Gedichte-Eiland

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Walther 06.09.2016 12:35

Vom Rand
 
Vom Rand


Vom Rand drängt sich der Jammer in das Bild:
Aus Rauch und Staub und Dunst ein Kinderweinen;
Im Feuer der Gewehre leises Greinen;
Im Schatten sitzt die Mutter, schweigt und stillt,

Als würde nichts geschehen, ein Skelett.
Ein Donnerschlag rumort durch die Ruinen,
Schrapnells und Splitter summen wie die Bienen.
Die Munition liegt, aufgereiht, adrett,

Zum Griff bereit, die Waffen anzufüttern,
Und Salven knattern durch die Morgenluft.
Die Kugel fragt nicht, tötet grundlos jeden,

Der in der Bahn steht. Bilder gehn, verwittern:
Was bleibt, ist dieser ekelsüße Duft
Von frischem Blut in diesen Schreckensöden.

Wodziwob 07.09.2016 10:42

Hallo Walther,

ein wichtiges Gedicht. Wichtig deshalb, weil den syrischen Bürgerkrieg niemand mehr thematisieren will. Wenn auch aus nachvollziehbaren Gründen.

Selbstverständlich haben Menschen, die mit Bewusstsein verhaftet sind, ein schlechtes Gewissen ob der äußerst fragwürdigen Lösung der Flüchtlingsfrage, aber wenn ich mir das Chaos so ins Gedächtnis rufe, das zu Jahresanfang über Bayern hereingebrochen ist, kann ich den gnadenlos überforderten Leuten auch die Erleichterung darüber nicht verübeln. Ihnen wurde etwas aufgeladen, dass sie auf lange Sicht unmöglich schultern hätten können, zumal sie sich vom Rest der EU schmählich im Stich gelassen sahen. Der syrische Bürgerkrieg hatte außerdem nichts zu tun mit ihnen, sie hatten ihn nicht angefangen, und rein geographisch wäre es Pflicht und Aufgabe der Nachbarländer, die Flüchtlinge aufzunehmen. Auf den Verlauf der kriegerischen Auseinandersetzung haben sie ohnehin keinerlei Einfluss.

Und so ist die "Aus den Augen aus dem Sinn" Reaktion für mich nicht allzu verwunderlich, auch was die Tragödie im Mittelmeer betrifft. Die Leute können einfach nicht mehr. Was sich auch auf die Wahrnehmung des Krieges selbst mit seinen Schrecken niederschlägt. Das Gefühl der Ohnmacht hat deshalb überhand genommen, weil es den traurigen Tatsachen entspricht.

Eines Tages wird die Geschichte fragen, wie es möglich hat sein können, ein ganzes Volk seinem Untergang zu überlassen, obgleich es Möglichkeiten gegeben hätte, diese Katastrophe zumindest einzudämmen. Nun, es geschieht weiß Gott nicht zum ersten Mal, dass nationale Interessen über die Gesetze der Humanität gestellt werden und es ist auch nichts Neues, derlei Unfassbares so unmittelbar erleben zu müssen... ich habe dutzende Gedichte geschrieben (nicht hier), um auf dieses historische Versagen hinzuweisen, das Ergebnis war - wie sollte es anders sein - Vergeblichkeit. Und wenn ich mir heute eingestehen muss, dass ich nimmer mag, dann ist das nur ehrlich.

Auch deshalb tut mir Dein Gedicht mit all seiner Entsetzlichkeit gut. Zeugnisse ohnmächtiger Empörung sind nie umsonst, auch wenn sie keine Änderung in absehbarer Zeit herbeiführen können.

Liebe Grüße :)
Wodziwob

Walther 07.09.2016 20:29

Lb. Wodziwob,

mein sonett versucht, das entsetzliche lesbar zu machen. wenn das gelungen ist, wie du ausführst, bin ich dankbar. man kann nicht mehr tun im moment.

sprache wirkt. die frage ist leider, wann.

lieber gruß W.

Dana 10.09.2016 09:17

Lieber Walther,

ja, es ist Dir sehr gut gelungen, das Entsetzlichste lesbar zu machen und die Ohnmacht der Sehenden darzustellen.
Das Ganze ist so schlimm, dass Mitleidsbekundungen nur fade klingen und ein Kommentar sehr schwer fällt.
Mir kommt es vor, als wäre es unmöglich aus der Geschichte zu lernen. Über Geschichte zu analysieren ist schon schwer genug und selbst da können nachträgliche Informationen wahr und unwahr sein.
Wahrscheinlich wird man in 20 - 30 Jahren genaustens wissen und tönen, was hätte geschehen und nicht geschehen dürfen und wahrscheinlich werden zugleich andere und neue Bestialitäten stattfinden.

In Europa nennt man es Flüchtlingskrise - ein harmloses Wort gegen Realitäten in betroffenen Ländern. Schlimmer noch, hier wird ein erbarmungsloser Kampf untereinander geführt, in Gut und Böse eingeteilt.

Dein Sonett bringt das eigentliche entsetzliche Leid rüttelnd aufs Papier.

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 10.09.2016 11:36

Wenn ich hier noch kommentieren würde, würde ich schreiben, dass drei Zeilen sechs Heber haben, aber dass mir das Sonett davon abgesehen sehr gut gefällt.

Walther 12.10.2016 15:46

Zitat:

Zitat von Erich Kykal (Beitrag 96730)
Wenn ich hier noch kommentieren würde, würde ich schreiben, dass drei Zeilen sechs Heber haben, aber dass mir das Sonett davon abgesehen sehr gut gefällt.

Lieber eKy,
danke für deinen hinweis. ich habe die drei verse neu gefaßt. nun sollten die probleme beseitigt sein!
lieber gruß W.


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