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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fernweh


Eisenvorhang
12.04.2017, 10:24
Was trug mir dieser Wind nur fort
aus meiner welken Herzensblüte?
Aus jenem schüchtern toten Wort
floss in dich meiner Liebe Güte.

Ich strich dem See am Nacken lang,
und Nebel zog unendlich tief:
mein Herz war einsam, mir war bang,
als schmachtend ich in Dir entschlief..

Ich nahm ein Messer in die Hand
und schnitt ein Loch in diesen Himmel.
Nun ist kein Ort fernab entbrannt;
von oben kotzten gelbe Schimmel.

Die Ferne ist, was mir gefällt,
die gläsern hoffend sich verspricht -
und wo ihr Trost den Weg erhellt,
dort fürchte ich die Schatten nicht.

Erich Kykal
12.04.2017, 11:37
Hi EV!

Ein schöner Text mit überraschend unverbrauchtem Kopfkino - interessante Bilder: Dem See "am Nacken langstreichen" oder mit dem Messer "ein Loch in den Himmel schneiden". Das ist sehr gut!

Ein paar kleine Schwächen solltest du noch bearbeiten:


Was trug mir dieser Wind nur fort
aus meiner welkend Herzensblüte? "welkend" klingt hier sehr geschraubt. Ich würde einfach das "d" am Ende weglassen.
Aus jenem schüchtern toten Wort:
floss in dir meiner Liebe Güte. Besser "in dich" und ohne Doppelpunkt?

Ich strich dem See am Nacken lang,
und Nebel zog unendlich tief:
mein Herz war einsam, mir war bang,
als ich in Dir schmachtend entschlief. Das passt so nicht in den Takt. So schon: "als schmachtend ich in Dir entschlief."

Ich nahm ein Messer in die Hand
und schnitt ein Loch in diesen Himmel.
Nun hat kein Gott Ferne entsandt; Hebungsprall "Gott Ferne". Die Zeile würde ich umschreiben, vielleicht so, dass das tolle Bild der kotzenden Schimmel besser erklärt wird.
von oben kotzten gelbe Schimmel.

Die Ferne ist, was mir gefällt,
die gläsern hoffend Licht gebiert -
der Sehnsucht Trost mein Heil erhellt,
auf das mein Wandern nie zerfriert. Das funzt nicht. "Zerfriert" klingt eher seltsam und lässt sich schwer auf das Wandern beziehen. Ich würde den Reim ändern: "die gläsern hoffend sich verspricht, // und wo ihr Trost den Weg erhellt, // dort fürchte ich die Schatten nicht."


Sehr gern gelesen und beklugfummelt! :)

LG, eKy

Eisenvorhang
12.04.2017, 12:31
Hallo eky,

ich verhasspel noch einfache Dinge, das ärgert mich etwas.

Die Korrekturen habe ich übernommen und den einen Vers ausgebügelt [leider nur unrein gelöst] und versucht die Schimmel besser zu erklären.

Denn ein Schimmel ist kein weißes Pferd, sondern ein Pferd mit einem Gen, welches dafür sorgt, dass das Fell schneller ausgraut. Und gelb ist die Farbe der Eifersucht, aber auch die Farbe von Eiter.

Der Einschnitt in den Himmel versteht sich als eine Flucht nach vorn in die erwünschte Ferne. Der eigenen Welt zu entfliehen, es wird ein träumerischer Einschnitt gewagt, der aber in wundervoller und grausamer Enttäuschung mündet (Schimmel = wunderschön und das Ausgrauen des Fells im Sinne der Enttäuschung und Verzweiflung. Umgangssprachlich wie folgt gemeint: "Ich könnte kotzen, weil ich nicht weg kann"). Eingesperrt in der Realität an jenem Ort, der die Sehnsucht des Fernwehs gebiert.

Erst wollte ich "spien" verwenden. Was ich wegen der Einsilbigkeit verwerfen musste. "speiten" wäre inkorrekt gewesen, blieb also nur noch "kotzen", alle anderen Wörter in dem Kontext wären dreisilbig gewesen.

Dieses Wort als Kontrast, der, im Vergleich der verbliebenen recht weichen Sprache, eigentlich ziemlich gut und auch provokant wirkt.

Ich weiß nicht, ob das zu gewagt und zu weither geholt ist. Allerdings mag ich expressionistischen Impressionismus :D :eek:.
Eben die Sprache etwas zu dehnen.

Ich bedanke mich für das Beklugfummeln. Ist bei mir gern gesehen.

Sei bedankt, auch für das Lob.

vlg

EV