Real life
 

Real life

Artig saß der Bur zu Haus,
stille saß er da, oh Graus!
Stundenlang und ohne Murren
ließ er den Computer surren.

Artig war er nur zum Scheine,
denn er ballerte auf Schweine,
denen schoß er piff, paff, poff
in die Beine, in den Kopf.

Meistens schoß er nicht daneben;
dieses war sein ganzes Streben:
anzusehn, wie sie dann platzten,
die Säu, die wilden, die gehatzten.

Doch das ging ihm viel zu schnell,
denn das war nur virtuell.
Weshalb er ging auf Schulhof-Pirsch,
weil dort, da lockt a echter Hirsch.

Der Hirsch, der hieß Herr Lehrer Angstmann,
an den, da pirscht er sich nun ran, Mann.
Kimme, Korn, so wie im Spiel,
die Pump-Gun trifft prompt in das Ziel.

Kaum abgedruckt, schon platzt die Birn,
ganz real spritzt jetzt das Hirn.

Carlino,

schaurig! Das bezieht sich gewiß auf das jüngste Drama.
Das in lustige Verse zu kleiden - dazu gehört Mut. Verstärkt aber auch absolut die Wirkung.
Abgesehen von der Vorgeschichte (virtuelles Schweine-Abknallen):
Woher bekommen diese Täter bloß ihre Waffen?? Wir haben doch ein sehr strenges Waffengesetz. Ich rätsle immer wieder.

Starkes Stück, Dein Gedicht.

Lieben Gruß
von
cyparis

Lieber carlino :)

Eine im lustigen Grundton verpackte Tragödie, welche jedoch meinen Geschmack nicht befriedigen kann. Das liegt zum einen an der lockeren Sprache (z.B. piff paff), welche bei mir keine Symphatie wecken kann, aber das ist in der Tat subjektiv.
Andererseits finde ich den Inhalt zu oberflächlich. Hier wird das typische Medienbild der Killerspiele suggeriert, sodass man als Leser am Ende, zumindest wenn man nicht nochmal darüber nachdenkt, sofort mit dem Hammer auf den Tisch haut und sagt: "Diese scheiß Killerspiele, machen die ganze Jugend kaputt, verbieten sollte man den Mist. Sieht man ja jetzt wieder in Baden Württemberg was dabei rauskommt. Nur Psychos die sowas spielen!"
Ich denke fast nicht das dieses einseitge Bild deine Absicht war, aber leider kommt es für mich so undurchdacht rüber.

Ich würde solche Amokläufe, wenn es denn tatsächlich alles so stimmt wie und die Medien erzählt haben auf keinen Fall einzig und allein PC -Spielen in die Schuhe schieben. Man sollte sich eher Gedanken machen, weshalb ein großer Teil der Menschen jeden Tag stundenlang in der virtuellen Welt verbringt. Wir hier im Forum sind auf keinen Fall besser, heben uns nicht von den Zockern ab und ja, ich bin auch einer, aber ich schieße nicht auf Schweine, sondern auf Menschen, freue mich auch über Headshots und töte in Strategiespielen tausende von virtuellen Menschen.
Meine gewalttätigste Aktion seitdem ich solche Spiele kenne und spiele war anscheinend so unbedeutend, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann. Und so geht es sicherlich 99 % der Zocker.

Insofern wirkt dein Gedicht auf mich wie dem Medienhype geschuldet, ich lasse mich aber gern eines Besseren belehren.

Liebe Grüße
Der Kleine Prinz*

Hallo Carlino
irgendwie hast Du mit Deinem makabren und guten Gedicht die Meldung vom heutigen Tage (Winnenden) vorweggenommen oder erahnt. Nun ja- scheint mittlerweile fast zum Tagesgeschehen zu gehören. Unglaublich aber wahr.
Sollte hier nicht besser:
Deshalb er ging auf Schulhof-Pirsch, stehen?
Alles Gute
reinhard

HI Carlino,

ich denke im Gegensatz zu Reinhard nicht, dass du hier irgendetwas erahnt hast, im Gegenteil, du hattest die Meldung gehört und dir spontan
deine Gedanken von der Seele geschrieben?

