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Widmung an Leight Hunt (von John Keats) Nachdichtung
Die Pracht und Lieblichkeit, sie sind vergangen;
denn wenn wir in den frühen Morgen ziehen,
da sehn wir keinen Reigen aufwärts sprühen,
den Tag im Osten lachend zu empfangen.
Nicht bringen Nymphen, jung und mit Entzücken,
in frisch gewirkten Körben Ähren dar,
nicht Rosen, Nelken, Veilchen zum Altar
der Flora, um den frischen Mai zu schmücken.
Doch sind wir hoher Freuden nicht beraubt,
und immer werde ich dem Schicksal danken,
dass ich in Zeiten, wo wir unter Ranken
nicht Pan mehr suchen, dennoch glücksbelaubt
und frei genieße, dass ich einen Mann
wie dich, mit kleiner Gab‘ erfreuen kann.
John Keats
To Leight Hunt, Esq. (1815)
Glory and loveliness have pass'd away;
For if we wander out in early morn,
No wreathed incense do we see upborne
Into the East, to meet the smiling day:
No crowd of nymphs soft-voic'd and young, and gay
In woven baskets bringing ears of corn,
Roses, and pinks, and violets to adorn
The shrine of Flora in her early May.
But there are left delights as high as these,
And I shall ever bless my destiny,
That in a time, when under pleasant trees
Pan is no longer sought, I feel a free,
A leafy luxury, seeing I could please
With these poor offerings, a man like thee.
leigh hunt (ich hab ein wenig nachgelesen) war ja ein wirklicher rebellen-poet vom feinsten, lieber thomas.
dass keats ihn sehr verehrt haben muss, ist nachvollziehbar, wenn man weiß, dass leigh, der als theaterkritiker sehr gesellschaftskritische und politisch engagierte essays schrieb, für eine schmähschrift auf den damaligen prinz-regenten zwei jahre gefängnis auf sich nahm. nur, um danach mit ungebrochener leidenschaft weiterzumachen, wenn auch mehr auf der poesie-seite.
keats sonett "Written On The Day That Mr. Leigh Hunt Left Prison" zeugt davon höchst eindrucksvoll.
die bewunderung spricht auch hier wunderschön aus jeder zeile und deine nachdichtung ist sehr eindrucksvoll gelungen. besonders schön finde ich, dass zwischen den zeilen die melodie dieser verbundenheit schwingt. und die gemeinsam erlebter geschichte in bewegten zeiten.
sehr gerne gelesen!
lieber gruß,
fee
Liebe fee,
danke für die positive Meinung. Ja, die wirklich interessanten Poeten, das fällt mir immer wieder auf, waren überhaupt nicht angepasst, mussten deswegen oft Unannehmlichkeiten auf sich nehmen und sind bisweilen sogar einen Kopf kürzer gemacht worden.
Liebe Grüße
Thomas
Hallo Thomas,
ich lasse diesmal meine Bewunderung für deine Übertragungen nicht aus. Schön und toll die Texte, die du uns präsentierst - sie hinterlassen tiefste Nachdenklichkeit - nicht einzig für den, der sich damit auseinander setzt, auch für den Leser.
Ich will mal ganz unbekümmert meine Unkenntnis zugeben - nie gehört und nie gelesen.
Doch davon ab.;)
Die Pracht und Lieblichkeit, sie sind vergangen;
denn wenn wir in den frühen Morgen ziehen,
da sehn wir keinen Reigen aufwärts sprühen,
den Tag im Osten lachend zu empfangen.
Nicht bringen Nymphen, jung und mit Entzücken,
in frisch gewirkten Körben Ähren dar,
nicht Rosen, Nelken, Veilchen zum Altar
der Flora, um den frischen Mai zu schmücken.
Doch sind wir hoher Freuden nicht beraubt,
und immer werde ich dem Schicksal danken,
dass ich in Zeiten, wo wir unter Ranken
nicht Pan mehr suchen, dennoch glücksbelaubt
und frei genieße, dass ich einen Mann
wie dich, mit kleiner Gab‘ erfreuen kann.
Ich möchte hinterfragen, weil ich auch Kommentar und Antwort mit großem Interesse gelesen habe.
Welches Anliegen bewegt die Schreiber und Dichter?
Manchmal bin ich am Verzagen, wenn ich mich in Jahrunderten umschaue, weil ich in Wiederholung ein Anliegen entdecke, das eigentlich nie gelöst worden ist, weder von "Königen", "Kaisern", "Politikern" noch "Dichtern".
Unter all jenen gab es immer wieder "Ideenvorläufer", die untergegangen sind mangels Beachtung oder falscher Auslegung ihrer Ideen. Immer sind es Minderheiten, die sich auf sie berufen.
