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Bodo Neumann 26.01.2015 17:18

Zeitenwende
 
Zeitenwende

Hab zum Reimen etwas Zeit,
schreib im Präsens „Bin bereit!“,
und notier nach erstem Lesen:
besser „…bin bereit gewesen“,
denn der Zustand scheint vorbei.
Irgendwie fehlt noch Vers zwei.

„War bereit!“, Präteritum
schleicht sich immer mehr herum
um die Schlüsselzeile eins –
Resultat des roten Weins?
Nein! „Ich war bereit gewesen“,
bis die Jutta hinterm Tresen

mich nach meinen Wünschen frug.
In den Händen Glas und Krug,
hab ich dann die Zeit begossen
(Plusquamperfekt eingeschlossen),
„Scheiß auf die Vergangenheit!“ -
wie ein simpler Satz befreit...!

Nun der Zukunft zugewandt:
„Werd bereit sein“, klingt brillant.
Strahlen wird das Werk im Ganzen,
herrlich werden Lettern tanzen.
Wenn ich erst im Schreibrausch treibe,
rück ich auch Vers zwei zu Leibe!

Doch zunächst, wer würd's verwehren,
will ich noch dies Gläschen leeren
auf das gegenwärt'ge Leben.
Jutta rülpst und weist noch eben
auf die gegenwärt'ge Stunde:
„Das war grad die letzte Runde“

„So hat alles seine Zeit“,
lall ich irgendwie gescheit,
„…nur die Zukunft kennt man nicht!“
als sie aus der Jutta spricht:
„Triffst du morgen wieder ein,
wirst du b‘reit gewesen sein.“

_____________________________

Zeitenwende
- director's cut -


Hab zum Reimen etwas Zeit,
schreib im Präsens „Bin bereit!“,
und notier nach erstem Lesen:
besser „…bin bereit gewesen“,
denn der Zustand scheint vorbei.
Irgendwie fehlt noch Vers zwei.

„War bereit!“, Präteritum
schleicht sich immer mehr herum
um die Schlüsselzeile eins –
Resultat des roten Weins?
Nein! „Ich war bereit gewesen“,
bis die Jutta hinterm Tresen

mich nach meinen Wünschen frug.
Habe dann in einem Zug
die Vergangenheit begossen
(Plusquamperfekt eingeschlossen).
Nun der Zukunft zugewandt:
„Werd bereit sein“, klingt brillant.

Doch zunächst, wer würd’s verwehren,
will ich noch dies Gläschen leeren
auf das gegenwärt’ge Leben.
Jutta rülpst und weist noch eben
auf die gegenwärt’ge Stunde:
„Das war grad die letzte Runde“

„So hat alles seine Zeit…“,
lall ich irgendwie gescheit,
„…nur die Zukunft kennt man nicht!“,
als sie aus der Jutta spricht:
„Triffst du morgen wieder ein,
wirst du b‘reit gewesen sein.“

Dana 26.01.2015 18:19

Oh, Bodo :D,

und manche behaupten, Alkohol wäre schädlich.
Du hast gänzlich und perfekt das Gegenteil bewiesen. :Blume:

Hab mich köstlich amüsiert und bin jetzt richtig auf Vers zwei gespannt.:D

Liebe Grüße
Dana

wolo von thurland 26.01.2015 22:21

hallo bodo neumann

sogar die letzte strophe gibt noch ein bisschen was her und könnte beinah für sich reklamieren, dass auch sie perfekt einem plan des dichters folgt. nur lass ich mich nicht täuschen und behaupte: das gedicht ist schon nach "letzte runde" zu ende.

aber bis dahin: echt imponierend, wie du eine konstruktion durchziehst. wäre ich noch an der schule, wollte ich deine strophen (nicht unbedingt die letzte) für den grammatikunterricht haben!

gestaunt und spass gehabt
wolo

plotzn 28.01.2015 13:52

Hallo Bodo,
oft werden ja Zeitwechsel in Gedichten moniert. Du schaffst es spielend, alle Zeitformen in einem Gedicht unterzubringen. Wo steht Deine Zeitmaschine - im Keller? ;)

Liebe Grüße, Stefan

Claudi 29.01.2015 23:02

Hallo Bodo,

schöne Idee! So gut, wie Du die Pointe hier vorbereitet hast, darf die letzte Strophe natürlich auf keinen Fall fehlen. Allerdings denke ich auch, dass Du zum Ende hin zu viel Raum benötigst. Die Schlüsselsätze zu allen Zeitformen sind bis auf den Knüller im Futur II hier bereits fertig installiert:

Nun der Zukunft zugewandt:
„Werd bereit sein“, klingt brillant.