So wie du die Umsetzung des tragischen Ereignisses verdichtet hast, mag ich das gar nicht.
Der Text wirkt in meinen Augen nicht ernsthaft genug; ich schließe mich da der Meinung des Prinzen an.

Sorry - mir war es ein Bedürfnis, dich das wissen zu lassen.

LG katzi

Lieber Carlino,

hättest Du das Gedicht letzte Woche eingestellt, hättest Du meinen Beifall bekommen, aber im Schatten der jüngsten tragischen Ereignisse finde ich es doch ein bisschen daneben. Zu locker bedichtet, stell Dir vor, Betroffene würde das hier lesen.

Sei nicht böse, aber ich mußte mich hier Prinz und Katzi anschließen.

Liebe Grüße,
Klatschmohn

oh, wenn das der Fall sein sollte und dies Gedicht nach diesem tragischen Geschehen gepostet wurde, dann schließe ich mich Klatschmohn und Supikatze an.
Unter diesen Eindrücken , hätte etwas anderes geschrieben werden müssen
Gruß
reinhard

Also, ihr Lieben,

dieses Machwerk ist uralt, aber offensichtlich hoch aktuell! Es entstand 1999 anläßlich des Amoklaufes in Bad Reichenhall, bei dem 5 Menschen getötet und Günter Lamprecht und seine Lebensgfährtin schwer verletzt wurden! Wie verroht und brutalisiert unsere Gesellschaft ist, zeigt sich m. E. gerade in den Reaktionen auf mein Machwerk, nicht nur hier, sondern auch und dort verstärkt auf einem Parallelplaneten! Die Angst, einzugestehen, daß unter anderem zwischen Computermißbrauch und realer Handlung ein Zusammenhang besteht, zeigt dies in besonderer Weise. Die psychische Abhängigkeit vieler Menschen von solchen Scheißspielen zeigt sich in dieser Abwehr. Natürlich sind diese Spiele nicht die Ursache, sondern Symptom und in ihrer vermeintlichen Harmlosigkeit ein übelriechender, aber umso typischer Ausfluß unserer Jeder-gegen-jeden-Gesellschaft.

Liebe Grüße
Carlino

Hallo Carlino,
Das befremdet mich etwas.
Willst du damit sagen, dass unsere Beiträge zeigen, dass auch wir mitten in der Verrohung stecken?
Das kannst du doch nicht gemeint haben.
Das mag sein.
Fakt ist aber, dass du den Text gestern nach der Tat eingestellt hast und da sind ja Parallelen nicht von der Hand zu weisen.

Zu den Ursachen, die nur ein Zusammenspiel vieler Faktoren sein können, sag ich mal nichts, denn das würde evtl. zu endlosen Diskussionen führen.
Außerdem wird das Tag für Tag in den Medien behandelt.
Irgendwo haben sie alle recht und auch wieder nicht!

LG katzi

Lieber Carlino,

nein, Carlino unser Verhalten zeigt nicht, wie Du sagst. Wie verroht und brutalisiert unsere Gesellschaft ist, zeigt sich m. E. gerade in den Reaktionen auf mein Machwerk, nicht nur hier, sondern auch und dort .
ich gebe Dir aber volkommen recht, dass vieles von den Medien beeinflußt ist, es besteht sogar der Verdacht, dass das gestrige Ereignis in direktem Zusammenhang mit dem Ammoklauf in Amerika zu tun hat, so stand es heute in unserer Tageszeitung. Die Medien berichten und irgendein Ididiot fühlt sich daraufhin animiert.
Auch die Computerspiele tun ein Übriges, und viel sogar. Das weiß jeder, bloß bei den Verantwortlichen zeigt sich eine Lähmung: Die Dinger gehören verboten, wie Bilder zum Kindesmissbrauch.
Natürlich kann man auch hier nicht alles verhindern, dank www!

