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Erich Kykal
03.07.2009, 07:42
Noch bist du Erde gut mir, und
noch will ich deine Bilder trinken.
Noch will die müde Seele wund
von deiner Schönheit niedersinken
mit Abenden zu solchen Nächten,
die groß sind wie der Sterne Zahl
und, wenn wir sie allein verbrächten,
verloren wären tausendmal!
Lieber Erich Kykal,
das ist wieder "original"-Kykal!
Sang und Klang, schmelzende Metrik, schöne Reime trotz des "und" am Zeilenende.
Aber kniet die Seele nicht v o r der Schönheit?
Lieben Gruß
von
cyparis
Erich Kykal
03.07.2009, 10:38
Hi, cypi!
Lies richtig: Die Seele will WUND von der Erde Schönheit niedersinken!
Vielen Dank für dein Lob aus berufenem Munde!
LG, eKy
Ja, lieber Erich Kykal -
ich denke, man kann das so oder so lesen.
Wund von Schönheit - aber ja.
Wunde Seele vor der Schönheit niederknieen - ginge aber auch.
Jetzt neig ich Deiner Interpretation zu.
Lieben Gruß
von
cyparis
a.c.larin
03.07.2009, 11:12
hallo erich ,
wunderschön im klang ist dieses gedicht - durch die enjambements erst nach mehrmaligen lesen ganz verständlich.
vielleicht könnte ein beistrich nach : noch bist du erde gut mir, und....
helfen , gleich in den richtigen leserhythmus zu finden?
(dann wäre das zweite "noch" am zeilenanfang weniger betont, wodurch es sich vom dritten wieder etwas mehr abheben würde ...)
aber das ist nur eine klitzekleine anregung...
gerne gelesen!
larin
Blaugold
04.07.2009, 23:10
Hallo Erich
Wir wären viele Mal verloren im Ablauf der Zeiten, müssten wir allein sein. Das ist sehr poetisch ausgedrückt in deinem Gedicht.
Ich halte mich nochmal am "wund von deiner Schönheit" auf. Ich las zuerst auch zweimal, um dann die Richtigkeit im Syntax zu erkennen.
Durch die Häufung der Anfänge in den ersten 3 Zeilen (Noch ...) lese/interpretiere ich aber auch, dass es ausklingt, also ungefähr so:
Zur Zeit noch, aber später oder bald nicht mehr. Von dir beabsichtigt? Und falls ja, geht das aus dem Gedicht hervor, warum?
Zudem finde ich "wund" als etwas eher Pathetisches, auch wenn es sinnbildlich verstanden werden möchte.
Dass eine Seele wund sein kann ist ok. Doch durch bzw. von der Erde Schönheit?
Ich habe auch überlegt, ob dem wund vielleicht "wunderbar" oder "verwundert" angedichtet werden könnte. Ich glaube aber nicht.
Blaugold
Erich Kykal
06.07.2009, 13:20
Hi, Larin!
Danke für den Tipp! Ich habe zwar leichte Bedenken ob der grammatikalischen Richtigkeit des Kommas an dieser Stelle, aber das Lesen im korrekten Rhythmus erleichtert es tatsächlich erheblich. Wurde dankend angenommen!
Hi, Blaugold!
Wie bei allem kommt es auf die Dosis an: Auch reiner Zucker ist bei Überdosierung - wie eben alles - reines Gift! Auch eine Seele kann sich "wundsehen" an zuviel Schönheit, zumindest im übertragenen Sinne. Ich wollte mit dieser Formulierung nur verdeutlichen, wie intensiv empfunden manches Erdenbild ist.
Ich schreibe meine Gedichte weniger in bewußter Überlegung/Planung. Ich halte mich, mein ganzes Sein, an einem Gefühl fest und versuche, es in Worte zu fassen, bevor es mir entgleitet. Das ist alles. Oft bin ich vom letztendlichen Ergebnis selbst ein wenig überrascht. Ich nenne es meine "Dichtertrance". Dieser Zustand ist sehr meditativ, schwer zu fassen, schwer zu beschreiben, aber dann fließt es nur so aus mir heraus. Wirklich bewußt denke ich dabei nur an die Einhaltung des Reimschemas, der Rest formt sich irgendwie aus dem glühenden Kern meines Empfindens - zumindest, wenn es um Naturgedichte geht. Ich kann schon anders auch dichten - mit konstruieren eben, Formulierungen suchen usw., aber die liebsten Gedichte sind mir meist jene, die wie beschrieben entstanden sind - da bin ich wirklich ich selbst, da bin ich mir am nächsten!
