Gedichte-Eiland

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a.c.larin 05.03.2010 11:31

Wie ein Fremder im eigenen Land
 
Ich bin doch hier gebor’n wie ihr
und spreche beide Sprachen -
zerrissen zwischen dort und hier
fühl Argwohn ich erwachen

in eurem Herzen, eurem Sinn.
Darf ich in eure Mitte?
Weil ich ein wenig anders bin,
versagt ihr mir die Bitte.

Trotz Lehre steh ich nur am Rand –
wird Arbeit mir gegeben?
Misstraut man mir? Reicht man die Hand?
Was ist das für ein Leben?

Die Eltern kamen und warn fremd,
doch ich bin hier geboren!
Trag so wie alle Jeans und Hemd
und fühl mich doch verloren!

Weiß nicht, wo meine Wurzeln sind,
wohl dem, der seine fand!
Ich weiß, ich bin ein deutsches Kind –
doch fremd im eignen Land....

Chavali 09.03.2010 13:09

Liebe larin,

da hast du ein heißes Eisen angefasst;
vielleicht auch ein Grund, weshalb hier noch niemand geantwortet hat.
Ich denke, wir kennen alle die Gründe, die zu solch einem Verhalten führen können.

Nachdenkliche Verse hast du geschrieben, die nicht unbedingt einer Interpretation bedürfen -
einer Diskussion über den Inhalt vielleicht.
Und vielleicht mag sich ja der eine oder andere hier mit einklinken.

Das erst mal dazu, vielleicht später mehr.

Lieben Gruß,
Chavali

Falderwald 10.03.2010 21:36

Liebe larin,

es gibt in allen Industrienationen Menschen mit Migrationshintergrund.
Fast alle sind einst mit der Hoffnung in solche Länder eingewandert, den eigenen wirtschaftlichen Status positiv verändern zu können.
Das ist verständlich, denn warum sollte jemand darauf verzichten, wenn er die Möglichkeit bekommt, woanders besser leben zu können.

Deutschland aber nimmt eine besondere Stellung in der Welt ein, steht die deutsche Geschichte doch für etwas Furchtbares im Umgang mit sogenannten Fremden.
Dieses Land wird international beobachtet und ganz besonders daran gemessen, wie es mit seinen nichtdeutschen oder eingebürgerten Mitbürgern umgeht.

Wenn hier etwas Negatives diesbezüglich geschieht, ist das Geschrei direkt ganz groß und die alte Nazikeule wird wieder ausgepackt.
Das kann und wird auf die Dauer nicht gut gehen, denn es gibt, wie immer, zwei Seiten einer Medaille.
Zum einen muss das öffentliche Verständnis zur Integration gegeben sein, zum anderen müssen die zu Integrierenden auch den Willen dazu mitbringen.
Das eine, wie das andere ist nicht immer auf beiden Seiten gegeben und daraus erfolgen die Probleme.

Ich glaube aber nicht, daß dies ein typisch deutsches Problem ist.
In anderen Ländern geschehen Tag für Tag genau dieselben Dinge, teilweise noch viel schrecklicher, doch darüber wird kaum geredet.

In Deutschland jedoch wird dies zu einem moralischen Instrument gemacht, was die Menschen hier nicht verdient haben, denn die alten Kriegsverbrecher sind zum größten Teil Geschichte.
Wir leben heute in einer anderen Gesellschaft, die keine Schuld an den alten Kriegsverbrechen trägt, sondern im Gegenteil versucht, allen nationalistischen Strömungen entgegenzuwirken.
Natürlich sind rechte Tendenzen vorhanden, doch auch diese gehören zu einem demokratisch politischen Spektrum. Und solange sie keinen wirklichen Einfluss bekommen, ist keine Befürchtung angebracht.
Da schaue man nur einmal über die Grenzen, wo es teilweise ganz anders zugeht.

Was aber einige große Zeitungen und Nachrichtenmagazine in den letzten Jahren hier zum Teil verbrochen haben, ist eine ganz andere Sache.
Diese Medien bedienen sich nämlich der Angst der Menschen, indem sie die Gefahren des fundamentalistisch islamischen Terrorismus bis aufs Letzte für ihre Zwecke ausnutzen und somit Hass, Angst und Misstrauen in diesem Lande gegen eine ganze Religion und deren Anhängern sähen.
Dazu gehört auch der Spiegel, der in vergangenen Publikationen dieses Thema reißerisch ausgebeutet hat.

So ist es kein Wunder, daß es viele Menschen mit Migrationshintergrund sehr schwer haben, hier Fuß zu fassen.
Das zieht dann teilweise Solidarisierungen Betroffener nach sich, die wiederum Anlass zum Misstrauen geben.
Wie eine Katze, die sich in den eigenen Schwanz beißt.
Und alles ist hausgemacht.

Es geht aber auch anders, wie es der Fall unseres Bundesgesundheitsministers Philipp Rösler zeigt, der im Alter von neun Monaten als vietnamesischer Kriegswaise nach Deutschland kam.
Und ich finde, das gibt Anlass zur Hoffnung.

