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Falderwald
20.11.2012, 22:19
Was darf die Dichtung?
Die Dichtung müsse sauber bleiben, hatte
ein Lyrikkenner irgendwann gesagt;
wem diese Meinung ebenfalls behagt,
der schlecke fortan süße Zuckerwatte.
Und wehe, wenn es je ein Dichter wagt,
den Blick aufs Dasein unter der Krawatte
zu richten, der wird wüst wie eine Ratte
quer durch den lyrischen Kanal gejagt.
Es schaute ein auf diesen Ohren tauber
Poet auf seine wohlgenährte Wampe
und dachte sich, die Welt ist gar nicht sauber.
So dichtetete er seiner Küchenschlampe
das Loch in ihrer Emotion zum Zauber
des Lichtspiels einer Energiesparlampe.
Falderwald
. .. .
Lieber Faldi,
ich denke, Dichtung darf sehr, sehr viel - und jene, die gut beobachten, tiefer schauen, keine falsche Scheu aufbringen, die dürfen noch mehr.
Das Leben ist gar nicht so, es ist ganz anders. ;)
Gerade Dichtung fordert immer wieder eine Freiheit an, die im sonstigen Alltag (Beruf, Familie, Nachbarschaft u. u. u. ) nicht immer gegeben ist.
Das meine ich nicht anprangernd, sondern im Gegenteil. Es gibt immer wieder Situationen, die uns zu einer Art "Unfreiheit" zwingen und was auch gut so ist.
Dichtung ist auch ein Ventil. Der Dichter teilt seine Gedanken mit und ist nur selten ausgerichtet, Zuckerwatte zu verteilen. Er will auch aufzeigen, was es außer Zuckerwatte gibt.;)
Geschieht das in einem guten Gedicht, oder wie hier in einem guten Sonett,
geschieht es sprachlich ausgefeilt, wortspielerisch und mit einer Prise Humor, dann darf die Dichtung erst recht. Sie trennt sich damit von oberflächlicher Schönheit, die man im Verstehen wieder als schön empfinden wird.
Genau so sehe ich dein "Was darf die Dichtung".
Fast so wie beim Betrachten von Menschen. Es gibt sehr schöne Menschen, alltägliche und total häßliche.
Trotzdem hat jeder dieser Genannten seine Anhänger und Gegner. Es wäre immer falsch, einen davon durch Kanäle zu jagen, weil er z. B. häßlich ist.
Schaut man in sein Inneres, kann er schöner und wertvoller sein als viele, viele andere.
Mir gefällt deine dichterische Freiheit hier sehr gut.
Liebe Grüße
Dana
Falderwald
29.11.2012, 22:49
Liebe Dana,
meine Frage war eigentlich rein rhetorisch, denn eine richtige Antwort darauf kann es gar nicht geben.
Ich denke, alles, was ein Mensch beobachten oder erfahren kann, kann er auch verdichten oder prosaisch aufschreiben.
Da sind ja auch die dunklen Seiten des Lebens, die primitiven, die ordinären und die hässlich bösen.
Es ist eben nicht alles Zuckerwatte und so sind eben verschiedene Perspektiven zu betrachten.
Ich denke, in diesem Sinne darf die Dichtung alles, was die menschlichen Abgründe vorzuweisen haben.
Vielmehr sollte sie das auch, denn nur so kann man den Menschen in der Lyrik vermitteln, daß sie und ihr Dasein auch wahrgenommen werden.
Es gibt so viele Schicksale, es gibt so viel Schatten, warum also sollte man immer nur das Licht bedichten.
Denn ohne die dunkle Seite, gäbe es die helle auch nicht, bzw. wir könnten sie gar nicht wahrnehmen.
Das ist das Spiel der Relationen, dem alles, insbesondere aber die menschliche Existenz unterworfen ist.
Die inneren Werte, liebe Dana, die sind es, die zählen. .. .:)
Vielen Dank für deine Rückmeldung und deine Gedanken...:)
Liebe Grüße
Bis bald
Falderwald
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