Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Mahner
Erich Kykal
09.10.2009, 12:05
Wie war es denn zuzeiten, wenn er offen sprach
und sagte von den Dingen, die da kämen,
da man nicht hören wollte und man mit ihm brach,
als wollte man sich nicht mehr für ihn schämen?
Gar ungemach schlich man abseit, wo er belehrte
und schwieg dazu, wohl wissend: Er spricht wahr!
Bis stumme Lüge sich in gutes Recht verkehrte
und alles wieder still und wie beim Alten war.
So ist dies ewig feige Zaudern der Geschichte
vor denen, die sie allzu früh durchschauten:
Man jagt sie, schlägt sie, zerrt sie vor Gerichte,
doch traut man ihnen nie, so wie sie uns vertrauten!
Lieber Erich Kykal -
wie sag ich's meinem Kinde, ohne langweilig und/oder penetrant zu wirken?
Ach, lies einfach eine meiner anderen Hymnen!
Du hast, auf gewohnt vollendete Manier, eine Erkenntnis in drei Strophen dargereicht, eine leider dauernde Wirklichkeit und Wahrheit.
Aber wann galt je ein Rufer in der Wüste?
Es ist so bequem, unmündig zu sein! (I.Kant)
Lieben Gruß
von
cyparis
Archimedes
10.10.2009, 14:13
Hallo Erich, wieder einmal sprachgekonnt hast du ein schwerwiegendes Problem aufgezeigt.
Mit dem Anfang der dritten Strophe kann ich mich nicht ganz anfreunden. Cyparis würde sagen: "zu viel Füllwörter".
So ist dies ewig feige Zaudern der Geschichte
vor denen, die sie allzu früh durchschauten:
Man jagt sie, schlägt sie, zerrt sie vor Gerichte,
doch traut man ihnen nie, so wie sie uns vertrauten!
Ich würde schreiben:
Das ewig feige Zaudern macht Geschichte
mit denen, die sie allzu früh durchschauten:
Wieder mal großartig, gerne gelesen und besiniert
Gruß Archimedes ...der auch manchmal von den Besserwisserkreisen genervt ist
Der Mahner gilt im Leben wenig,
da er so unbequem und meistens stur
die Weisheit predigt, voll-, misstönig,
gepaart mit Lamorjanz in einer Tour.
Doch meisten wär es besser wohl gewesen,
dass man auf ihn doch öfters hätt gehört.
Mit etwas eignem Mut, Gedankenlesen
wär in der Welt nicht gar so viel zerstört.
(Lamorjanz ist die Berliner Schreibweise für Larmoyanz = Wehleidigkeit)
Erich Kykal
12.10.2009, 12:23
HI, Archimedes!
Danke - endlich weiß ich, was "Larmoyanz" ist! Ich war zu faul, es nachzuschlagen, stolperte aber in letzter Zeit häufiger über dieses Fremdwort.
Warum wohl?
Dein Kommi zur 3. Str. hat etwas für sich, aber wenn ich ihn verkürze, müsste ich dies auch mit den anderen Str. machen, damit ich sozusagen im Rhythmus bleibe - was nachgerade schlecht möglich ist, ohne praktisch das ganze Werk umzuschreiben. Bei solchen Aktionen geht die ursprüngliche "Wortmagie", die Sprachmelodie oft verloren, und es wird oft eine konstruiert wirkende Geschichte ohne emotionale Verinnerlichung.
Ich will die letzte Str. also lassen, wie sie ist, Füllwörter hin oder her. Dennoch danke für dein Bemühen!
LG, eKy
Lieber Erich Kykal,
eine, wenn auch noch so bescheidene, Replik auf seinen Kommentar erwartete
das traurige
cyparis
Erich Kykal
12.10.2009, 12:43
Hi, cypi!
Ist natürlich alles Berechnung bösester Art!
Indem ich dir eine Antwort vorenthalte, bringe ich dich dazu, nachzufragen, wodurch mein Gedicht ein weiteres Mal an die "Spitze" der Liste befördert wird, ohne dass ich inhaltlich auf irgendetwas eingehen müsste!;):D
Nein, Schmarrn! Sorry, aber ich habe ob der Antwort an Archimedes deinen vorhergehenden Kommi glatt zu beantworten vergessen! Unverzeihlich geradezu!
Ich betrachte mich als hinlänglich gemaßregelt! (Schluchz!)
Ja, die "Bequemlichkeit" der Unmündigkeit! Wie allzu leicht verfallen wir dieser selbstzufriedenen Mastkur der eigenen Entverantwortlichung! Es passiert vor allem im gehobenen Alter, wenn man tatsächlich glaubt, man habe schon etwas erreicht und brauchte nun nicht länger mehr an sich zu arbeiten!