Soviel zu deiner Frage, inwiefern etwas von mir "beabsichtigt" sein möge. In Fällen wie diesen kann man davon eigentlich gar nicht sprechen, zumindest nicht in bewußtem Sinne. Auch dieses kurze Gedicht kam so aus mir raus, wie's dasteht - eher in die Welt "gefühlt" (in diesem Fall in ca. 2-4 Minuten) als intellektuell hingedichtet. Wie gesagt, schwer zu beschreiben. Ist aber so.
LG, eKy
Lieber Erich Kykal,
ich komme noch einmal auf das "wund" zurück.
In meinen Augen ist es einer der schönsten Ausdrücke in der Lyrik.
Denn auch "wonnewund" ist nicht zu übertreffen, da können die "Modernen" werkeln, wie sie wollen.
Nochmals tiefberührten Gruß
von
cyparis
Blaugold
06.07.2009, 22:08
Hallo Erich, Cyparis
Deine Erklärung wie dein Text entstanden ist kann ich gut verstehen. Diese Dichtertrance, wie du sie nennen möchtest, ein "Flow", ein Fließen aus der Seele Gründe macht ja viel in der Poesie aus; denke ich ebenso. Ich meine aber, dass es den Poeten auch ausmacht, genau gewählte Worte zu verwenden, um ein solches Gefühl zu beschreiben. Es gibt im allgemeinen Verständnis zwei Ebenen dafür.
Gefühle auszudrücken hat im Speziellen nichts mit Sprache zu tun. Ein Trugschluss ist deshalb, davon auszugehen, dass Dichter somit Gefühle, Empfindungen, seelische Befindlichkeiten etc. am Besten ausdrücken könnten.
Sie können sie in Worte fassen, müssen Worte dafür nehmen oder Sprache, damit es in einer Kunstform wie Poesie transportiert werden kann.
Nehmen wir z.B. die Begeisterung, jenes euphorische Gefühl der Freude, das auch du in deinem Gedicht wohl meinst: Dies passiert, wenn es im Gemüt passiert, ohne Worte. Dies würde ich als Erlebnis bezeichnen. Das wird mit Ausdrücken der Freude vollbracht, nicht mit Ausdrücken (Worte, Sinnbilder, etc) die Freude beschreiben!
Ein Poet, das sehe ich wie ihr auch, ist also ein Künstler, der Erlebnisse in passende, bildhafte Worte kleidet, damit sie eben nicht nur augenblickliche Gefühlsempfindungen sind (subjektive Empfindungen sind wortlos).
Ich bin in diesem Kommentar deshalb auch vielleicht ein wenig penetrant, weil es immer wieder zu lesen ist (nicht unbedingt von euch beiden), dass ein/e Autor/in ihr Werk mit dem Argument verteidigen, es sei nun mal sehr persönlich, gefühlsmäßig, und das wurde dann eben auch so ausgedrückt. Ein Poet drückt keine Gefühle aus (zumindest nicht im Geschriebenen, bei einer Lesung wäre er in der Lage, durch Artikulation Gefühle mit einzubringen, klar) er macht aus Gefühlen Poesie. Das sehe ich zumindest als großen Unterschied.
Nochmal zum "wund": Im Allgemeinen wird dieses Wort mit Verletzung in Verbindung gebracht, auch in der Psyche/Seele. Somit wird es auch als nicht heil gleichgesetzt (wenn wir jetzt mal von den christlichen Märtyrerpsychosen absehen, in denen man heilig/heil gesprochen wird. :o)
Mir ist schon klar, wie ihr das verstanden haben möchtet. Es ist Usus ind Tradition, Pathetisches auch in die Dichtung mit einzubeziehen, natürlich! Pathos ist ein nicht unbedeutender Aspekt im Wehklagen. (Gibt es auch ein Wehjubeln?) Aber "wund" wird deshalb per se nicht zu einem postitiven Ausdruck, wie z.B. Freude.
