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Friedhelm Götz 15.11.2011 09:37

Lyrische Glücksphilosophie
 
Wer möchte nicht vom großen Glück
am liebsten ein recht großes Stück?
Doch leider ist das Glück abstrakt,
weshalb man es so leicht nicht packt.

Man kann das Glück nicht programmieren.
Wie wär es wohl zu definieren?
Manch einer denkt, es ist das Geld,
womit man Glück in Händen hält.

Ein andrer meint, dass doch im Grund
ein Glück es sei, ist man gesund.
Nun, beides tut zwar ziemlich gut,
doch keines gilt ganz absolut!

Denn Glück tritt nicht bloß in Erscheinung,
Fortuna kennt auch die Verneinung!
Nicht immer lacht die Dame hold.
Doch reißt du dich um ihren Sold,

gibst du am Ende gar, wer weiß,
die besten eignen Werte preis.
Die Konsequenz aus diesem Wahn?
Zum Glück führt keine Autobahn.

Doch wird der Weg zum Glück fast eben,
normst du den Standard nach dem Leben:
An kleinen Freuden, die dich streifen,
sollst du im Leben Glück begreifen.

Ein Lächeln nur, ein Winke-Winke,
bringt oft mehr Glück als Pinke-Pinke.
Der Luxus ist der Überfluss,
den man zum Glück nicht haben muss.

Stimme der Zeit 25.12.2011 10:03

Guten Morgen, Fridolin,

es soll ja Aristoteles, als er über den Wochenmarkt in Athen ging, bereits gesagt haben: "Was es alles gibt, was ich nicht brauche!" Das, was er suchte, fand er "zwischen all dem vielen Überflüssigen" nicht ... ;)

Es gibt auch eine gute Aussage von Seneca: "Wer die Einsicht besitzt, ist auch maßvoll; wer maßvoll ist, auch gleichmütig; wer gleichmütig ist, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen; wer sich nicht aus der Ruhe bringen lässt, ist ohne Kummer; wer ohne Kummer ist, ist glücklich: also ist der Einsichtige glücklich, und die Einsicht reicht aus für ein glückliches Leben."

Was ist Glück denn? Ich habe mir darüber Gedanken gemacht, und es - wohlgemerkt: für mich selbst! - definiert: Glück ist ein kurzer "Gefühlsrausch". Es gibt dafür den passenden Ausdruck des "Glücksmoments". Flüchtig und von kurzer Dauer. Was ist "danach"? Das Glück geht vorüber - und wird folglich vermisst. Also wird etwas "Neues" gesucht, nach dem gestrebt wird, denn man möchte das Gefühl ja "wieder haben". Für mich persönlich ist das "Streben nach Glück(smomenten)" eine ziemlich sichere Methode, sich unzufrieden, ja sogar unglücklich zu machen. Man "trauert" dem Vergangenen nach und sehnt sich nach etwas, das man (noch) nicht hat. Ich gebe mich gerne mit Zufriedenheit - zufrieden. Das hält viel, viel länger an - ich kann, wenn ich die "Suche nach Glück" beende, zufrieden sein mit dem, was ich habe.

Glück hat für mich immer etwas Sonderbares, denn paradoxerweise führt es dazu, dass man die meiste Zeit über unter seinem "Nicht-vorhanden-sein" leidet. Suche ich es dagegen nicht, vermisse ich es nicht, weil ich es nicht unbedingt "brauche und haben muss" - dann leide ich nicht und bin nicht unzufrieden und/oder unglücklich. Und wenn ich nicht unglücklich bin, habe ich ein "kleines dauerhaftes Glück": Zufriedenheit. (Meine eigene, kleine "Glücksphilosophie".)

Manchmal denke ich, es wäre viel friedlicher auf unserer Welt, wenn dieses beständige "Streben nach Glück" nicht wäre. Die Menschen wären zufriedener, und ein zufriedener Mensch ist "friedlich" - "zufriedener" besteht aus: "zu", "Frieden" und "er" ... :)

Vieles ist recht einfach, wenn man es einmal wirklich "durchdenkt". Daher finde ich den Paarreim und den vierhebigen Jambus hier auch passend, ebenso auch das "Muster" der Kadenzen, das gut dem Inhalt folgt:

mmmm
wwmm
mmmm
wwmm
mmmm
wwww
wwmm

Die "Wiederholung" von Glück in jeder Strophe finde ich gut gemacht - denn darum "dreht" sich ja "alles".

Die letzten beiden Strophen gefallen mir (durch deren Aussage) am besten:

Zitat:

Doch wird der Weg zum Glück fast eben,
normst du den Standard nach dem Leben:
An kleinen Freuden, die dich streifen,
sollst du im Leben Glück begreifen.