Vielleicht könntest Du das ungewöhnlich apostrophierte Wort, das den Leser schon mal auf den Geschmack bringen soll, von hier ab innerhalb zweier Strophen einarbeiten. Dann hättest Du insgesamt eine Strophe weniger und der Bogen vom Schlüsselsatz zur Pointe wäre nicht ganz so lang. Die apostrophierte Version von "breit" ist der Hammer! Chapeau!

Ich hatte viel Spaß mit Deinem ausgebufften Arrangement! :D

Liebe Grüße
Claudi

Bodo Neumann 30.01.2015 17:19

Guten Tag miteinander,

@Dana:
Zitat:

...und bin jetzt richtig auf Vers zwei gespannt.
Der Erwartungsdruck in diesem Forum macht mich noch fix und fertig!


@wolo: Ich weiß, was du meinst. Ich selbst fand die letzte Strophe auch etwas bemüht. Aber ohne Futur II wollte ich den Leser auch nicht sterben lassen. Vielleicht fällt mir ja noch was ein - siehe Claudi.


@plotzn:
Zitat:

Wo steht Deine Zeitmaschine - im Keller?
Nein, in den Keller gehe ich nur zum Lachen.


@Claudi: Auch deine kritische Anmerkung verstehe ich. Das Dings ist in den ersten Strophen tatsächlich schneller unterwegs als gegen Ende. Nur verstehe ich (sorry!) deine Lösungsvorschläge nicht. Ich lese und lese und weiß nicht, was du sagen willst.

Eine Kürzung könnte ich mir am ehesten in S4 vorstellen (V3-6). Sollte ich es wagen, in S4 so zu ändern:

statt „Werd bereit sein“, klingt brillant. nun „Werde b'reit sein“, klingt brillant.

um dann in der letzten Strophe ganz ohne Apostroph auszukommen? (wirst du breit gewesen sein.)

Vielleicht kannst du für einen etwas begriffsstutzigen Alten deutlicher werden.:)

Danke für die positiven Rückmeldungen und die konstruktiven Anmerkungen

Gruß Bodo

Claudi 30.01.2015 17:48

Hi Bodo,

was ich meine, ist folgendes:


Nun der Zukunft zugewandt:
„Werd bereit sein“, klingt brillant.

Strahlen wird das Werk im Ganzen,
herrlich werden Lettern tanzen.
Wenn ich erst im Schreibrausch treibe,
rück ich auch Vers zwei zu Leibe!

Doch zunächst, wer würd's verwehren,
will ich noch dies Gläschen leeren
auf das gegenwärt'ge Leben.
Jutta rülpst und weist noch eben
auf die gegenwärt'ge Stunde:
„Das war grad die letzte Runde“

„So hat alles seine Zeit“,
lall ich irgendwie gescheit,
„…nur die Zukunft kennt man nicht!“
als sie aus der Jutta spricht:
„Triffst du morgen wieder ein,
wirst du b‘reit gewesen sein.“



Die Schlüsselsätze, auf die es ankommt, habe ich fett gemacht. Sie bilden Anfang und Ende für insgesamt drei Strophen. Mein Vorschlag wäre, den Text zwischen diesen beiden Kernsätzen so zu straffen, dass er in zwei Strophen passt. Also: aus drei mach zwei.

LG Claudi

Bodo Neumann 30.01.2015 18:02

Ja danke, in diese Richtung hatte ich auch gedacht - vermutete aber hinter deinen Anmerkungen noch andere Ansätze. Ich denke, das könnte gelingen. Ich schau's mir übers WE mal an.

Gruß Bodo

Claudi 30.01.2015 20:14

Das Unverständliche in meinem Vorschlag bezog sich auf "gegenwärt'ge". Ich war davon ausgegangen, dass Du die ungewöhnliche Apostrophierung vor der Pointe schon mal etablieren wolltest, sozusagen den Boden für "b'reit" bereiten. ;) Und ich wollte sagen, dass dafür auch innerhalb zweier Strophen m.E. noch genügend Raum bliebe, falls es denn Deine Absicht gewesen wäre.

LG Claudi :)

Bodo Neumann 31.01.2015 11:17

Hallo Claudi,

ja, genau diese Passage hatte ich nicht durchdrungen.
Zitat:

ich war davon ausgegangen, dass Du die ungewöhnliche Apostrophierung vor der Pointe schon mal etablieren wolltest, sozusagen den Boden für "b'reit" bereiten.
Du traust mir ja eine Menge zu... dabei musste ich das sperrige Wort doch ins Metrum pressen (s. Hebungstoni)!;)

Okay, ich habe ergänzend mal eine editierte Version daruntergesetzt, die mMn zielstrebiger die Zeiten durchläuft und auf die Pointe zusteuert. Zum Opfer gefallen ist dabei der Nebengag mit dem fehlenden zweiten Vers, aber der war vielleicht auch zuviel. Eigentlich mag ich es ja auch lieber knackig.

Gruß Bodo


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