Gedichte-Eiland

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Sufnus 11.03.2018 19:47

Der Narr
 
Der Narr

Dein Herzschlag lag verquer
zum geistlosen Verein
der Zeitgenossen. Kein
Geklügel war so leer,

dass es Dein Schelmenkünden
erfassen konnt, denn hie
wird wohl so weltklug nie
ein kluger Mensch sich finden.

Die Schlauen warn die Blöden,
die blieben ihrem öden
IQ-Gehabe treu,

und nur den Volldebilen
enthüllte im Erfühlen
sich Deine Narretei.

Chavali 12.03.2018 10:06

Hi Sufnus,

gibt es da nicht so ein Bibelwort:
Selig sind die Armen im Geiste, denn sie wissen nichts von der Welt...oder so ähnlich :o

Ein Narr darf alles Unbequeme aussprechen - das wird toleriert und gelegentlich auch darüber gelacht.
Es ist ja ein Narr...

Als denkender Mensch hat man es schwer, weil die Intelligenz es gebietet, nachzufragen.
Wer nicht nachfragt und alles hin nimmt, ist ein Narr.
Aber solche Menschen sind vielleicht glücklicher als die Klugen.

Reimlos geschrieben in einer Art Sonett - das gefällt mir sehr gut.
Ich denke manchmal, wir sind in einer neuen Generation Lyrik angekommen.
Nicht nur, was sich reimt, ist poetisch.
Wenn die Sprache in solchen Worten verdichtet wird wie hier (und anderswo ;)),
sollte uns nicht bange sein um das Fortleben der Lyrik.

Lieben Gruß
Chav


edit:

gar nicht reimlos....
wieso wirkt das so *wunder* :confused::confused::confused:





Sufnus 12.03.2018 12:03

Zitat:

Zitat von Chavali (Beitrag 110764)
edit:

gar nicht reimlos....
wieso wirkt das so *wunder* :confused::confused::confused:

Ich freue mich sehr, dass Du das Gedicht im allerersten Lesen als reimverweigernd wahrgenommen hast - ein bisschen war das der Plan... :)

Da ja hier mit dem Narren eine anarchische, beinahe etwas dämonische, Figur besungen wird, sollte das Gedicht keinesfalls zu leichthin singbar sein, sondern von alter, unanfechtbarer Widerborstigkeit zeugen.

Wenn man die ersten Worte einfach mal ohne Zeilenumbruch, ganz Prosa-haft, hintereinander schreibt:

"Dein Herzschlag lag verquer zum geistlosen Verein der Zeitgenossen. Kein Geklügel war so leer, dass es Dein Schelmenkünden erfassen konnt...",

dann lässt sich das völlig "unmetrisch" als reiner Prosatext lesen.

Ab dann gewinnt aber (so zumindest meine Idee) die metrische Sprache immer mehr an Gewicht, die Folgezeilen sind daher nur mit Schwierigkeiten rein prosaisch zu lesen, weil Reim und Rhythmus immer etwas durchdrücken - allerdings auch wiederum nicht zu stark: - die unreinen Reime "-künden / finden" und "treu / Narretei" sollen verhindern, dass alles zu eingängig dahinplätschert.

Auch dass die weniger Intellektuellen, die doch die einzigen sind, die dem Narren Verständnis entgegenbringen, als "volldebil" bezeichnet werden, ist ja nicht gerade ein netter Zug... Narren sind recht ungehobelte Zeitgenossen...

Eisenvorhang 12.03.2018 17:39

Hi Sufnus,

ich reagiere später detaillierter darauf. Bin noch bis morgen jenseits des Forums.
Ich schließe mich voll und ganz Chavali an.
Deine Schreibe gefällt mir immer mehr.

Wenn ich intellektuell lese, schnappt in mir die Klinge.
Später mehr.

Vlg

EV

Erich Kykal 12.03.2018 19:59

Hi Sufnus!

Wenn das "Geklügel" besonders "leer" sein muss, um den Witz dieses Narren zu erfassen, dann ist das aber kein Kompliment, sondern sagt aus, dass dessen Scherze offenbar besonders hohl sind.

So unterstellt sich dem Rest eine ironische Süffisanz, die die Dummheit lobt.

