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Erich Kykal
13.05.2012, 13:16
Da ging er hin und hatte tausend Pläne,
und wusste doch: Nicht einer würde wahr.
Er lief im Park die Runde Jahr um Jahr,
entglitt der Welt und fütterte die Schwäne.

Da ging er hin und wusste tausend Dinge,
doch niemand lauschte seiner Murmelei.
Er lief die Runde wie ein stummer Schrei
des sterbenden Gehenkten in der Schlinge.

So ging er hin und ging der Zeit verloren,
fast wie das Ticken einer alten Uhr,
sich noch verschwendend an ertaubte Ohren,

doch leiser wird, wenn die Gewichte sinken.
So gehn wir hin, gehn das Vergessen trinken,
sind wir im Sein doch Augenblicke nur.

Falderwald
23.06.2012, 19:52
Servus Erich,

das ist ein sehr schönes Sonett und liest sich richtig fluffig, so wie ich es gern mag.

Bei der Beschreibung des Protagonisten in den Quartetten und im ersten Terzett gehe ich vollkommen mit, allerdings hadere ich ein wenig mit der ausgehenden Schlussfolgerung.

sind wir im Sein doch Augenblicke nur

Sind wir das wirklich?

Die alten Philosophen wähnten den Menschen noch in der Zeit, Immanuel Kant jedoch hat in seiner Philsophie schlüssig bewiesen, daß die Zeit nur in uns existiert.

Die Zeit ist unendlich, sie besitzt keinen Anfang und kein Ende und eine sogenannte objektive Gegenwart gibt es nicht, denn kaum ist ein Moment oder Augenblick gekommen, so ist er schon wieder Vergangenheit.

Wir können die Zeit gar nicht richtig messen, sondern wir orientieren uns dabei lediglich an Bewegungen und Veränderungen.
Und genau das ist es, was wir im Gegensatz zum Tier bewusst erleben, so daß nur wir Menschen eine Vorstellung von dem Kontinuum Zeit besitzen, was wir an relativen Dingen festmachen.

Ich könnte mir vorstellen, daß ein Lebewesen, egal ob es nur Tage oder Jahrhunderte lebt, seine Lebensspanne als genau so kurz oder lang ansehen würde, wie ein Mensch, wenn es das bewusst empfinden könnte.

Es ist ein Zyklus, der sich ständig wiederholt und ich denke, daß die Amsel in meinem Garten genau dieselbe ist, die schon vor 2000 Jahren einem Römer ihr Liedchen geträllert hat.

Und da Zeit keinen Anfang und keine Ende besitzt und damit ewig währt, so muss jeder individuell bemessene Zeitraum für sich schon eine einzigartige Ewigkeit darstellen.

Wenn irgendetwas oder irgendjemand aufhört zu existieren, so hört auch die Welt, so wie sie war, auf zu existieren.

D.h., in jedem Augenblick verändert sich die Welt, weil etwas geboren wird oder seine Existenz aufgibt und sich somit die Bedingungen ändern, wenn auch meist nur unwesentlich.
Meine subjektive Gegenwart aber, die besitze nur ich und die kann mir auch niemand nehmen.

Auch 1000 Jahre nach meine Tod nicht...;)


Auf jeden Fall ist dir hier ein nachdenkliches und schönes Sonett gelungen, auch wenn es mich zu einem Einwand führte.


Gerne gelesen und kommentiert...:)

Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Erich Kykal
23.06.2012, 21:07
Hi, Faldi!

Ich schrieb: "Im Sein"! Deine Ausführungen basieren darauf, dass du dies mit "Zeit" gleichsetzt. Sind sie auch durchaus richtig, so weit es Zeit betrifft, umfasst für mich der Terminus "Sein" viel mehr als nur eine Zeitlinie. Aussagen wollte ich, dass wir in allem Existierenden so gut wie keine Rolle spielen - die Wichtigkeit, die wir uns verleihen, messen wir uns selbst bei - und irren gewaltig!
Für unseren eigenen Lebenshorizont sind wir selbst das Wichtigste (außer man heißt Mutter Theresa oder Gandhi...), indes, im Großen und Ganzen des Existenten (Universum, so weit wir es erkennen und begreifen...) sind wir eigentlich...nichts. Zeit ist da nur ein Faktor von vielen....

LG, eKy

PS: Dies ist ein ausgekoppeltes Bildersonett. Du findest es auch dort - mit einem Bilderlink, versteht sich.

Dana
25.06.2012, 23:26
Lieber eKy,

Er lief im Park die Runde Jahr um Jahr,
entglitt der Welt und fütterte die Schwäne.

hört sich lang an und ist doch nur ein Augenblick im Ganzen.

Ich neigte nach dem Lesen zur Melancholie. Nach Kommentar und Antwort fühlte ich mich "geläutert". Im Rahmen der Zeit, die es eigentlich nicht gibt, können wir nur den "eigenen Augenblick" betrachten. Jedes Mühen und Hingeben verliert sich wie ein Tropfen im Ozean. Ob der Größe des Ozeans mag er verschwinden - und doch macht jeder Tropfen den Ozean aus.

Ich erkenne diesen Tropfen im Ozean, wenn ich dein Gedicht lese.
Sicher könnte ein Ozean aus Mutter Theresa und Gandhi entstehen und bestehen. Dann wären es aber nur jene "Rinnsale", die die Welt bedeuten, denn die anderen, die Mächtigen, die Lastenden, die Schmerzvollen füllten ihn nach wie vor.
So aber bleiben Worte, Gedichte der "Vergessenen", die gelesen und verinnerlicht werden. Für mich ist dein Gedicht das "I-Tüpfelchen" im Sein.

Du siehst, ich bemühe mich im Ozean den Augenblick zu sehen. Deiner hat mir imponiert, sehr gefallen und bitte, tröpfle weiter.;) - (:rolleyes: :D)

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal
26.06.2012, 10:54
Hi, Dana!

Das hast du schön gesagt! Vielen Dank dafür!

LG, eKy