Gedichte-Eiland

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Chavali 07.08.2009 05:32

In Häuserschluchten
 


Dunkel die Straße, schmutzig das Licht,
ein Schrei, der in den Gassen sich bricht,
dort rennt ein Mensch und zwei hinterher,
sonst niemand zu sehen, alles ist leer.

Schritte verklingen, ein Fetzen Musik
aus der offnen Türe ein furchtsamer Blick.
Kann sein, dass wir uns zu lange suchten
in den gespenstischen Häuserschluchten.

Sie brachten dich irgendwann nach Haus.
Ein hilfloser Aufschrei: Wie siehst du denn aus!
Zerschossenes Bein und klaffende Wunden -
so haben sie dich im Park gefunden.

Es verging kein Tag, an dem wir nicht fluchten
über die verdammten Häuserschluchten,
die alles verschlucken, Freund oder Feind,
die keiner der Menschen ehrlich beweint.



Louis Lazar 09.08.2009 22:25

Guten Abend Chavali (gefällt mir, dein neuer Name),

Was du beschreibst, kann ich mir gut vorstellen. Solche Szenen habe ich schon in diversen Filmen gesehen und deine Wortmalerei zeichnet sie wirklich treffend. Schön, wie du in der ersten Strophe den Leser (zumindest mich) vorantreibst - man kann die Hatz nachempfinden. An welchen rhythmisch Eigenschaften das jetzt genau liegt, vermag ich nicht zu sagen, aber die Zäsuren tragen sicher einiges dazu bei (korrigiert mich, wenn ich falsch liege). Doch ich werde das Gefühl nicht los, dass folgende Zeile da nicht ganz reinpasst:

"ein Ruf, der sich in den Gassen bricht,"

So empfinde ich zumindest, wenn ich das Ganze laut vorlese.

Ansonsten ein lesenswertes Werk, auch wenn es sicherlich nicht zu deinen Besten zählt.

Hattest du eine bestimmte Stadt vor Augen? Einen bestimmten Vorfall?


Liebe Grüsse,
Louis Lazar

Chavali 10.08.2009 14:42

Lieber Louis,
Zitat:

Hattest du eine bestimmte Stadt vor Augen? Einen bestimmten Vorfall?
Nein, alles ist ganz und gar reine Phantasie, wenn ich auch dabei an diverse amerikanische Spielfilme dachte,
bei denen es in dunklen Straßen raucht und brennt und ein ähnliches Szenario wie das von mir beschriebene vorkommt.
Zitat:

Doch ich werde das Gefühl nicht los, dass folgende Zeile da nicht ganz reinpasst:
"ein Ruf, der sich in den Gassen bricht,"
Ich habe mir die Zeile zurechtgelesen, ist nicht ganz korrekt, ich weiß.
Nun habe ich sie nach deinem Hinweis doch geändert - wobei jetzt der Satz ein wenig verdreht wirkt - aber die Metrik stimmt.
Eine andere Variante haben ich wegen der nicht stimmenden Silbenanzahl verworfen.
Zitat:

Ansonsten ein lesenswertes Werk, auch wenn es sicherlich nicht zu deinen Besten zählt.
Dein Urteil freut mich dennoch sehr.


Lieben Gruß,
Chavali


a.c.larin 11.08.2009 07:38

liebe chavali,

das atemlose, kalte, unpersönliche dieser häuserschluchten kann auch ich nachvollziehen!
ich frage mich nur: bricht sich da wirklich ein "ruf" in den gassen?
meine meinung nach regiert hier blankes entsetzen, und dann wäre es doch eher ein "schrei" (markerschütternd, aufrüttelnd, panikerfüllt), der da zwischen den mauern widerhallt.
ich weiß schon, warum du hier "ruf" gesetzt hast: damit sich das wort nicht wiederholt, weiter unten.
aber vielleicht kann man ja strophe 3 insoweit abändern :

ohnmächtige not : wie siehst du den aus...
oder hilfloser aufschrei: wie siehst du denn aus einfügt?
(würde die dramatik noch verschärfen)

probiers mal aus, ob dich davon was anspricht!

mit herzklopfen gelesen,
larin

Chavali 21.08.2009 08:55

Liebe larin,

du hast ganz recht: weil ich 2x Schrei vermeiden wollte, hab ich 1x Ruf gewählt.
Deine beiden Ideen sind überdenkenswert, ich meine, eine davon würde passen.
Ich probiere es gleich mal.
Zitat:

das atemlose, kalte, unpersönliche dieser häuserschluchten kann auch ich nachvollziehen!
Das freut mich und zeigt mir, dass ich das rübergebracht habe, was ich wollte.