Könnte nach dieser Auslegung ein Spottgedicht auf einen unliebsamen Autor sein, der sich bezüglich seines intellektuellen Niveaus uneinsichtig zeigt ... ;)

Ein leicht die Ironie konterkarierender Lapsus sind hier die beiden Komma-Fehler in der letzten Strophe. Sowohl in Z1 wie 2 gehört nämlich keines ans Zeilenende - diese Strophe ist ein einziger durchgängiger Satz. ;)

Gern gelesen! :)

LG, eKy

Sufnus 12.03.2018 20:22

Zitat:

Zitat von Erich Kykal (Beitrag 110799)
Wenn das "Geklügel" besonders "leer" sein muss, um den Witz dieses Narren zu erfassen, dann ist das aber kein Kompliment, sondern sagt aus, dass dessen Scherze offenbar besonders hohl sind.

Jede Lesart ist erlaubt, ja sogar erwünscht... aber ich warne davor, einen Narren zu unterschätzen... ;)

Und Merci fürs Interpunktierlektorieren! :)

waterwoman 13.03.2018 10:50

Hallo Sufnus,

ja, einen Narren darf man nicht unterschätzen.
Dummheit ist gefährlich! Man sollte vor Dummheit gewarnt sein.
Der Dumme ist mit sich selbst zufrieden, ihn kann nichts und niemand überzeugen und von seinem Weg abbringen,
kein Protest und keine Gewalt haben da eine Chance :Aua:Aua:Aua

Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens
lässt Schiller den Feldherrn Talbot in der Jungfrau von Orleans sagen.

Und damit hat er wohl den Nagel auf den Kopf getroffen.


Gern mitgeklugt :D

ww

Sufnus 13.03.2018 13:15

Lieben Dank für den Kommentar, ww, mit dem Du wiederum einen anderen, eigenen Deutungszugang aufzeigst. So soll das sein. :)

Eisenvorhang 14.03.2018 09:00

Ich tue mich immer schwer mit Begriffen wie "Narren", "Intellektuelle", "Dummheit" etc. pp.

Dummheit ist für mich ein bewusster Wille, etwas willentlich schlechtes zu tun.
"Dumm ist der, der Dummes tut".

Geistlose bezeichne ich nicht als dumm, viel mehr als unwissend und Wissen heißt nicht gleich intellektuell.

Darauß resultierte oft, dass selbst scheinbar schlaue Menschen oft dumm waren. Oft dient das Intellektuelle als Vorhängeschild, als Überhöhung gegenüber anderen.

Das mag ich überhaupt nicht. Ich habe einen Freund, er hat studiert, ist mittlerweile Doktor und wenn man ihn nicht kennt und mit ihm spricht, denkt man sich erstmal: "Naja, von weither ist der nicht".

Aber der Eindruck täuscht. Er machte alles mit 1,0.

Ich hüte mich auch vor Besserwisser, vor allem wenn es solche sind, die es besser wissen, um ihr Ego zu heben. Intellektuelle können oft nur gut rezitieren, vor allem die sich auf Reklamen reproduzieren und gesehen werden wollen. Autonomes Denken benötigt bei jenen oft ein Stützrad, oder es ist wie ein Auspuff, der lose am Heck eines Autos herumflattert.

Besserwisserei im Sinne der Hilfe finde ich hingegen sehr gut und hilfreich.

Was genau ein Narr ist, weiß ich auch nicht nach längerem Denken.

"Jemand macht sich zum Narren"

Ich verstehe die Aussage und was es meint, aber irgendwie erschließt sich mir der Sinn nicht.

"Jemand macht sich zum Menschen"

würde schon besser passen. Jeder Mensch ist anders zur Imperfektion konfiguriert.

Das du hier mit Deinen Reimen provozierst, finde ich richtig gelungen und toll. Gibt es doch Fläche für die typischen Zerschmetterer.

Sufnus 16.03.2018 12:41

Hi EV!
Mir gefallen Deine gedanklichen Umkreisungen der Narrenproblematiken sehr! :) Ich habe nur nicht genau verstanden, was Du mit dem Provozieren der Verse und dem daraus entstehenden Raum für Zerschmetterer meinst. Ich wollt eigentlich gleich rückfragen... und dann hab ichs vergessen... :o


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