Ich möchte aber jetzt auch nicht mit dem Daumen ob deines Gedichtes steil nach unten zeigen - nur kritisch betrachten. ;)
Wieder was anderes, Mögliches ist noch: Die Schönheit in einer Wunde, die durch leidenschaftliche "Berührung" der Sinne mit der Natur zustande kommt.
("Eternal is the warrior, who finds beauty in his wounds.") Das ist deine Intention. :)
Blaugold
Erich Kykal
07.07.2009, 14:26
Hi, Blaugold!
Ich kann nicht umhin, deiner fehlerlosen Argumentationskette in allen Punkten beizupflichten. Genau so verhält es sich. Das Problem besteht darin, dass viele Dichter sich hinterher nicht von ihrem Werk abnabeln und es neutral betrachten können - ich gebe zu, bei manchen meiner Werke habe ich selbst Schwierigkeiten damit. Da sie mit ihrer "Materie" also emotional noch so verbunden sind, kommen dann solche Argumernte wie die von dir beschriebenen zustande. Alles menschlich!
LG, eKy
Lieber Erich Kykal -
ich (versberauscht) frage mich, warum man sich als Dichter von seinenrSchöpfung "abnabeln" soll.
Der physiche Vorgang bei Geburten ist notwendig und überlebenswichtig.
Aber in der Lyrik?
Ich wage, leise zu widersprechen.
Denn auch nach der Abnabelung bleiben weder Mutter noch Kind wirklich neutral.
Warum auch?
Subjektive Grüße
von
cyparis
Erich Kykal
07.07.2009, 14:39
Ich meinte "abnabeln" im emotionalen Sinne hinsichtlich einer vorurteilsfreien Analyse und Wertbeurteilung des eigenen Geschriebenen. Oft ist man so "begeistert" von seinem Dichten, dass man für manche Schwächen oder Fehler praktisch erblindet - ist mir selbst schon passiert!
Ich meinte ja nicht, du solltest deine Werke "verstoßen", nur das Üben eines Blicks aus anderem Standpunkt oder Blickwinkel. In diesem Sinne also "abnabeln", weiter nichts.
Übrigens, wenn du so reimetrunken bist: Da sind noch zwei in meinem Archiv - ganz ohne Kommi!:D;)!
LG, eKy
Lieber Erich Kykal,
"reimetrunken" bin ich nur dann, wenn mich die Reime trunken machen.
Bezeichne mich lieber als "nach Schönheit dürstend".
Wie gut, daß dieser Durst hier mannigfach gestillt wird.
Wie wird man vorurteilsfrei?
notabene:
HUNDERTE Deiner Wunderwerke habe ich noch nicht kommentiert!
Untertan:
cyparis
Erich Kykal
09.07.2009, 08:44
Ich dachte, "reimetrunken" sei nur ein anderer Ausdruck für "versberauscht", wie du dich ja selbst im vorletzten Kommentar bezeichnetest!:D;)
Vorurteilsfrei wird man, indem man beschließt, keine festgefügte Meinung mehr zu haben, zu nichts und niemandem. Zu vieles - wenn nicht alles - was uns betrifft oder um uns, mit uns, in uns wirkt, ist Frage der Auslegung oder des jeweiligen kulturellen oder intellektuellen Standpunktes, den ein Betrachter einnimmt. Aus dem richtigen Winkel betrachtet, kann alles richtig, falsch oder schlicht "anders" sein, zumindest als theoretische Trockenübung des gehobenen Geistes.
Im Realen ist man zu sehr in sich, sein Umfeld, seine Zeit verstrickt, um sich wirklich und nachhaltig aus dem moralischen und geistigen Kontext seiner Bezugssphäre lösen zu können. Aber man kann sich zumindest bemühen!
LG, eKy
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