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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Dann....


Leier
01.05.2009, 07:40
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Dann, wenn die Unke ihre Spindel streicht,
die Roggenflöte bläst,
wenn sich in ihre Warzenseiten
Kinderflut hineingeweicht, sich eingefräst....


wenn Maul und Aug sich weiter spreiten,
Patten glatter, Krötenzungen nasser gleiten...
wenn Pflaumenblüten sich mit Schneckenglanz vermischen,
Spinnenfäden, Hummeln, Falter über frischen
Halmen schweben...


Wenn Düfte leis die Natter locken,
Syrinx, Rose, Schwertzahn sich beflocken,
wenn endlich diese tote Blässe weicht...

wenn sich im roten Mondenschein
die Echse aus dem dunklen Neste schleicht,
die Mauern satt umgarnend,
sanft den Stämmen sich vermengend...

wenn der erste Vampir still und fein
die kühle Wange mir umstreicht...
wenn Nachtigallen warnend
ihren Liebsten sengend
heiß und fordernd ihren Sinn entblößen...

wenn in unterirdschen Höhlen
düster Nachtlemuren schweigen,
troglodytenhaft die Häupter neigen,
neidvoll lauschend all dem Wachsen, Werden..

wenn mit warmen, regenfeuchten Stößen
der junge Wind sich taucht in alle Seelen,
sich all dem neuen Sein zu zeigen,
sich flüsternd wiegt in Blütenzweigen...

wenn Aufbruch klingt in offnen Erden..
wenn all die quellend vollgesognen Samen
sich wuchtig blähend durch den Boden winden,
sonnentoll dem Blau entgegenzwängen,
lianenhaft die Bergzyklamen
dem Glast der Hitze sich verbinden
in perlend süßen Lerchensängen...

wenn sich die dunkle Tulpenglut
Päonien beugt, im Mittag ruht, Blüten streut...
wenn wild der Flammenrotdorn dräut...
wenn stolz die Weihe streicht vorbei..
wenn im Dämmern schwer wie Blei
sinkt ins Herz die Träumerei...

Dann ist Mai !

Ibrahim
01.05.2009, 08:59
Das ist eines der schönste Maigedicht, die ich jemals gelesen habe. Die Anführung derart vieler Geschöpfe, die gerade das Frühjahr zum Frühjahr machen, hat mich neben der meisterlichen Form und Poesie als Naturfreund besonders angesprochen. Ich möchte mit der Jugend einfach "Wow!" sagen. LG Ingo

Leier
01.05.2009, 09:51
Lieber Ibrahim,

Du erwärmst mein Herz!
Das "Wow" ist mir natürlich nicht (mehr) gemäß, aber ich weiß es zu deuten.
Eitel, wie ich bin, hab ich auch dies Gedicht zu einem meiner eigenen liebsten Naturgedichte erkürt.
Angeregt wurde ich durch wirklich GROßE Dichtung in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts.
Dagegen bin ich wahrlich ein kleiner Troglodyt.

Dir, dem Naturgedichte-Gesellen,

schicke ich einen
ganz lieben Mai-Gruß!

cyparis

norbert
01.05.2009, 11:28
...da kann ich auch nur "wow" sagen - eh - schreiben!
bin absolut neidisch darauf, miit welch bewusstem blick du die kräfte der mutter natur am maianfang wahrnimmst - dagegen bin ich ein tumber eifelbauer, der gerade mal die apfelblüte bestaunt und die rasenmäherei verflucht...
das einzige, das ich kritisch sehe, sind die paar inversionen, ansonsten bin ich verzaubert...
liebe grüße
maibert

Leier
01.05.2009, 15:10
Lieber Norbert, Maibert -


Neid ist nicht vonnöten!
Nur die tumben Toren können die Schönheit, Reinheit und Wildheit der (unberührten) Natur erfassen.
Nur sie lassen sich verzaubern.

Was kümmern da ein paar Inversionen die Fühlenden?

Hab ganz lieben Dank
von
cyparis

ginTon
01.05.2009, 23:08
liebe cyparis,

auch hier kann ich nur wieder, wie bei den hexengesängen sagen, es scheint einer deiner musenmonate zu sein...der mai,

mehr fällt mir jetzt auch nimmer ein, ich hoffe du bist wegen meines kurzen wortes net bös...bin auch nur vorbeigeschneit um zu sagen, das mir das werk sehr gefällt...

LG basse

Lena
03.05.2009, 08:10
Liebe Cyparis

Ich bin absolut begeistert!

Der Aufbau deines Gedichtes ist optimal gewählt. Was für ein Erwachen, und was für Bilder..:)

Welches Wissen dahinter steckt, wage ich nur zur erahnen.

Wenn Düfte leis die Natter locken,
Syrinx, Rose, Schwertzahn sich beflocken,
wenn endlich diese tote Blässe weicht...

..beflocken, tote Blässe.. Worte, die mir nie in den Sinn kämen, und so stimmig sind.

