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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : schicksalsHaft


Lailany
24.05.2009, 16:45
Rühr mich nicht an, mir graut vor deinen kalten Händen,
mit denen du wie Billigware mich betastest,
mir Regeln aufdrückst, die du nur für mich verfasstest -
heut ist der Tag der Inventur von Restbeständen.

Starr mich nicht an, es ekelt mich bei deinen Blicken,
die nichts mehr übrig lassen als die nackte Haut.
Den Weg nach draußen, dachtest du, hast du verbaut,
mit deiner Gegenwart drohst du mich zu ersticken.

An meiner Kraft hast du gesaugt wie eine Zecke,
als Lasttier vor den vollen Karren mich gespannt,
bin jahrelang nur gegen Gitter angerannt,
mein Wille blieb in Staub getreten auf der Strecke.

Die böse Aura konnte ich nicht mehr ertragen,
da nahmst als Geiseln du die beiden Lichtgestalten,
ich sah sie winken und sich an den Händen halten -
mir blieb nur eins - die Tür von aussen zuzuschlagen.

Du stopftest Zuckerbrot in ihre kleinen Münder,
die gut versteckte Peitsche können sie nicht sehn,
du fütterst sie mit Lügen, die sie nicht verstehn,
benutzt als Waffe gegen mich die eignen Kinder.

Die Zelte abgebrannt, die Brücken eingerissen,
du hältst mit Macht das mir so teure Unterpfand.
Ich ahnte nicht, dass mir ein Teufel gegenüberstand,
doch dieser feige Sieg wird dir kein Ruhekissen.

Noch spinnst du Fäden ungestraft um dein Verbrechen,
aus deinen Augen lachen Hohn und dreistes Grinsen.
Bezahlen wirst du es mit Zins und Zinseszinsen.
Ich hole mir, was mein - nimm das als mein Versprechen.

Falderwald
24.05.2009, 19:57
Liebe Lailany,

ich meine dieses Gedicht schon aus früheren Zeiten zu kennen, deshalb will ich mich auch nicht ausufernd dazu äußern.

Auf jeden Fall ist es eines deiner beeindruckendsten Werke, das tief in die Hintergründe einer Beziehung blicken lässt.
Deine Protagonistin betreibt eine gezielte Abrechnung mit dem Partner, der ihr anscheinend sehr weh getan hat.
Das geht soweit, daß er die Kinder ausspielt, indem er ihnen (oberflächlich) Gutes geschehen lässt, sie also quasi mit materiellen Dingen besticht, weil sie noch nicht alt genug sind, die Wahrheit zu erkennen.

Ja, eine sehr authentische Schilderung einer Mutter, die um ihre Kinder kämpfen muss.

Auch der Titel ist zweideutig, und zwar nicht nur schicksalshaft sondern auch die Haft, also das Gefangensein, im eigenen Schicksal.


Gerne (wieder) gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Leier
24.05.2009, 21:26
Liebe Lailany,



das geht tief unter die Haut!
Erstaunlich ist das durchgängige abba, doll durchgehalten, sehr beeindruckend!
Die Geschichte ist gräßlich, ganz gleich, wie oft sie passieren mag.
Deine zornigen Worte (um nicht zu sagen rachelüsternen) zeigen mit Sprachgewalt, wie es im Innern dieses LyrI aussieht, brodelt, gärt und lodert.
Ich hätte manche Satzzeichen anders gewählt - aber das ist marginal!

Ein großer Wurf!

Lieben Gruß
von
cyparis

Medusa
25.05.2009, 12:44
Guten Morgen Lailany,

ich glaub, dieses Gedicht hat schon ein wenig Zeit auf dem Buckel und ich hoffe, diese Zeit ist ausgestanden und abgeschlossen?

Für mich eines Deiner stärksten Gedichte, dass mit viel Herzblut geschrieben und Dir damals sicher geholfen hat, stark zu bleiben. Mir gefällt ganz besonders die Kampfansage in der letzten Strophe, in der die Wut und die Enttäuschung förmlich herausgeschrien werden.