Liebe Grüße,
Klatschmohn

Liebe supikatzi, liebe Klatschmohn,

nein, entschuldigt, da hatte ich nicht eure, sondern in erster Linie gewisse Reaktionen im Paralleluniversum im Sinn! Aber, auch wir, und da schließe ich mich durchaus ein, tendieren zur Verrohung, angesichts dessen, was wir so alles zulassen. Vielleicht war es allerdings falsch, der Versuchung nachzugeben, diesen Text hier zum jetzigen Zeitpunkt einzustellen, da er offensichtlich unnötige Gräben aufreißt oder jemanden verletzen könnte.

Vielen Dank für Eure Rückmeldungen
Carlino

Lieber Carlino,

meinen (lobenden) Kommentar (dem Entsetzen kann man manchmal nur durch grausigen Witz entgegenstehen) möchte ich noch eine Frage an Alle hinzufügen:

Ist es Zufall, daß es nur männliche Amokläufer gibt?
Von weiblichen wurde mir bisher keine Kunde.
Ist es eine chromosomenbedingte Entgleisung?

Und: Werden durch Gewalt-Video-Spiele in Entgleisten nicht d o c h die Hemmschwellen gesenkt?


cyparis

Es gib auch Selbstmordattentäterinnen, liebe Cypi!
Klatschmohn

Liebe cyparis,

ich glaube schon, dass es ein spezifisch männliches Problem ist. Amok bei Frauen ist bisher, und das bleibt hoffentlich so, äußerst selten. Die Hemmschwellen werden m.E. durch permanente virtuelle Gewalt durchaus gesenkt, weil sich die Grenzen von Virtualität und Realität allgemein immer mehr verwischen. Wenn dann aufgestaute reale Defizite mit Allmachtsphantasien und Ohnmachtsgefühlen zusammentreffen, ergibt das eine hoch explosive Mischung.

Carlino

Ja, lieber Carlino, so sehe ich das auch.

Liebe Klatschmohn,

da muß man aber fein unterscheiden:
Selbstmordattentäterinnen sind religiös/ vom Glauben her indoktriniert und gerade d a r u m nicht Amokläuferinnen.
Amoklauf kommt aus dem Inneren, Selbstmordattentate sind fremdbestimmt.

Aber wäre es nicht empfehlenswert, dafür (Ansichten/Meinungen) einen eigenen Faden zu eröffnen? Dann wäre es nicht nötig, sich immer wieder irgendwie auf das Gedicht zu beziehen.

Lieben Gruß
von
cyparis

Wenn ich dann nochmal darf...

Wie ich ja schon sagte habe ich wohl einige tausend virtuelle Menschen auf dem Gewissen. Ich werde auch gleich wieder mit den Preußen bei Empire: Total War in die Schlacht ziehen, habe schon eine stattliche Armee von 2000 Soldaten. Auch spieleich Call of Duty 2, da ballert man im 2. Weltkrieg die Feinde weg und überall spritzt Blut. Das machen in meiner Generation extrem viele Menschen, auch Frauen. So weit, so gut. Sind wir allepotentielle Attentäter, nur weil wir spielen? Nein sind wir nicht. Ich bin überzeugter Pazifist, äußerst friedfertig, keinesfalls gewaltbereit und bin sozial integriert. Genau wie all die anderen Spieler die ich auch kenne.

Das einzige Problem ist die Reizüberflutung, das zu schnelle Ausschütten an Endorphinen etc., aber das gibt es auch beim Fernsehergucken. Und man ist zu oft vorm PC, dass ist auch nicht gut, aber wir gehören leider zur computergestörten Gesellschaft. Ich denke man sollte es dennoch nicht übertreiben mit dem Zocken, denn irgendwann geht auch da der Reiz verloren und man macht es nurnoch weil man es immer macht, also wäre es eine Sucht.