Ich kann dein Gedicht sehr gut verstehen und nachvollziehen, doch ich glaube nach wie vor, daß dies kein typisch deutsches Problem ist.
Man schaue nur mal in die Vereinigten Staaten, obwohl sich da auch in den Köpfen einiger Menschen langsam was zu lockern scheint, siehe Barack Obama.

Interessanter Text, der zum Nachdenken einlädt.


Gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

a.c.larin 11.03.2010 00:06

hallo chavali, hallo falderwald,

mir war bewusst, dass dieses gedicht (möglicherweise) auch heftige reaktionen hervorrufen kann, doch mir ging es dabei weniger ums politisieren, sondern einfach nur mal ums nachdenken :
wie würde ich empfinden, wenn ich in einem land geboren wäre , in dem eine andere sprache und kultur gelebt wird, als die, die ich von meinen eltern gelernt habe? wie würde ich empfinden? was würde ich persönlich fühlen?

es ist, wie du sagst , falderwald , ÜBERHAUPT GANZ UND GAR KEIN DEUTSCHES PROBLEM; ,sondern vor allem MAl : ein zwischenmenschliches.
ich würde fast sagen : es ist normal, dass fremdes ungewohnt ist und auch angst macht. es ist normal, dass man bekanntem den vorzug gibt und in zeiten wirtschaftlicher engpässe lieber den "eigenen" leuten gute plätze verschaffen möchte.
wenn aber junge menschen, die seit 15 , 20 jahren in einem land leben und gar nichts anderes kennen als dieses land, als fremd empfunden werden, wird es (vielleicht) kompliziert, für sie selbst - aber auch für die anderen.
für die einen erscheinen diese jungen leute immer noch als "fremde",
sie selber sind (möglicherweise) zwischen zwei kulturen aufgespalten, vielleicht sogar hin - und hergerissen und ringen innerlich mit heftigen loaylitätskonflikten, denn egal, auf welche seite sie sich stellen - sie könnten gegenwind bekommen von der anderen!
(wie das halt so ist, wenn man zwischen zwei fronten geraten ist).

Es gibt auch in österreich und hier z.B in wien viele junge menschen mit migrationshintergrund. manche empfinden sich als wiener, manche tendieren mehr zur nationalität ihrer eltern. alle "mischungen" sind möglich!

besonders "interessant" wirds, wenn zum beispiel ein türkischstämmiger wiener einen albanischstämmigen wiener "tschusch" nennt (oder umgekehrt),
oder wenn nachwehen der balkankrise sich in "stammesfehden" zwischen serben, albaner, mazedoniern usw. fortsetzen. importierte konflikte suchen ein neues spielfeld....

die multikulturelle gesellschaft ist eine realität geworden, die uns alle überrollt hat, und an vielen öffentlichen orten und plätzen muss darum gerungen werden, wie diese vielfalt eigentlich zu meistern sei. gelernt habe wir das alle noch nicht, und lernen kann sehr mühsam sein. und es passieren fehler.

ich ersehe aus deinem kommentar, falderwald, dass deutschland damit noch ein ganz anderes problem hat. das hast du mir sehr präzise dargelegt und ich kann es nachvollziehen. es ist gar nicht so einfach, derart im blickpunkt der allgemeinen aufmerksamkeit zu stehen und erfordert wahrscheinlich ein noch höheres maß an achtsamkeit von allen.
auch das kann den druck innerhalb der gesellschaft erhöhen.
man muss es wohl mitdenken, wenn man über so ein thema spricht.

ich wollte aber hier kein bestimmtes land an den pranger stellen (man ersetze also wahlweise "deutsch" durch "österreichisch oder ein anderes länderattribut), sondern generell die schwierigkeit eines jungen menschen mit migrationshintergrund aus seinem blickwinkel heraus veranschaulichen.

dabei habe ich mich darum bemüht, in eine andere haut als die eigene zu schlüpfen. ob es mir gelungen ist, der wahrheit nahe zu kommen, weiß ich nicht. ( auch die jugendlichen selber empfinden ja ganz unterschiedlich -
ich habe da unlängst eine reportage im österreichische fernsehen gesehen, die war sehr aufschlussreich)

ich stelle es mir jedenfalls nicht einfach vor - aber was ist schon einfach im leben?

ich erachte es als wichtig, ab und zu über den eigenen tellerrand rauszugucken. da braucht man gar nicht weit zu schauen. oft weiß man ja nicht mal mehr, wie es dem nachbarn , dem ehepartern , dem freund geht.
zuhören tut not, wirklich zuhören.
sich einlassen können, aber auch: um die eigenen grenzen ( ich meine jetzt: die persönliche grenzen) - bescheid wissen.
regel: achte deinen nächsten wie dich selbst. (ein wahres, weises wort der bibel)

das sind die balancen, um die wir täglich ringen.(müssen)
möge die übung gelingen!

liebe grüße,
larin


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