Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Himmlische Debatte
Sidgrani
27.01.2012, 10:56
"Tu’s nicht, mein Gott: „Lass sie nicht gehn,
es kommt nicht auf die Menschen an,
die Erde wird auch so bestehn
und ist bestimmt viel besser dran.“
„“Doch ohne sie gibt’s keine Liebe
und nirgendwo wird Hoffnung sein,
es gäb nur animale Triebe,
sei still und füge dich darein.““
„Sie sind so eitel und korrupt,
sie morden gar für Macht und Geld,
wer weiß, was sich daraus entpuppt,
behalt sie hier, es dient der Welt.“
„“Hier oben warten soviel Seelen,
sie sind für die Geburt bereit
und wollen sich alsbald vermählen.
Sie müssen runter, höchste Zeit!““
„Du erntest dafür keinen Dank,
verhöhnen wird man dich, du Narr,
am Ende wird die Schöpfung krank,
dann wird die Erde kalt und starr.“
„“Wie soll das Ganze denn gedeihen,
wenn Gut und Böse nicht im Tritt,
du Satan, gehst jetzt mit den zweien -
und nimm die Engel auch gleich mit.““
Falderwald
02.02.2012, 00:39
Hallo Sidgrani,
so so, eine himmlische Debatte haben wir hier also.
Wenn ich das richtig interpretiere, dann diskutieren dort im Wechsel ein Satan und ein Gott.
Der Satan in dunkelgrauer Schrift und der Gott in Lila (wenn die Farben nicht stimmen, dann bitte ich, mir das nachzusehen, da ich ein farbgestörtes Sehen habe).
Auf der anderen Seite könnte man auch einen schizophrenen Gott darin erkennen, der in einem Selbstgespräch mit sich im Clinch ist.
Das begründe ich damit, weil einem Teufel eigentlich nichts an der Schönheit der Erde (1.Strophe) gelegen sein kann.
Außerdem kritisiert dieser die Menschen selbst sehr heftig (3.Strophe).
Wie auch immer, es wird eifrig debattiert, ja fast schon gestritten, ob es wirklich gut wäre, die Menschen auf den schönen Planeten Erde loszulassen. (S1)
Das Gegenargument lautet: Ohne Menschen keine Liebe und keine Hoffnung, sondern nur animale Triebe. (S2)
-An dieser Stelle muss ich aber mal nachfragen, wofür es der Liebe und der Hoffnung überhaupt bedarf, wenn es keine Menschen gibt.
Braucht so ein Gott das als Belustigung, als großes Kinospektakel sozusagen?
Nun kommen die schon erwähnten negativen Eigenschaften der Menschen ins Spiel, mit dem erneuten Appell, diese nicht loszulassen, weil sie, im Umkehrschluss, der Welt schaden würden. (S3)
Der Himmel scheint aber voller Seelen zu sein, so daß dieser Gott sie wohl unbedingt loswerden will. (S4)
-Hier fehlt mir ehrlich gesagt ein wenig die Begründung. Wo kommen diese Seelen denn alle her und warum wollen sie sich unbedingt vermählen?
Woher und warum haben sie diesen "Trieb"?
Jetzt werden die Worte deutlicher, dieser Gott wird ein Narr gescholten und es werden ihm die Konsequenzen für sein Vorhaben aufgezeigt. (S5)
Doch jener spricht ein Machtwort und begründet dies mit dem Gleichgewicht der Relationen, für die hier stellvertretend Gut und Böse angeführt werden.
Er schickt den Satan und seine Engel direkt mit den zweien (wieso jetzt nur zwei, wenn so viele Seelen auf ihre Geburt warten?) runter auf die Erde. (S6)
Das Fazit aus diesem Text wäre also, daß die Menschen nur der Relationen wegen auf die Erde geschickt werden.
Hm, so ganz eingängig wird mir das nicht, denn das System der Welt würde auch prima ohne den Menschen funktionieren.
Was will dieser Gott also wirklich?
Bei allen Glaubensrichtungen stört mich eigentlich das Dogma eines allwissenden und allmächtigen Schöpfers, der eine unvollkommene Welt mit unvollkommenen Wesen erschafft, die sich nur deshalb eine Weile halten können, weil sie die Lebensenergie anderer lebendiger Wesen zu sich nehmen müssen.
