Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 25.09.2009 10:49

Ein Ausgedinge
 
Dort am Hange steht schon ewig lange
unterm Birkenholze halb verborgen
jenes Haus, zerfallend, scheinbar bange
hingedrückt von seinen greisen Sorgen
beinah wie vom ganzen Weltenall.

Ausgebleichte Balken, die in Mauern
halb noch unterstützend, halb schon hängend
dunkle Fensterhöhlen überkauern,
so als ob sie ihre Öffnung zwängend
offenhielten wider den Verfall,

wirken wie die silbergrauen Brauen
hochbetagter, nie befragter Weiser,
die aus leergeblickten Augen schauen
in ein Land, das um sie immer leiser
atmet in des Tages Widerhall,

wenn zum Abend hin die langen Schatten
wie ein Omen an den blanken Steinen
aufwärts kriechen zu den altersmatten
Bohlen, die ein letztes Sonnenscheinen
wärmend widerspiegeln überall.

a.c.larin 27.09.2009 11:07

liebe erich,

das ist ganz wunderbar!
im sprachklang, in der intensiven verwobenheit deiner bildsprache, auch in den überraschenden und selten gehörten wortschöpfungen wie "überkauert" und "leergeblickt" finde ich immer wieder neue, interessante winkel und facetten!
nicht nur ein ge - sondern wirklich auch ein verdichtetes bild eines alten häuschens....

wirklich hingerissen,
larin

Erich Kykal 28.09.2009 07:24

Hi, larin!

Dass ich als Kind in sowas gespielt habe, hat geholfen. Ich habe überhaupt einen starken philosophischen und romantischen Bezug zu verfallenden Gemäuern aller Art - sie spiegeln für mich sowohl das Große wie auch das Kleine im und am Menschen wider: Dass wir uns bemühen und etwas errichten und etwas verändern, dass wir Bleibendes schaffen wollen, uns gegen den Strom der Zeit stemmen....und dabei immerzu versagen müssen, da alles zerfällt und mit uns altert und letztlich dem Vergessen anheimfällt, und dass wir dies wissen oder zumindest erahnen - und dennoch damit fortfahren, und das nur, damit dereinst kleine Kinder in den Ruinen Verstecken spielen können!

LG, eKy

Leier 28.09.2009 10:01

Guten Morgen, lieber Erich Kykal -


dies wundervolle "Ausgedinge" habe ich mir wieder und wieder zu Gemüte geführt.
( Unter "Ausgedinge" verstand ich immer d a s Nebengebäude oder Obergeschoß, in das die vererbt habenden Eltern, Älteren, Alten gezogen sind).

Greise Sorgen und das ganze Weltenall: Welch herrliches Allumfassen!
Irdisches und Universelles verquickt auf gar köstliche Art!

Die erste Strophe gefällt mir am besten.
Nein - die zweite.
Nein - die dritte.
Nein - die letzte ....

Jede Strophe ist ein Juwel.


Wie Du weißt, bin ich wieder hingerissen.
Dein Stil ist unnachahmlich, wozu soll ich das täglich wiederholen?


Hab Dank
von
cyparis

Erich Kykal 29.09.2009 06:43

Hi, cypi!

Das ist wohl regional unterschiedlich. In OÖ ist es ein abgetrenntes Nebengebäude des Hofes, in dem die Altbauern ihren Lebensabend verbringen konnten. Manchmal stand es auch etwas weiter weg. Viele sind Mitte des letzten Jahrhunderts verfallen, als Altersheime für jeden erschwinglich wurden. Wie gesagt, ich selbst habe in so einer Ruine als Kind gespielt. Heute ist dieses Gemäuer renoviert, neu gedeckt und dient als Geräteschuppen.

Deine Begeisterung beflügelt mich nach wie vor! Sie ist mittlerweile ein erfreulicher Fixpunkt in meinem Leben.

LG, eKy

Felix 15.03.2017 20:08

Ein Ausgedinge
 
Hallo Eky,
Dein Gedicht ist sehr gelobt worden - zu Recht!
Erstaunlicherweise taucht Dein Gedicht im Forum "poetry" auf.
Es ist Dein gutes Recht, auch anderswo Gedichte einzustellen (ich mache so etwas auch). Verrätst Du mir, was Dich dazu bewogen hat, dieses Gedicht bei poetry zu veröffentlichen?
Liebe Grüße,
Felix

Kokochanel 16.03.2017 16:29

ich weiß zwar nicht, was ein "Ausgedinge" ist, Erich, aber das Gedicht fasziniert in seiner Stimmung. Alte Häuser können Magie in sich haben. Und die hast du gut in Worte gefasst.
Altes ist eine Brücke zwischen denen von gestern und denen von heute...
Sehr gern gelesen mit lG von Koko

Erich Kykal 18.03.2017 18:45

Hi Koko!

Der Begriff wird hier in Kommentar Nr. 5 erklärt.

Danke für die Auswicklung dieser alten Mumie! :D

LG, eKy


Hi Felix!

Sorry, übersehen!

Ich war eine Weile in Poetry aktiv und habe manche Werke auch dort publiziert, bin dann aber weg dort, teils, weil manche User dort gehässig waren, teils, weil man seine Texte nach dem Einstellen und dem ersten Kommentar nicht mehr ändern konnte, höchstens in Antworten weiter unten, wo viele nicht nachlesen.
Ich versuchte meine Ansichten klarzulegen, aber der dortige Admin wollte nichts ändern. Bezeichnend für ihn und seine Arbeitsethik ist, dass er meinen Account bis heute nicht gelöscht hat, obwohl ich ihn unzweideutig dazu aufgefordert hatte.

LG, eKy

Thomas 18.03.2017 19:02

Lieber Erich,

schön, dass ich dieses etwas ältere Gedicht von dir nun auch entdecke. Es ist, wie die Vorredner sagen, sehr schön.

Muss nicht "Ausgeblichne Balken" statt "Ausgebleichte Balken" stehen? Ich bin mir nicht ganz sicher.

In der letzten Zeile stört mich ein wenig, dass die Balken "spiegeln". Könnte nicht statt "widerspiegeln" stehen "weitertragen"? Oder irgend etwas passendes, was Balken tun?

Liebe Grüße
Thomas

Erich Kykal 18.03.2017 19:43

Hi Thomas!

Vielen Dank für das Lob! In meinem Archiv könntest du wahrscheinlich viele dir noch unbekannte Werke entdecken ... - wenn dir mal langweilig sein sollte! ;):D

Die Bohlen sind von der Sonne ausgebleicht, daher kann ich an "ausgebleichte Balken" nichts Falsches finden.

Die Balken spiegeln nicht wortwörtlich, gemeint ist, dass sie das goldene Licht des Abends reflektieren, was sie quasi leuchten lässt, ehe sie der Schatten dunkelt. Der Terminus ist vielleicht nicht optimal gewählt, es ist eins der älteren Werke von um 2008 herum.

LG, eKy


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