Ich hätte statt des umarmenden Reims a-b-b-a, der ja sehr liebevoll ist, eher eine andere Reimform mit stumpfen, männlichen Kadenzen gewählt. Das könnte die Härte des Entschlusses noch unterstreichen. Für mein Gefühl bleibt bei diesem freundlichen Reimschema noch ein Türchen offen......

Aber das ist Schnee von Gestern :)!

Das Gedicht liest sich schön flüssig und präsentiert überaus wortgewaltig sehr, sehr eindringliche und scheußliche Bilder. Deine Sprache begeistert mich immer wieder!

Herzliche Grüße nach Downunder,
Medusa.

Lailany
13.11.2014, 06:39
Da hier noch eine Antwort (für zwei gesperrte Userinnen) und, wie ich grad sehe, auch für Faldi ausständig ist, nutze ich gleich diese Gelegenheit, es hochzuziehen und brauch es nicht in Versunkenes zu posten, wie ich es vorhatte, nachdem ich Sidgranis Werk 'Entfremdung' gelesen hatte.
www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=12795

Lieber Faldi,
ja, dieses Werk ist schon etliche Jahre alt. Es ist nicht perfekt, nicht ebenmäßig. Kleine Änderungen hab ich vorgenommen und es wäre durchaus machbar, alles anzugleichen.
Dabei jedoch würde wahrscheinlich viel von dem verloren gehen, woran ich festhalten möchte. Es ist in einem Zustand verzweifelter Hilflosigkeit, Schmerz und Wut entstanden, die den Leser ungebremst erreichen, wie ich in allen Kommentaren (hier und an anderer Stelle) erfahren konnte.
Die scheußliche Sache ist noch nicht ausgestanden. Dabei kann mir nur die Zeit helfen.
Erst, wenn die Kids sich ihr eigenes Urteil bilden, in der Lage und gewillt sind, sich dafür stark zu machen, dann ist meine Chance gekommen.

Herzlichen Dank für Deine Worte. :)

LG von Lai:Blume:

Erich Kykal
13.11.2014, 10:35
Hi, Lai!

Ein gewaltiges Gedicht - intensiv wie ein Schlag!:(

Allerdings mangelt es an Rhythmus:

Berühr mich nicht, mir graut vor deinen eisig kalten Händen,
mit denen du wie Billigware mich betastest,
mir Regeln aufdrückst, die du nur für mich verfasstest -
heut ist der Tag der Inventur von meinen Restbeständen.

Hebungsschema S1: 7-6-6-7

Starr mich nicht an, es ekelt mich vor deinen geilen Blicken,
die nichts mehr übriglassen als die nackte Haut.
Den Weg nach draußen, dachtest du, hast du mir längst verbaut,
mit deiner bloßen Gegenwart drohst du mich zu ersticken.

Hebungsschema S2: 7-6-7-7

An meiner Kraft hast du gesaugt wie eine Zecke,
als Lasttier vor den vollgepackten Karren mich gespannt,
bin jahrelang nur gegen Gitterstäbe angerannt,
mein Wille blieb in Staub getreten auf der Strecke.

Hebungsschema S3: 6-7-7-6

Die böse Aura um dich konnte ich nicht mehr ertragen,
da nahmst du dir als Geiseln die zwei Lichtgestalten,
ich sah sie winken und sich an den Händen halten -
doch mir blieb nur die Chance, die Tür von aussen zuzuschlagen.

Hebungsschema S4: 7-6-6-7

Du stopftest reichlich Zuckerwatte in die kleinen Münder,
die Peitsche hinter deinem Rücken können sie nicht sehn,
du fütterst sie mit Lügen, die sie jetzt noch nicht versteh'n, "verstehn" - Apostroph überflüssig.
nutzt sie als eine Waffe gegen mich - die eig'nen Kinder. "eignen" - Apostroph überflüssig.