Bleibt es ein "Kampf" gegen die Windmühlen und gilt es, wenigstens daran fest zu halten?
Immer wieder finde ich Halt an Einzelnen (Dichtern, Denkern, Politikern (:confused:) - doch keiner kam je wirklich durch.
Wohlgemerkt, für mich nicht - liegt es evtl. daran?
Thomas du sagst:
das fällt mir immer wieder auf, waren überhaupt nicht angepasst, mussten deswegen oft Unannehmlichkeiten auf sich nehmen und sind bisweilen sogar einen Kopf kürzer gemacht worden.
Wer ist wer?
Ich kann vom Schreibtisch aus aus- und aufrufen, auch mit der Bereitschaft, mich dem Gesagten zu stellen. Wenn ich aber zugleich weiß, dass mein Anliegen untergeht (aus Geschichtserfahrung), dann muss ich mich fragen, ob meine "Unangepasstheit" nicht zu wenig ist? Und schon hier gebe ich zu, dass ich nichts Besseres weiß, als den Verbleib im lyrischen Wort.
Ich habe den Text sehr ernst genommen und wirklich nur hinterfragt.
Die darin enthaltene Kritik geht nur an mich persönlich - aber ich wünsche mir eine konstruktive Diskussion. :)
Liebe Grüße
Dana
Liebe Dana,
meine, vielleicht etwas zu locker hingeworfene, Bemerkung (die leider, wie ich beim nochmaligen Lesen feststelle, eine Verallgemeinerung enthält) ist überhaupt nicht als Kritik gedacht. Ich dachte dabei an Dichter wie den Dichter Seyid Nesimi, er wurde wegen seiner sufischen (d.h. religiösen) Ansichten in Aleppo Anfang des 15. Jahrhunderts auf bestialische Weis umgebracht. Oder an Pir Sultan Abdal, er wurde 1560 von dem Pascha Hizir (Hinzir), dem Stadthalter von Sivas zu Tode verurteilt. Aber auch Christian Friedrich Daniel Schubart, der im 18 Jahrhundert in Deutschland lebte und wegen seiner gesellschaftspolitischen Haltung zehn Jahre lang eingekerkert war. Er wurden dem jungen Schiller zur Abschreckung vorgeführt, was Schiller veranlasste aus seiner Heimat zu fliehen. Aber z.B. auch Heine ist nicht freiwillig aus Deutschland emigriert Sein Bild ist heute romantiziert und domestiziert, dass die schlesischen Weber, und Doctrin etc. gar nicht zu ihm zu 'passen' scheinen. Oder aus noch jüngerer Zeit Solschenizyn etc.
Heute ist das Problem etwas anders gelagert. Mir hat vor einiger Zeit ein Physiker, der 'ketzerische' Ideen vertreten hat, gesagt: 'Früher sind die Ketzer wie Giordano Bruno verbrannt worden, heute werde sie totgeschwiegen, das ist heute vielleicht humaner, aber vor allem wirkungsvoller.' Da ist etwas dran.
Dichter sind eigentlich keine Helden, sondern Menschen, die ein Gespür für tiefe gesellschaftliche Bewegungen haben. Du sagst 'Ideenvorläufer'. Deswegen geraten sie, ohne dass sie etwas dafür können, in Konflikt, und da solchen Menschen meist ihre intellektuelle Identität und Integrität sehr wichtig ist, hat das bisweilen Konsequenzen für ihre 'Karriere'. Das scheint fast zwangsläufig so zu sein, aber nicht notwendig, d.h. der Zufall spielt eine Rolle. Ob jemand ein guter oder weniger guter Dichter ist, kann man deswegen daraus nicht ableiten.
Deine Frage bezüglich der Anliegen, die durch Poesie zu lösen sind, ist schwer zu beantworten. Ich persönlich finde, dass Friedrich Schiller in den 'ästhetischen Briefen' (die vor dem Hintergrund der gescheiterten Französischen Revolution zu sehen sind) die bisher beste Antwort auf die Frage gegeben hat, was die Kunst für und in der Gesellschaft leisten kann und soll. Aber dagegen wurden schon viele Argumente vorgebracht.
Nochmals, meine Bemerkung ist keine Kritik an irgendjemandem.
Liebe Grüße
Thomas
P.S.: Das ging jetzt alles weit über das übertragene Gedicht hinaus, aber ich wollte dir so gut es geht auf deine wichtige Frage antworten.
Lieber Thomas,
nein, nein, so war es nicht. :)
Deine "locker hingeworfene Bemerkung" habe ich wirklich nicht als Kritik an Dichter und Dichtung verstanden und mein ganzer Kommentar wollte nur eine einzige Traurigkeit ausdrücken. Traurigkeit darüber, dass es gerade Dichter waren (und sind), die ich als "Ideenvorläufer" bezeichnet habe, und niemand, niemand!, hat sich ihrer "Ideen für eine bessere Welt" angenommen.
