ich genau so. Den Raben verstehe ich hier eher als Mittler zwischen den Welten. Ich mag übrigens diese mächtigen Kolkraben auch sehr!

Herzlichen Dank!

Lieben Gruß
charis

wolo von thurland
12.12.2015, 11:57
Hallo charis

Die ersten drei Strophen finde ich absolut Klasse! Da sind Zweizeiler drin, die könnten ohne weiteres ganz alleine als komplette Lyrik bestehen.

Von der dritten zur vierten Strophe folgt in meinen Augen ein Stilsprung, der dem ganzen ziemlich schadet. Vielleicht müsste man das Fazit auf zwei Strophen verteilen oder schlicht anders formulieren?

Schönes WE
wolo

charis
15.12.2015, 15:24
Danke, lieber wolo, für das große Lob!

Interessanter Weise mag ich gerade die letzte Strophe am liebsten.
Ich werde trotzdem darüber nachdenken. Kann mir aber nicht wirklich vorstellen, es zu ändern. Es klingt bestimmt komisch und ich kanns nicht erklären, aber das Gedicht will das anscheinend nicht.

Lieben Gruß
charis

wolo von thurland
15.12.2015, 15:58
wenn man dich schon länger deine spur ziehen sieht, ist das weder komisch noch überraschend.
nun, deine vorlieben und meine sind nicht die gleichen.
(und was das gedicht will und nicht will, kann eh keiner so genau wissen...)
darum bleibt es so, und das ist gut so. und ich habe meine meinung gesagt, und das ist auch gut so.
alles gut, ende gut.
schönen abend
wolo