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Thomas 14.11.2017 20:54

Torso
 
Torso

Ein Rätsel bist du, das mich bannt;
ich kann den Blick nicht von dir wenden.
Was einst des Künstlers sichre Hand
erschuf, ward von Barbarenhänden
zerstört, und die zerstreuten Trümmer scheinen
des Kunstwerks ganze Schönheit zu verneinen.

Und doch entsteht in meinem Geist,
wenn ich, was scheinbar Rest ist, sehe;
ein Bild, um das der Kosmos kreist,
das ich betrachtend nicht verstehe.
Wie kann Vollkommenheit in Teilen liegen
und selbst zerstört Zerstörungswut besiegen?

Erich Kykal 15.11.2017 13:09

Hi Thomas!

Wunderbar beschrieben, durchdrungen und vermittelt! :)

Rilke's Torso- und Statuengedichten ebenbürtig!

Ineressant der Heberwechsel in den beiden letzten Zeilen. Der geänderte Duktus beruhigt zum Strophenende hin, setzt ein Statement.

Die Conclusio der beiden letzten Zeilen subsummiert in ihrer Frage alle Zeilen zuvor auf wundervolle Weise.

Eins deiner besonders Gelungenen, wie ich finde! :Blume:

S2Z3 - Komma nach "Bild"?

Allergernst gelesen! :)

LG, eKy

Thomas 16.11.2017 06:47

Lieber Erich,

herzlichen Dank für das Lob, der Vergleich mit Rilke lässt mich fast erröten. Es freut mich auch, dass du die metrischen Feinheiten, um die ich mich bemühe, heraushörst - es ist also doch nicht nur mein persönlicher Spleen. ;)

Liebe Grüße
Thomas

fee_reloaded 16.11.2017 09:15

Einfach großartig, lieber Thomas!

Da sitzt jedes Wort und Melodie und Rhythmus bilden mit dem schönen Thema ein beeindruckendes, rundes Ganzes.:Blume:

Auch ich finde den Hebungswechsel gekonnt eingesetzt!
Hach, wär nur mir sowas Schönes eingefallen! :D;)


Sehr, sehr gerne gelesen!
Da ist dir wirklich etwas Besonderes gelungen. Das seh ich auch so.

Lieber Gruß,
fee

Ophelia 16.11.2017 14:28

Lieber Thomas,

dem Lob meiner Vorredner schließe ich mich an. Sehr gut gedichtet. :Blume:
Es kann einem wirklich die Tränen in die Augen treiben, wie durch sinnlose Gewalt
immer wieder großartige Kunst zerstört wird. Als wäre der der "normale Zerfall" nicht schon schlimm genug. Du hast diesen Schrecken durch deine Verse in etwas positives umgewandelt. Das gefällt mir.

Liebe Grüße

Ophelia

Kokochanel 16.11.2017 19:39

Ja, ich schließe mich ebenfalls an, lieber Thomas. Des Menschen Fantasie schafft es, den Torso anders zu sehen, so, wie er möglicherweise mal war. So würde ich die Schlußfrage beantworten.
LG von Koko

Thomas 17.11.2017 09:15

Liebe Fee, Ophelia und Koko,

herzlichen Dank für eure Kommentare und das Lob. Das freut mich sehr.

Vielleicht noch eine Bemerkung, das "sehen können, wie es möglicherweise mal war" ist wahrscheinlich nur möglich, wenn es ursprünglich ein geschlossenes (oder anders ausgedrückt, ein vollkommenes) Kunstwerk war, denn unsere Phantasie ist ja ein sehr freier und flüchtiger Vogel. ;)

Liebe Grüße
Thomas


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