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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Der Versager


Erich Kykal
20.05.2017, 09:46
Durchseucht von Wehmut glänzen meine Tage
wie Wunderperlen: Wertlos, aber prächtig -
und was mir dort verlustig geht, beklage
ich unbewegt und bleibe mir verdächtig.

Zuweilen fühle ich, wie übermächtig
der Drang sich regt nach einer großen Frage -
dann schweige ich und gebe mich bedächtig
der Stille hin, darin ich mir entsage.

Chavali
20.05.2017, 13:23
Servus, Erich :)

nun *Versager* ist wohl zu hart geurteilt für einen Menschen, der vielleicht ein wenig mehr vom Leben
erwartet hat und dem es nicht beschieden war - warum auch immer.

Die Stille annehmen - darin liegt jetzt sein Lebenssinn zum Ziele der Zufriedenheit,
wenn auch ab und zu die Sehnsucht nach einem anderen Weg übermächtig wird...

Zwei ausdrucksstarke Vierzeiler!
Sehr gern gelesen hat mit lieben Grüßen
Chavi

Erich Kykal
20.05.2017, 17:25
Hi Chavi!

Mag sein, dass der Titel heftig gewählt ist, und andere ihn wohl nicht so nennen würden, allein - das grimmigste Urteil ist oft jenes, das ein Protagonist selbst über sich verhängt ... ;):rolleyes:

LG, eKy

Laie
20.05.2017, 22:17
Hi eKy,

ein Gedicht, wie ich es liebe: Kurz und stark und völlig ausgefüllt.

Das Zweifeln am Leben und am Selbst ist schwer abzulegen. Vielleicht ist es sogar unmöglich. Die Stille kann hier helfen, um zu sich zu finden. Im Moment des Zweifelns kann sie aber auch dazu führen, dass man sich umso mehr auf die Selbstzerfleischung konzentrieren kann.

Es gäbe vieles, dass ich noch schreiben könnte, da ich mich hier fast als LI sehen kann. Aber ich lasse das mal :D

Sehr gern gelesen!


Gruß,
Laie

Erich Kykal
20.05.2017, 22:38
Hi Laie!

Vielen Dank für das positive Feedback! :)

Ja, derlei erleben wir fast alle irgendwann, und manche leider ihr ganzes Leben lang. Dabei ist es nur eine Frage des Standpunktes, ob etwas als Versagen gesehen wird - oder als Lebensweisheit, Demut oder Vernunft.
Wären wir etwas flexibler darin, unterschiedliche Betrachtungsweisen des Weltgeschehens oder des eigenen Denkens zu nutzen, wir könnten uns viel Leid ersparen ... - aber das gilt ja nicht als männlich, heldenhaft, gläubig oder patriotisch: Da muss unter allen Umständen auf der einen und einzigen "Wahrheit" beharrt werden, sonst gehört man nicht dazu ... :rolleyes::Aua

LG, eKy

juli
21.05.2017, 11:01
Lieber eKy,

Ein starkes Gedicht!!!

Nachdenklichkeit ist Realismus!:Blume::);):D

Das fällt mir zu diesen Zeilen ein. Zwei Stropfen, wie immer von dir, stark und kräftig und trotzdem sehr sehr lyrisch geschrieben.:Blume::):Blume:

Der grüne Smiley oben lacht dich nicht aus, er lacht, weil ich mit anderen, deinen Augen eine mir fremde Sichtweise wahrnehmen kann. " Der Versager" dieser Titel reibt sich etwas mit dem Thema, weil er vielleicht zu hart urteilt.:):):) Ich bin eine Optismistin:)

Und Stille ist für mich manchmal bitter nötig, damit man wieder mit klarem Blick, ob er nun in Moll oder in Dur klingt durch die Welt gehen kann.:)

Nachdenken ist nie verkehrt, und wer zweifelt lebt intensiv.:Blume:

Liebe Grüße und sehr gerne gelesen von sy

:Blume::Blume::Blume:

Kokochanel
21.05.2017, 11:05
ich betrachte das Gedicht philosophisch und sehe das "Versager" als , vielleicht sogar unterbewusst gesetzte, Doppelsinnigkeit.
Das Wort "entsagen" bringt mich darauf.
Im Sinne von verzichten birgt es im "Versagen" die Doppelsinnigkeit des "Sich etwas versagen" und durch dieses Handlen evtl. im gesellschaftlichen Sinne zu Versagen.
Hierzu inspirierte das klasse Werk mich zu einer gedanklichen Fortspinnung. ich muss aber an dem Gedicht noch etwas feilen.

Die philosophische Frage wäre hier: Ist es tatsächlich ein Versagen, wenn man nicht gruppenkonform reagiert oder könnte es nicht aucb ein gewolltes "Sich versagen, Sich Verweigern" sein?
Hier setzt mein Gedicht an, denn ich denke, lieber Erich, du hast es hier tatsächlich als Versagen, im Sinne von etwas falsch machen gemeint.

Da mein Lebensansatz immer anders war und ich gesellschaftliche Normen, Konformität und Gruppenklüngel immer zweifelnd hinterfragt habe, ist mir die gesellschaftliche Anerkennung nie besonders wichtig gewesen.
ICH muss morgens in den Spiegelschauen können und sehen, dass ich in meinem unbedeutenden Leben niemanden übervorteilt, gewollt und grundlos verletzt oder ausgebeutet habe. Wenn ich da sagen kann, ja, habe ich nicht, dann kann ich auf das Urteil der Restgesellschaft verzichten.:)

" Dabei ist es nur eine Frage des Standpunktes, ob etwas als Versagen gesehen wird - oder als Lebensweisheit, Demut oder Vernunft..." in diesem Kommentar deinerseits finde ich einen Ansatz dieser Gedanken wieder.