Äußerlichkeiten wie beruflicher Erfolg oder Karriere, guter Verdienst oder eigener Schleimerkreis - vor allem bei "Chefs" aller Art - helfen da nicht grade weiter.
Selbst wir Dichter, die wir doch mit dem Pfund wuchern, ständig an uns selbst zu arbeiten und alles zu hinterfragen, gehen mitunter in diese Falle fortgeschrittener Eitelkeit!
LG, eKy
Lieber eKy,
die Mahner sind immer weise und leider auch immer "Waise".
Deine Beobachtung der sich wiederholenden und ähnelden Geschichten hast du in sehr weise Worte gefasst.
Dazu passt auch ein Spruch, den mir ein Lehrer vor Jahrzenten in mein "Posi" eingetragen hat:
"Ratschläge sind wie gebrauchte Kleider. Man trägt sie ungern, auch wenn sie sehr gut passen."
Die letzte Strophe spricht mich ganz besonders an.
Man hört nicht auf sie, weil sie meist an Verzicht appelieren - das fällt dem Menschen am schwersten. Und wenn schon, dann sollen erst die anderen ...
Trotz großen Gefallens mäkel ich ein wenig. Ich glaube, es ist das erste Mal bei dir.
Liebe Grüße
Dana
Wie war es denn zuzeiten, wenn er offen sprach
und sagte von den Dingen, die da kämen.
Die man nicht hören wollte und man mit ihm brach,
als wollte man sich nicht mehr für ihn schämen?
(was man nicht wusste, kann auch nicht beschämen.)
Gar ungemach schlich man sich fort, wo er belehrte
und schwieg dazu, wohl wissend: Er spricht wahr!
Bis stumme Lüge sich in gutes Recht verkehrte
und alles wieder still und wie beim Alten war.
So ist dies ewig feige Zaudern der Geschichte
vor denen, die sie allzu früh durchschauten:
Man jagt sie, schlägt sie, zerrt sie vor Gerichte,
doch traut man ihnen nie, so wie sie uns vertrauten!
Erich Kykal
19.10.2009, 11:21
Hi, dana!
S1Z3 "da" im Sinne von "weil" - was stört dich daran?
S2Z1 "abseit" ist ein alter Ausdruck, aber gerade die liebe ich so und verwende sie, damit sie nicht gänzlich aussterben in unserer nüchtern und prosaisch gewordenen Mediensprache voll "moderner" Beispiele der Simplifizierung und Vereinheitlichung.
In diesem Sinne will ich das so belassen, wie's ist.
Vielen Dank für deinen Beitrag!
LG, eKy
Hallo eKy,
ein "da" im Sinne von "weil" stört mich absolut nicht. Ich habe beim Lesen den Bezug auf "Dinge" genommen, darum die kleine Krittelei.
Für alte Ausdrücke bin ich immer zu haben. Diesen kannte ich nur nicht.:o
(Vielleicht, weil deutsch nicht meine "Muttersprache" ist - ich entdecke nach Jahrzehnten immer noch Neues.;))
Liebe Grüße
Dana
Erich Kykal
22.10.2009, 11:23
Bei deiner offensichtlichen Beherrschung des Deutschen ist die Frage der Muttersprache wohl eher eine rein technisch-akademische, oder?;)
Ich konstatiere, dass viele der älteren Wendungen und Phrasierungen in Vergessenheit geraten, einfach, weil sich eine Sprache weiterentwickelt, weil jede Generation andere Termini bevorzugt, um sich von der "verkrusteten" Vorgängergesellschaft abzuheben. Manches ist dann einfach nicht mehr "cool".
Im Falle der deutschen Sprache bedauere ich dies sehr, da viele der reichhaltigen alten Möglichkeiten, die diese Sprache so vielseitig machen, einer Art Globalisierung, Simplifizierung und Anglisierung zum Opfer fallen, die dem Internet und den modernen Medien zu verdanken ist.
Bedauerlich.
Natürlich möchte ich nicht zurück ins Mittelhochdeutsche oder so! Aber ein wenig "Altertumspflege" für wirklich schöne und gediegene Wörter und Wendungen, gerade in der Lyrik, würde den "Pool" (Schon wieder so'n Anglizismus!) dauerhaft und nachhaltig bereichern - und gerade wir suchen ja immer verzweifelt nach Ausdrucksalternativen, um uns nicht stupide und langweilig zu wiederholen!
LG, eKy
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