Was war der Mai, bevor ich deine Zeilen las. Dein ganzes Gedicht ist Natur pur.

Sehr sehr gerne gelesen

Lena :)

Leier
03.05.2009, 09:59
Lieber basse,


hab Dank fürs Vorbeiflitzen! Wie immer:
"Gefallen macht schön".


Liebe Lena!

Was kann ich auf Deinen so köstlichen Kommentar antworten?

All das, was in meinem Gedicht steht, hab ich buchstäblich e r l e b t.
Hangab in der alten, aufgelassenen Mühle hatten die Fledermäuse (Vampire) eine Heimstatt gefunden.
Die Kröten, Echsen (Smaragdeidechsen) und Nattern durfte ich (reglos an die Mauer gelehnt) bewundern.
Die Blütenüberfülle war da. Ebenso der Milan (Gabelweihe).
Auch im Weinkeller die "Alten", die Troglodyten.

All das warf ich in selbiger Nacht auf's Papier. Trunken von Natur und Gefühl.

Wie Du mich verstehst!
Wie kann ich Dir danken?

Sei bitte irgendwann bei mir....

Deine
cyparis

Dana
03.05.2009, 20:02
Ja, liebe Cypi, das ist Mai.
Zauberhaft die Bilder und beneidenswert die Wortschöpfungen.
Dein Gedicht inspiriert mich ab morgen (das sage ich schon seit Wochen) regelmäßig zu wandern, um mit deinen Versen zu schauen.:)
Ich wollte dir erst meine Lieblingsstrophe aufzeigen und konnte mich dann doch nicht entscheiden - alle sind einfach nur wunderschön.
Ibrahim sagt das auch, also hast du doch sein Talent.;)
Liebe Maigrüße
Dana

Archimedes
03.05.2009, 23:23
Liebe cyparis, wundervoll!! Meine Lieblingsstrophe ist:

wenn Aufbruch klingt in offnen Erden..
wenn all die quellend vollgesognen Samen
sich wuchtig blähend durch den Boden winden,
sonnentoll dem Blau entgegenzwängen,
lianenhaft die Bergzyklamen
dem Glast der Hitze sich verbinden
in perlend süßen Lerchensängen...

Deine "Maiklänge" sind so gut, da kann ich nur mit einem Vers von Th. Apel antworten, mir selbst fehlen die passenden Worte:

Das Leben drängt sich hervor und quillt
in tausendfarbigen Blüten.
Was willst du die Sehnsucht, die nimmer sich stillt,
im Busen verschlossen noch hüten?
Hervor, was im Herzen dir schlummert so bang,
dann wird auch die Klage zum Jubelgesang
in den Stimmen des Lenzes, der Liebe.

Lieben Gruß von Archimedes ...der mit den blühenden Kreisen

Leier
04.05.2009, 18:40
Liebe Dana,

lieber Archimedes -

habt Dank für Eure Kommentare, die mir den Abend versüßen.
Th. Apel rührt mich sehr an, scheint, als hätte er das damals schon extra für mich geschrieben.
Meine Lieblingsstrophe ist (glaube ich) die letzte.

Sehr lieben Gruß
von
cyparis

fee
04.05.2009, 20:34
servus cyparis,


dein meisterliches gemälde von einem naturgedicht entspricht meinem gefühl nach in seiner formvollendeten darstellung, der überbordenden fülle der liebevoll beobachteten details und der kunstvollen ausfertigung einem jener von mir so geliebten und gern betrachteten naturstillleben niederländischer meister des barock, die durch die genaue beobachtung der unterschiedlichen stofflichkeiten, der formen- und farbvielfalt, der wesentlichen und das auge fesselnden merkmale und wunder, die die natur geschaffen hat, bestechen.

die dinge zum anfassen nah bringen. jeden tautropfen auf jedem härchen eines falterflügels abbilden, sodass man meint, er würde im nächsten moment auf- und davonfliegen.

ich bin hin und weg!

ich stehe naturgedichten eher reserviert gegenüber. oft sind sie mir zu nah am klischee, zu viel von schon ähnlich gelesenem. aber das hier ist berückend schön. nicht allein der gekonnten formalen, spannenden reimschemata wegen. auch das auge des beobachtenden autors mitsamt dem liebevollen und staunenden blick voller ehrfurcht gegenüber der natur in all ihrem reichtum ist zu lesen.

was will mein herz mehr!

danke.

beglückte grüße,

fee

ruhelos
05.05.2009, 08:40
hallo cyparis,

dieses schöne Maigedicht verschlägt mir echt die Sprache. Vor meinen Augen zogen die von dir beschriebenen Bilder an vorbei. Die Natur hat ihre Meisterdichterin gefunden.

Jetzt verstehe ich, was Archimedes meinte. Er sprach nicht von deinem Wenn sondern von deinem Dann-Gedicht.