Und wenn da einer daher kommt, und zumindest laut Medien einen Amoklauf begeht, denn was wirklich passiert weiß man nie, das ist überall so, dann kommen gleich wieder die ersten und schreien: ahhh scheiß PC Games!
Von den anderen 99,999999% die friedlich sind redet keiner. Und die Schuld den Spielen in die Schuhe zu schieben ist mir zu einfach.

Das auf der Welt jeden Tag tausende Kinder an Hunger sterben, durch Fast Food Ketten wie MC Dreck jeden Tag noch viel mehr Tiere sterben müssen und das einige meinen, sie müssten für ihre Verbrechen noch Abfindungen in Millionenhöhe bekommen, das gerät durch solche Skandale wieder in den Hintergrund. Im Übrigen finde ich die Medien pervers. Ich war gestern im Fitnesstudio. Die hatten da NtV laufen, aber ohne Sound. Die Nachrichten unten waren:
Deutschland ist geschockt, dann kam der Name (finde ich der Familie gegenüber pervers den Nachnamen zu nennen) wollte wahrscheinlich noch viel mehr Menschen töten!
Und ich kann mir schon vorstellen wie die Fernsehkranken das gesehen haben: Ahhh, Ohhhh, Skandal, Hilfe, jetzt hab ich auch Angst....:eek:

Ich kann mit bei einem solchen Medienhype nur an den Kopf greifen.

So long
Der Kleine Prinz*

Lieber kleiner Prinz,

ich kann, obgleich ich wohl einer ganz anderen, eher fernsehgeschädigten Generation angehöre, dich voll und ganz verstehen und deiner Argumentation folgen. Doch bleibt die Frage, warum diese Spiele so kriegerisch und blutrünstig sein müssen und welche Auswirkungen ihre offensichtlich so weite Verbreitung und Beliebtheit für unsere Geselllschaft insgesamt hat. Warum muss oder will sich sogar ein eher pazifistisch eingestellter Mensch damit beschäftigen?
Es gibt doch auch andere, weniger aggressive, interessantere und wichtigere Inhalte!

Liebe Grüße
Carlino

Liebe Cypi,
ich glaube, die Antwort ist zu einfach:

da muß man aber fein unterscheiden:
Selbstmordattentäterinnen sind religiös/ vom Glauben her indoktriniert und gerade d a r u m nicht Amokläuferinnen.
Amoklauf kommt aus dem Inneren, Selbstmordattentate sind fremdbestimmt.

Da muß man erst einmal hinkommen, Leute zu töten, da sind aus gleich welchem Grunde die Wahrnehmungskanäle verengt.

Liebe Grüße,
Klatschmohn

Es ist ein Phänomen, dass diese Ballerspiele so eine ungeheure Anziehungskraft auf Kinder
und Heranwachsende und - ja, auch auf Erwachsene ausübt.
Schaut doch nur mal ins Netz: Es gibt Tausende, die man kostenlos herunterladen kann.
Und warum gibt es die: Weil damit Geld verdient werden kann.

Killerspiele simulieren Macht. Macht über die Mitspieler, Macht über die Monster und Soldaten,
über 'Horden' und 'Alliierte', über Zauberer, Magier, Zwerge und Orks.

Es ist eine Entwicklung, die sich nicht wieder rückgängig machen lassen kann.


LG katzi

Richtig supikatzi!

Die tendenzielle Ohnmacht im realen Leben wird durch scheinbare Macht im virtuellen Raum kompensiert, trägt aber insgesamt zu einemm Abstumpfungs- und Gewöhnungeffekt hinsichtlich Gewalt bei. Da gleichzeitig die Grenzen zwischen Virtuellem und Realem immer undeutlicher werden, häufen sich die in die Realität umgesetzten Gewaltphantasien!

Liebe Grüße
Carlino