Und am Ende müssen sie selbst sterben.
Ein Wesen, das sich selbst und seines eigenen Todes bewusst ist, zu erschaffen, ist in meinen Augen ein riesengroßes Verbrechen gegen die (göttliche) Liebe selbst, aus der das menschliche Leben ja angeblich entspringen soll.
Niemand wird gefragt, sondern einfach in ein Leben geworfen, welches hauptsächlich aus Not, Leid und Qualen besteht, weil er in einer Welt leben muss, die, wäre sie nur etwas schlechter, gar keine Umwelt für ihn sein könnte.
Wenn ich ein Gott wäre und Lebewesen erschaffen wollte, die in einer solchen vorher geschaffenen Umgebung leben müssten, dann hätte ich sie mit Unsterblichkeit ausgestattet und sie würden sich ausschließlich von Energie ernähren, ohne daß andere Lebewesen dabei zu Schaden kommen würden.
Das würde ich tun, denn ich wäre ja allmächtig.
Da ich das aber leider nicht bin, müssen wir wohl oder übel mit dem vorlieb nehmen, was die weise Mutter Natur uns so zu bieten hat.
Vielleicht besser als gar nichts, obwohl es Momente und Situationen gibt, in denen man auch auf dieses jämmerliche Leben verzichten könnte.
Manchmal denke ich, das Nichtsein ist dem Sein vorzuziehen.
Nicht immer, aber manchmal eben doch.
So wird auch klar, zu wessen Aussagen ich mich hier in diesem Text wohl eher hingezogen fühle. ;)
Gerne gelesen und kommentiert...:)
Liebe Grüße
Bis bald
Falderwald
wüstenvogel
05.02.2012, 12:41
Hallo Sidgrani,
mit Vergnügen und schmunzelnd habe ich deine Debatte gelesen.
Wenn ich mich richtig erinnere, dürfte dieses Zwiegespräch im Himnmel viele tausend Jahre zurückliegen.
Es wäre doch sicher interessant, wenn man heutzutage einem Gespräch der beiden ewigen Kontrahenten lauschen könnte.
Ich stelle mir den Anfang dieser Unterhaltung folgendermaßen vor:
"Lieber Gott, schau dir bloß an
das haben die Menschen
all die Jahre getan
ich habe es dir gleich gesagt
dieses Experiment
war viel zu gewagt!"
Viele liebe Grüße
wüstenvogel
Sidgrani
14.04.2012, 13:35
Hei Wüstenvogel,
eine gute Idee, die beiden Kontrahenten nach mehr als 2000 Jahren erneut ein Zwiegespräch führen zu lassen.
Danke für deine Anmerkungen.
Liebe Grüße
Sidgrani
Hei Falderwald,
dein (sehr ausführlicher und fundierter) Beitrag ist der älteste, der auf eine Stellungnahme wartet.
Ich gebe zu, nicht alles ist vollkommen logisch in dem Gedicht (S1), aber in den Religionen kommt es darauf ja kaum an, zu glauben ist wichtiger.
Die Liebe und die Hoffnung sind in dem Gedicht etwas Fundamentales und halten das Weltengefüge im Gleichgewicht. Der Himmel ist voller Seelen, die ihrer Bestimmung nachgehen wollen und den Menschen auch erst zu dem machen, was ihn ausmacht, ein denkendes, fühlendes Wesen mit einem Gewissen und der Fähigkeit zu lieben und sich im Kleinen so zu verhalten, wie Jesus Christus im Großen (z.B. barmherzig zu sein und Nächstenliebe zu praktizieren).
Satan wird mit den Engeln und den „Zweien“ Adam und Eva auf die Erde geschickt, damit alles seinen Anfang nehmen kann, die vielen Seelen müssen natürlich noch warten.
Deine letzten Absätze vermag ich nicht zu beantworten, vielleicht hat aber alles dennoch irgendeinen Sinn.
Danke, dass du dich so intensiv mit dem Gedicht auseinander gesetzt hast. :)
Liebe Grüße
Sid
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