Viele Grüße
ruhelos

Chavali
05.05.2009, 08:51
Liebe cypi,

was kann ich anderes noch tun, als mich den lobenden Worten meiner Vorschreiber anzuschließen.
Deine wundervollen Worte lassen keine Wünsche übrig.
Für mich eines deiner besten Gedichte!

Diese Strophe ist mein Favorit:
wenn sich die dunkle Tulpenglut
Päonien beugt, im Mittag ruht, Blüten streut...
wenn wild der Flammenrotdorn dräut...
wenn stolz die Weihe streicht vorbei..
wenn im Dämmern schwer wie Blei
sinkt ins Herz die Träumerei...
Liebe bewundernde Grüße,
Chavali

Leier
05.05.2009, 08:57
Liebe fee,


welch ein überwältigendes Lob!
Du machst mich fast (aber nur fast!) verlegen.
Es war eine jener Mainächte, in denen ich - noch trunken von all dem Schönen - das, wes mein Herz voll war, in einem Zug aufs Papier warf. Eine Zeile findet keinen entsprechenden Reim, aber ich wollte später an diesem Guß nicht mehr feilen. Es schien mir nicht so wichtig zu sein.


Nochmals Dank für "beglückt"
und liebe Grüße
von
cyparis!


Liebe ruhelos,

schnell wieder tief Luft holen!
Wie schön, daß meine Bilder in den Augen der Leser wieder zu Bildern werden, das freut mein Dichterherz.

Aber "Meisterdichterin".... ist das nicht fast zuviel des Guten?
Es gibt Meisterinnen des Naturgedichtes, die mich blaß werden lassen. Aber die sind alle tot. Heutige sind mir nicht bekannt (außerhalb der Foren).

Hab Dank und laß Dich
lieb grüßen
von
cyparis


Liebe Chavali,


ich glaube, Du kanntest das Gedicht schon.
Wie ähnlich wir lesen (und empfinden) zeigt mir, daß auch für Dich die letzte Strophe am gelungensten zu sein scheint.

Vielen schnurrenden Dank
und maunzende Grüße
von
cyparis

Erich Kykal
06.05.2009, 11:47
Hi, cypi!

Tja, das wird jetzt nicht leicht! Leider muss ich vermelden, dass mir dieses Gedicht aus verschiedenen Gründen nicht so liegt.
Sprachlich: Insgesamt zu lang, zu viele "wenn"s, manche Begriffe (troglodytenhaft usw.) passen nicht ins lyrische Bild, in die Stimmung. Zum Ende hin reimtechnisch zu bemüht. Das Metrum leidet, und das Reimschema wechselt ständig, oder macht zumindest den Eindruck. Auch die offenen Enden (zb S2) stören mich, diese halben Zeilen hintennach.

Ansonsten sprachlich sehr schön und stimmungsvoll. Gute Bilder, fast zuviele davon. Zum Ende hin ermüdet die Fantasie schon daran.
Am meisten stören mich die unregelmäßige Metrik und das flackernde Reimschema. Sorry, ist leider so.

Das Gefühl steht auf einem anderen Blatt. Das bringst du sehr gut herüber.
Tut mir leid, wenn ich ausgerechnet hier nicht nur voll des Lobes bin. Ist eben Geschmacksache, manches...
LG, eKy

Leier
12.05.2009, 13:30
Lieber Erich Kykal!

Ich habe nur einmal kurz Atem geholt, tief durchgeatmet und mir gesagt:

"Dir geht es doch genau so. Nicht Alles kann Allen gefallen. Nimms nicht zu schwer!"

So mach ich es auch.
Ich finde zwar nichts reimtechnisch zu Bemühtes in meinen Versen, aber das ist subjektiv.
Das Gedicht war gewissermaßen ein Sturzbach, mir schien sich alles so zu fügen, wie es sein sollte, ganz ohne Mühe.

Ich sage (wie immer):
Gefallen macht schön.

Liebe Grüße vom
Boden der Tatsachen aus:

cyparis

Herbstblatt
12.05.2009, 21:58
Liebe cyparis,
randvoll mit überschwänglichen Bildern, barock und verschwänderisch ist dein Gedicht, eben wie der Mai mit seiner unbändigen Lebenskraft, die sich nicht in das enge Korsett eines einheitlichen Versmaßes zwängen lassen mag.

Herbstblatt

Leier
19.05.2009, 08:15
Liebe Herbstblatt,

hab herzlichen Dank für den randvollen Kommentar!

LG (auch an Herzblatt!)
von
cyparis

ReinART
19.05.2009, 08:23
Liebe Cyparis
wie machst Du das? Auf der einen Seite diese altmeisterlichen Gedichte und dann wieder dieses.
Hier quillt der Frühling aus jeder Zeile, aus jedem Wort hervor und öffnet der Fantasie Tür und Tor!
Nochmals: Verneigung!
Lieben Gruß
reinhard

Leier
22.05.2009, 16:27
Lieber ReinArt,

hab Dank für Dein großes Lob.
Dies Gedicht ist aus mir hervorgequollen....

Lieben Gruß
von
cyparis