Ein Lächeln nur, ein Winke-Winke,
bringt oft mehr Glück als Pinke-Pinke.
Der Luxus ist der Überfluss,
den man zum Glück nicht haben muss.
Sehr gerne gelesen und kommentiert. :)

Liebe Grüße

Stimme http://www.smilies.4-user.de/include...smilies-12.gif

Friedhelm Götz 26.12.2011 14:51

Liebe Stimme,

vielen Dank fürs Lesen und deinen wie immer ausführlichen Kommentar. Dafür gebührt dir mal ein besonderes Dankeschön.

Zum Thema Glück von Arthur Schopenhauer:

Das Glück gehört denen, die sich selbst genügen. Denn alle äußeren Quellen des Glückes und Genusses sind, ihrer Natur nach, höchst unsicher, misslich, vergänglich und dem Zufall unterworfen.

LG Fridolin

Timo 26.12.2011 17:48

Hallo Fridolin,
das Glück ist ein flüchtiger Gesell, das sich nur dem erschließt der auch gewillt ist, es nicht krampfhaft an sich zu binden.
Zitat:

gibst du am Ende gar, wer weiß,die besten eignen Werte preis.
die eignen Werte sollte man nicht preisgeben, das wäre ein zu hoher Preis, der sich im Negativen auszahlt.
Zitat:

An kleinen Freuden, die dich streifen, sollst du im Leben Glück begreifen.
Die kleinen Freuden bringen mehr an Segen, als manch andere.
Ich freue mich auch auf kleine Dinge die mir sehr wichtig sind.
Herzlichst
Timo

Friedhelm Götz 28.12.2011 14:58

Hallo Fred,

auch dir herzlichen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

LG Fridolin

charis 20.02.2016 09:55

Lieber Fridolin,

Du verpackst hier weise Lebensphilosophie in ein Art Kinderreimgedicht für Erwachsene. Das gefällt mir außerordentlich gut! Alles einfach und klar, kein Herumgeschnörkel, um der Aussage Bedeutung zu geben. Weniger ist mehr! Ja, genau, wissen täten wir es ja tun! :D Die letzten beiden Strophen finde ich besonders gelungen.

Lieben Gruß
charis

Friedhelm Götz 03.03.2016 14:33

Hallo charis,

hab deinen lobenden Kommi leider übersehen, deshalb mit etwas Verspätung herzlichen Dank dafür. Dass man das Glücklichsein lernen kann, das wird seit einigen Jahren mit dem Schulfach Glück an einer Schule gelehrt, an der ich 1958 Abitur gemacht habe, nämlich an der Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg.

LG Fridolin

Agneta 03.03.2016 18:37

Ich denke, lieber Frido, dass das Glück auf der Strecke liegt, wo man frei bestimmt leben kann. Leben darf, so wie man möchte. Politisch in einer Demokratie.
Gesellschaftlich:
Viel zu of wird Druck ausgeübt, schon im Kindesalter scheint es den Eltern Glück zu sein, wenn die Kleinen Klavier spielen, Tennis, Englisch lernen und immer an der Spitze stehn. Sie engen das Leben des Kindes ein und prägen es auf Konformismus. Sich nicht frei zu entscheiden, sondern das als Glück zu empfinden, was die anderen loben.

Zum "freien Glück" gehört zweifelsohne ein bisschen Geld, Zeit...um auch die kleinen Dinge im Leben bemerken zu können- da muss man sich dann eine Brücke bauen... GGG

Schmunzeln von Agneta

Dana 03.03.2016 18:45

Lieber Fridolin,

ich sehe es ähnlich wie charis. Eine sehr weise Lebensphilosophie und mit einer guten und verständlichen "Leichtigkeit" verdichtet. :Blume::Blume::Blume:
Manchmal sieht man den Wald (hier Glück) vor lauter Bäumen nicht.
Darum bin ich froh, dass ich gesund, glücklich und reich bin. Nicht im wahrsten Sinne des Wortes, sondern gerade so, wie es Deine Verse vermitteln.

Zitat:

Zitat von Fridolin
Doch wird der Weg zum Glück fast eben,
normst du den Standard nach dem Leben:
An kleinen Freuden, die dich streifen,
sollst du im Leben Glück begreifen.

Ein Lächeln nur, ein Winke-Winke,
bringt oft mehr Glück als Pinke-Pinke.
Der Luxus ist der Überfluss,
den man zum Glück nicht haben muss.

Sehr gern gelesen und kommentiert. Ein Gedicht aus 2011 und in der Aktualität beständig.

Liebe Grüße
Dana


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