Hab herzlichen Dank!
Liebe Grüße,
Chavali

Leier 21.08.2009 09:26

Liebe Chavali,

ich schließe mich larin voll und ganz an!
Man bekommt wirklich eine Gänsehaut, wenn man an diese Häuserschluchten denkt und daran, was an Schrecklichem passiert.
Vor allem die Hilflosigkeit des Einzelnen quält, das Ausgesetztsein, die Wehrlosigkeit.
Brutalität ist in diesen Häuserschluchten vorhersschendes Gesetz und Angst regiert.

Das alles hast Du ausgezeichnet verpackt!

Lieben Gruß
von
cyparis

Galapapa 21.08.2009 09:39

Hallo Chavali,
...und ob! Da ist bei mir eine ganze Geschichte rübergekommen.
Ich bin auf dem Land aufgewachsen und habe über 30 Jahre in der Großstadt gearbeitet, so richtig im Gewühle. Ich war sofort mitten drin in der spannenden Handlung.
Als Erzähler stelle ich mir eine Person vor, die sich verzweifelt sorgt (Mutter, Vater, Geliebte...) und hinterher noch Vorwürfe macht, nicht genug getan zu haben...
Kriminalität, Drogenmilieu, ausgelebter Rassismus....da leben all meine Ängste vor dieser Großstadtszenerie in mir auf.
Dein Text hat alles, was ein Gedicht ausmacht. Es ist sehr bildhaft geschreiben und deshalb berührend.
Ich hab die ursprüngliche Fassund leider nicht gesehen; so wie es jetzt ist, hat es metrisch vielleicht ein, zwei Stellen, an denen man herumbasteln könnte. für mich ist aber genau da die Grenze erreicht, wo mich die Metrik nicht mehr interessiert: das Gedicht hat eine passende "Melodie" und einen einwadfreien Lesefluß! Für mich zählt nur das.
Mit einem herzlichen Gruß!
Galapapa

Chavali 21.08.2009 09:39

Liebe cypi,

freut mich ja, dass dir der Inhalt Gänsehaut beschert.
Das war auch meine Absicht :)
Zitat:

Brutalität ist in diesen Häuserschluchten vorhersschendes Gesetz und Angst regiert.
Stimmt, das scheint in allen Großstädten, die solche Häuserschluchten besitzen, der Fall zu sein.
Am meisten deprimiert mich immer diese Vorschau auf die (nicht allzu?)ferne Zukunft,
wie es in US-amerikanischen Filmen gezeigt wird.
Diese Visionen, fürchte ich, werden irgendwann mal Realität.

Danke dir und lieben Gruß,
Chavali
EDIT:

Oh, hallo lieber Galapapa,

unsere Beiträge haben sich überschnitten.
Zitat:

Ich hab die ursprüngliche Fassund leider nicht gesehen
Ich habe nur in S1 + S3 unwesentliches geändert, es ging da um Ruf oder Schrei.
Zitat:

so wie es jetzt ist, hat es metrisch vielleicht ein, zwei Stellen, an denen man herumbasteln könnte. für mich ist aber genau da die Grenze erreicht, wo mich die Metrik nicht mehr interessiert: das Gedicht hat eine passende "Melodie" und einen einwadfreien Lesefluß! Für mich zählt nur das.
Genau, da liegen wir auf einer Wellenlänge. Das sag ich auch immer.
Was nützt eine ausgefeilte Metrik, wenn der Text danach steril und gezwungen daherkommt.

Deiner Interpretation konnte ich folgen und danke dir herzlich für deinen Beitrag.

Liebe Grüße,
Chavali

Alma Marie Schneider 22.08.2009 10:06

Hallo Chavali,

Der erste Vers ist super. Er verstömt eine fast gruselige Atmosphäre. Im zweiten Vers, die ersten beiden Zeilen setzen das fort. Die beiden letzten Zeilen des zweiten Verses empfinde ich wie einen Bruch.

"Kann sein, dass wir uns zu lange suchten
in den gespenstischen Häuserschluchten."

Der dritte und vierte Vers knüpft wieder gut an, doch da der erste Vers für mich so toll gelungen ist, wird hier ein leichter Qualitätsverlust spürbar.

Insgesamt aber ein tolles Gedicht.

Liebe Grüße
Alma Marie

Chavali 25.08.2009 18:36

Liebe Alma-Marie,

stimmt, die Zeile 3+4 in Strophe könnten gefälliger klingen.
Vielleicht kann ich noch ein wenig umstellen, mal überlegen.
Zitat:

Insgesamt aber ein tolles Gedicht.
Danke, das freut mich sehr!

Lieben Gruß,
Chavali



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