Ich bin mir bewusst, dass Dichter eher Träumer als Helden sind. Trotzdem haben jene Träumer:
Ich dachte dabei an Dichter wie den Dichter Seyid Nesimi, er wurde wegen seiner sufischen (d.h. religiösen) Ansichten in Aleppo Anfang des 15. Jahrhunderts auf bestialische Weis umgebracht. Oder an Pir Sultan Abdal, er wurde 1560 von dem Pascha Hizir (Hinzir), dem Stadthalter von Sivas zu Tode verurteilt. Aber auch Christian Friedrich Daniel Schubart, der im 18 Jahrhundert in Deutschland lebte und wegen seiner gesellschaftspolitischen Haltung zehn Jahre lang eingekerkert war. Er wurden dem jungen Schiller zur Abschreckung vorgeführt, was Schiller veranlasste aus seiner Heimat zu fliehen. Aber z.B. auch Heine ist nicht freiwillig aus Deutschland emigriert Sein Bild ist heute romantiziert und domestiziert, dass die schlesischen Weber, und Doctrin etc. gar nicht zu ihm zu 'passen' scheinen. Oder aus noch jüngerer Zeit Solschenizyn etc.
Heute ist das Problem etwas anders gelagert. Mir hat vor einiger Zeit ein Physiker, der 'ketzerische' Ideen vertreten hat, gesagt: 'Früher sind die Ketzer wie Giordano Bruno verbrannt worden, heute werde sie totgeschwiegen, das ist heute vielleicht humaner, aber vor allem wirkungsvoller.' Da ist etwas dran.
Dichter sind eigentlich keine Helden, sondern Menschen, die ein Gespür für tiefe gesellschaftliche Bewegungen haben. Du sagst 'Ideenvorläufer'. Deswegen geraten sie, ohne dass sie etwas dafür können, in Konflikt, und da solchen Menschen meist ihre intellektuelle Identität und Integrität sehr wichtig ist, hat das bisweilen Konsequenzen für ihre 'Karriere'. Das scheint fast zwangsläufig so zu sein, aber nicht notwendig, d.h. der Zufall spielt eine Rolle. Ob jemand ein guter oder weniger guter Dichter ist, kann man deswegen daraus nicht ableiten.
oft "heldenhaft" agiert. Sie hatten nur eben nie aufmerksame Leser und Umsetzer, weil sich Regenten weniger oder gar nicht von Poesie leiten lassen.
Ich vermisse das Gespür für eine tiefe gesellschaftliche Bewegung sehr.
Ich lebe in dieser Zeit und zögere zu behaupten, dass sie so ganz anders oder gar schlechter ist, als ....
Ich weiß nur, dass es nie eine Zeit gab, die sich ausschließlich auf das Wohl der Gesellschaft und schon gar nicht auf das Wohl des Volkes konzentriert hat.
Das macht mich nicht wütend - es stimmt mich traurig und nachdenklich.
Eigentlich hat nur der Traum von einer "besseren Welt" überlebt und er lebt immer noch.
Schau dir meine Signatur an. Daran will ich festhalten.:)
Ich denke, wir stimmen doch überein.;)
Liebe Grüße
Dana
Liebe Dana,
ich bin beruhigt, dass du meine Bemerkung nicht als Kritik auffasst hast. Deine Traurigkeit verstehe ich sehr gut, aber sie ist (jedenfalls kann ich das für mich sagen) vor allem Folge einer 'idealistischen Ungeduld'. Ich glaube schon, dass Dichter, und große Künstler überhaupt, viel Positives bewirkt haben. Wir finden es zum Beispiel heute nicht mehr normal, Feinde einfach zu erschlagen oder als Sklaven zu benutzen, und selbst das Schlagen von Kindern ist nicht mehr in. Wenn die Gesellschaft überhaupt positiv zu verändern ist, dann fast nur durch die Kunst. Macht, Druck und Moralpredigten helfen recht wenig. Es dauert halt sehr, sehr lange. Ich versuche mich darauf zu konzentrieren, ich welche Richtung die Chose läuft, bergab oder bergauf, hier im Lande und in der Welt. Vor allem ist es wichtig, dass Dichter (und Künstler) selbst von sich und ihrem Werk einen Anspruch haben, der schöne Kunst und Verbesserung, ermöglicht. Ich stelle im Virtuellen Schiller Salon unter 'Kunst und Staat: Rolle und notwendiger Anspruch der schönen Kunst' einige kurze Zitate ein, die mir bei dieser Frage geholfen haben.
Liebe Grüße
Thomas
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