Hebungsschema S5: 7-7-7-6

Hast meine Zelte abgebrannt, die Brücken eingerissen
und hältst mit aller Macht das mir so teure Unterpfand.
Ich ahnte nicht, dass mir ein Teufel gegenüberstand,
doch dieser feige Sieg, er wird dir niemals Ruhekissen.

Hebungsschema S6: 7-7-7-7

Noch spinnst du deine Fäden ungestraft um dein Verbrechen,
aus deinen Augen lacht Triumph und dreistes Grinsen.
Bezahlen wirst du mir dafür mit Zins und Zinseszinsen.
Ich hole mir zurück, was Mein - nimm das als mein Versprechen. Schöner: "... nimm dies als ein ..."

Hebungsschema S7: 7-6-7-7


Ich erlaube mir mal einen durchgängig 6-hebigen Versuch:

Berühr mich nicht, mir graut vor deinen kalten Händen,
mit denen du wie Billigware mich betastest,
mir Regeln aufdrückst, die du nur für mich verfasstest -
heut ist der Tag der Inventur von Restbeständen.

Starr mich nicht an, es ekelt mich vor deinen Blicken,
die nichts mehr übriglassen als die nackte Haut.
Den Weg nach draußen, dachtest du, hast du verbaut,
mit deiner Gegenwart drohst du mich zu ersticken.

An meiner Kraft hast du gesaugt wie eine Zecke,
als Lasttier vor den vollen Karren mich gespannt,
bin jahrelang nur gegen Gitter angerannt,
mein Wille blieb in Staub getreten auf der Strecke.

Das Böse um dich konnte ich nicht mehr ertragen,
da nahmst du dir als Geiseln die zwei Lichtgestalten,
ich sah sie winken und sich an den Händen halten -
doch mir blieb nur, die Tür von aussen zuzuschlagen.

Du stopftest reichlich Zucker in die kleinen Münder,
die Peitsche hinterm Rücken können sie nicht sehn,
du fütterst sie mit Lügen, die sie nicht verstehn,
benutzt als Waffe gegen mich die eignen Kinder.

Hast Zelte abgebrannt, die Brücken eingerissen
und hältst mit Macht das mir so teure Unterpfand.
Ich ahnte nicht, dass gegen mich ein Teufel stand,
doch dieser feige Sieg wird dir kein Ruhekissen.

Noch spinnst du Fäden ungestraft um dein Verbrechen,
aus deinen Augen lachen Hohn und dreistes Grinsen.
Bezahlen wirst du es mit Zins und Zinseszinsen.
Ich hole mir, was mein - nimm dies als ein Versprechen.


Sehr gern gelesen und bearbeitet!:)

LG, eKy

juli
13.11.2014, 17:46
Aus deinem Gedicht spricht eine Menge Wut, über das Unfassbare, die Ungerechtigkeit, die der Partner mit deiner Protagonistin treibt.

Die eigenen Kinder gegen den Partner zu benutzen ist das Letzte.:mad:

Mir gefällt, die Sprache, das Unzensierte, sie gibt die Verzweiflung wieder.:Blume::Blume::Blume:


Sehr sehr gerne gelesen.

Liebe Grüße sy

Lailany
18.11.2014, 23:51
Hallo Eky,
herzlichen Dank für die Bearbeitung, die ich in Bausch und Bogen übernommen hab. Und dabei blieb alles das konserviert, was ich beibehalten will. Prima!
Nur das Zuckerbrot hab ich behalten... da die Redensart in diesem 'Fall' den Nagel mittig auf den Kopf trifft.

Liebe Sy,
ja, die Varianten des Kindermisshandlung haben unzählige Facetten, jede davon ist unterste Schublade und gerade da versagt die Gesetzgebung schmählich.

Danke Euch beiden für Eure Kommentare.

LG von Lai:Blume: