PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ein ganzer Mann


Erich Kykal
02.03.2010, 10:02
Viel zu lange war er Sieger,
war ein Kämpfer, war ein Krieger!
Nun wird ihm die Rüstung schwer,
und sein Schwert scheint eigenartig
rostig ihm, zerkratzt und schartig,
und der kalte Helm drückt sehr.

Viel zu lange war er Mann,
und die Schwerkraft seiner Jahre
wuchs ihm durch die Haut wie Haare,
die kein Messer schneiden kann.

Nieder auf die Erde legt er
alle Last, und viel bewegter
als zuvor spürt er die Welt
wieder wie den Wind in Haaren,
als er vor so vielen Jahren
aufbrach, ohne Gut und Geld.

Endlich fühlt er aller Dinge
Neigung wieder, und im Herzen
glänzen statt dem Stahl der Klinge
seiner Träume Andachtskerzen.

Dankbar ahnt er: Seinem Hoffen
stehen tausend Wege offen,
die sein Anderssein gewann,
und weit mehr als in den Jahren,
welche wund und wertlos waren,
weiß er sich als ganzer Mann!

a.c.larin
19.03.2010, 15:13
lieber erich,

das liest sich, wunderschön gereimt in dem wechselndem strophenaufbau, wie ein kleines entwicklungsdrama:
ein mann, wohl in jungen jahren sehr darauf bedacht "männliche härte und stärke" zu demonstrieren, entdeckt den weichen kern in seiner rauen schale...
(ein therapeut würde sagen : er integriert seine weiblichen persönlichkeitsanteile)
er lernt zu schätzen, was er vordem eher gemieden hat und entdeckt sich selber und das leben neu.

wie überaus erfreulich! ( vor allem dann, wenn an seiner seite eine zähe und geduldige partnerin auf genau diesen aufbruch gewartet hat).
dass die zeit davor wertlos war, denke ich aber nicht.
die dinge leben doch durch ihr verbindung und ergänzung durch den gegenpol.

der von uns beiden hoch geschätze r.m.rilke wusste es in einem einzigen satz zu sagen:

"Nur, weil ich Stärke erfuhr, rühm ich das Zarte."

dem ist aus meiner sicht nichts mehr hinzuzufügen.

angetane grüße,
larin

Dana
20.03.2010, 10:39
Lieber eKy,

ein nachdenkenswertes Gedicht, das tatsächlich ein "Drama" vor Augen führt, ohne dramatisch zu "palavern".
Man erspürt die Wandlung im Manne selbst. Er braucht kein Schwert, keinen Helm, muss keinen "Heldenmut" demonstrieren, um ein ganzer Mann zu sein.
Das zeichnet dein gutes und fließendes Gedicht aus.
Das Miteinander wäre leichter, schöner, menschlicher - würde man beiden Geschlechtern nicht mehr künstlich von Geburt an auferlegen, was einen ganzen Kerl und eine gute Frau ausmacht.
Denn ich beobachte, dass dieses Denken nur langsam aufbricht. (Eigentlich sehr langsam und nur in der modernen westlichen Welt.)
Es fallen immer noch Sätze: "Ein Junge weint nicht! - Du bist doch ein Mädchen, das schickt sich nicht."
Umgekehrt ist es nämlich nicht weniger schlimm.

Ein gutes Thema hast du aufgegriffen - man könnte unendlich lange darüber diskutieren und mit den absurdesten Beispielen belegen.
(z.B. ein Mädchen lacht nicht laut, das ist billig.:confused:)

Liebe Grüße
Dana

(Um nicht zu spammen, antworte ich hier auf die "Sekretärinhaut".
Nein, ich haue nicht - der Lehrer muss ja alles besser wissen, sonst hat er seinen Beruf verfehlt.:D Du hast ja recht. :))

Erich Kykal
22.03.2010, 10:38
Hi, larin!

Ja, das "wertlos"... Eigentlich dem Binnenstabreim geschuldet und dem Drang, die Gegensätze vor und nach dieser Entwicklung zu verdeutlichen, zu verstärken.

Natürlich weiß ich, dass NICHTS, was geschieht, wertlos ist - weil es uns immer etwas lehrt, auch, wenn - und manchmal gerade, weil - wir es "erleiden"!


Hi, dana!

Ja, da gibt's so einiges: Ein echter Indianer kennt keinen Schmerz usw...
Meist dienen solche Kategorisierungen dazu, den Kindern Leid zu ersparen, weil sie, wenn sie in ihrer eigenen "Gruppe" unangepasstes Verhalten zeigen, oft grausam gemobbt und/oder ausgegrenzt werden.
Z.B., wenn Jungs vor anderen Jungs Gefühle zeigen, mit denen jene nicht umgehen können und daher mit Demütigungen reagieren, um sich keine "Blöße" zu geben, oder wenn Mädchen ein anderes bekichern und mit Blicken töten, weil es zu jungenhaft oder zu wenig "barbiemäßig" rüberkommt.
Je nach Generation verschieben sich diese "No-gos", ganz abhängig davon, wie sich eine neue Gruppe eben abgrenzt und definiert. Immer ist was anderes gerade "cool" oder "angesagt". Aber du hast recht, einige besonders hartnäckige "Rolemodels" halten sich generationenübergreifend!

Wir als "bewußte Gehirnbenutzer" können über so etwas zwar traurig den Kopf schütteln - ändern können wir es nicht. Es braucht wohl noch viele, viiiele tausend Jahre, bis die Menschheit als solche auch nur einigermaßen erwachsen wird!


Euch beiden zudem vielen Dank für eure lobenden Worte! Ach, warum brauch ich das wie Brot...?

LG, eKy