Jedoch hatte ich beim Gedicht den Eindruck, dass hier eher der echte Versager gemeint ist.

Ein sehr gutes Werk, Erich, unter das ich gerne, wenn es dir recht ist, meine gedankliche Fortführung als Kommi setzen werde.

LG von Koko

Erich Kykal
21.05.2017, 11:18
Hi Sy!

Vielen Dank für's Reinschauen und Bewundern - dein Lob erfreut mich stets auf's Neue! :)
Stille ist gut, aber manchmal leider auch ein Versteck ...


Hi Koko!

Ich liebe Doppeldeutigkeiten! Du hast meine Intention hier richtig erkannt - auch wenn das Werk eher den "echten" Versager oder den "Sichselbstversager" meint, so kann es auch auf den "sich der Gesellschaft, der Norm Versagenden" gemünzt gelesen werden.
Auch dir vielen Dank für deine kundigen Gedanken! :)


LG, eKy

Eisenvorhang
23.05.2017, 16:32
Ich glaube, bei Lyrikern ist es so, dass jedes Gedicht was sie schreiben, sie selbst betrifft.
Alles Andere wäre gelogen! Ich will damit nicht sagen, dass Du Dich mit dem Gedicht als Versager verstehst.
Zwischen Versager-sein und sich als Versager fühlen...
Ich kenne das alles auch, mit allen Selbstzweifeln.

Es kommt ja aus dem Inneren heraus - deswegen fällt mir das Kommentieren immer schwer. Einerseits will ich nicht flach kommentieren oder kritisieren, andererseits will ich aber auch nichts unkommentiert lassen, was ich interessant finde.

Ich will ja niemanden bloß stellen oder zu nahe treten etc...
Deswegen drücke ich es anders aus.

Ich finde es sehr bewegend, was du immer so schreibst eKy.

Vieles davon kann ich nachvollziehen. Rational, sowie emotional.
Der Mensch sollte leben, um zu leben und nicht um zu funktionieren.
In meinen Augen sind das keine Versager. Sondern Menschen, die so einiges "richtiger" machen.

Die Gesellschaft, die Menschen zu Versagern stempelt, ist eine Gesellschaft die versagt.

allergernst gelesen

EV

Erich Kykal
23.05.2017, 17:25
Hi EV!

Da sagst du durchaus etwas Wahres! Ein wenig Selbstreflektion und Zweifel täten so manchen Diktatoren, Politikern oder eingebildeten Kunstspinnern gut! :D

Vielen Dank für dein positives Feedback und das Lob! :)

LG, eKy

Kokochanel
24.05.2017, 08:39
hier kommt mein versprochenes "Anschlussgedicht":):
"Ver-dacht

Und wenn er diese eine Frage fände,
die er sein Leben lang fast täglich sucht,
was täten seine unbedarften Hände?
Ach, wären sie im Stillen doch versucht,

sich in den altbekannten Schoß zu legen,
der sie so sicher birgt und heimelnd hält?
Die Frage fände wohl ein jähes Ende,
mutierte zum Geheimnis, leicht verrucht.

Indem er sie sich hielt als Unbekannte,
floh unbemerkt sie in den rosa Regen,
versprühte sich bis über seine Welt,
bis irgendein ihm Fremder sie benannte.
(C) Kokochanel

LG von Koko

Erich Kykal
24.05.2017, 14:03
Hi Koko!

Wow - das sollte unbedingt auch als eigener Faden stehen - du kannst die "Verwandtschaft" zu diesem Werk ja in einer kleinen Fußnote vermitteln!

Besonders das Enjambement zwischen S1 und S2 hat es mir angetan - welch hochlyrischer Satz! :)

Die Anführungsstriche würde ich entfernen.

Ausgesprochen gern gelesen und genossen! :):Blume::Kuss

LG, eKy

Kokochanel
24.05.2017, 18:34
es freut mich, lieber Erich, dass dir meine fortführenden Gedanken so gut gefallen. Philosophische Gedichte inspirieren mich immer, sie fortzuspinnen an dem Punkt, an dem sie enden. Danke für die Inspiration und für dein Lob.
Wenn du meinst setze ich es ein.
LG von Koko

Erich Kykal
24.05.2017, 20:52
Aber ja doch! :)

Jetzt erkenne ich auch das überaus interessante Reimschema:

ABAB CDAB ECDE


Hier zum Ende (und weil dein Anschlussgedicht so gut ist!) die Kombination:


DER VERSAGER

Durchseucht von Wehmut glänzen meine Tage
wie Wunderperlen: Wertlos, aber prächtig -
und was mir dort verlustig geht, beklage
ich unbewegt und bleibe mir verdächtig.

Zuweilen fühle ich, wie übermächtig
der Drang sich regt nach einer großen Frage -
dann schweige ich und gebe mich bedächtig
der Stille hin, darin ich mir entsage.

Und wenn er diese eine Frage fände,
die er sein Leben lang fast täglich sucht,
was täten seine unbedarften Hände?
Ach, wären sie im Stillen doch versucht,

sich in den altbekannten Schoß zu legen,
der sie so sicher birgt und heimelnd hält?
Die Frage fände wohl ein jähes Ende,
mutierte zum Geheimnis, leicht verrucht.

Indem er sie sich hielt als Unbekannte,
floh unbemerkt sie in den rosa Regen,
versprühte sich bis über seine Welt,
bis irgendein ihm Fremder sie benannte.


So sieht man allerdings einen kleinen Lapsus: Während bei mir das LyrIch selbst spricht, beschreibst du in der Erzählform einen "er". Das passt nicht optimal zusammen.

LG, eKy