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Erich Kykal 15.08.2014 00:00

So manche Nächte...
 
So manche Nächte ging ich durch die Straßen,
wenn all die Menschen schon zu Hause waren,
sah dort sie älter werden mit den Jahren,
und wie sie immer noch beisammen saßen.

So manche Nächte fand ich mich im Lauschen,
verspürte Leben, das ich nie besaß,
war sein Verschweigen und sein Übermaß
und wollte meine Nacht mit keinem tauschen.

So manche Nächte sprachen mir von Wunden,
von kleinen Kriegen in der großen Stille,
dem süßen Kuchen mit der bittren Pille,
daran nicht Zeit noch Lebensglück gesunden.

So manche Nächte stöhnten unter Schmerzen:
Ein Kind war krank, eins wurde krank gemacht,
und beide weinten leise in die Nacht:
Das eine starb. Das andre starb im Herzen.

So manche Nächte waren unbescholten,
so manche andre aber tauschten Küsse,
als ob die Liebe dämmernd enden müsse -
und beides hat dem Morgen nichts gegolten.

So manche Nächte fand ich kein Erbarmen,
in vielen aber wuchs die Seele groß
und wusste endlich wieder sich im Schoß
der ganzen Menschheit und in ihren Armen.

So manche Nächte klärt sich unser Leben
in goldnen Bildern aus erhellten Räumen,
die durch das Glas mit allen ihren Träumen
dem Träumer draußen erst den seinen geben.

Lailany 15.08.2014 08:24

Lieber Eky,
wieder einer Deiner GANZ großen Würfe, die mich sprachlos zurücklassen, da sie Gefühlsebenen berühren, für deren Beschreibung es keine passenden Worte gibt.
Nicht für mich.
Ich begnüge mich damit, mich hineinfallen zu lassen, die pure Schönheit zu trinken, einzuatmen und dem Künstler für das Leseerlebnis zu danken.
HG von Lai

PS: Das Wort 'Kuchen' finde ich ein wenig störend in der so berückend schönen Poesie.

Erich Kykal 15.08.2014 10:23

Hi, Lai!

Mit den "kleinen Kriegen" sind Ehezwiste gemeint, lautstarke Streitereien in der Stille der Nacht.
Der "süße Kuchen" steht versinnbildlichend für all unsere romantischen Vorstellungen von Liebe und Partnerschaft/Ehe.
Man vergisst vorher immer die "bittere Pille" der menschlichen Schattenseiten, die jede Beziehung zur Hölle für alle Beteiligten machen können.

Vielen Dank für das großartige Lob - es freut mich, dass es dich berühren konnte!:)

LG, eKy

Chavali 15.08.2014 11:05

Servus Erich,

was für ein Lesegenuss!

Was kann dem Leser (in diesem Falle mir) noch weiter einfallen, als dir zu danken, dass du ihm die Möglichkeit gibst,
diese wunderbaren Worte zu lesen.

Anaphern sind total mein Ding und du hast sie in wunderbarer Weise eingebaut.
So berührend, so melancholisch! Großartig!


Lieben Gruß,
Chavi

juli 15.08.2014 15:00

Lieber eKy :)
 
Eigentlich weiß ich gar nicht so recht was ich sagen soll, ich bin sprachlos, das ist berührende Poesie! :):):)

Die Nacht hat ihren eigenen Takt, für mich ist die Zeit dann langsamer, das Gehirn spielt einen Streich mit mir. Ich war mal Nachtwache, und die Menschen die des nachts unterwegs sind, sind etwas Besonderes. Ihre Geschichten vom Leben wurden in der Dunkelheit mit mehr Vertrauen erzählt. Es war der Bonus Nacht. Die Menschen waren in ihren Schilderungen nicht so perfekt, sie hatten Fehler, waren Großherzig, manche waren aber auch gemeiner. Auf jeden Fall hat Dunkelheit immer etwas Beschützendes, manche verstecken sich auch...

Auf jeden Fall sehr gerne gelesen und eigentlich sprachlos:Blume:

Liebe Grüße aus dem Norden
sy

Erich Kykal 15.08.2014 19:21

Hi, Chavi!

Ana-was? Das musste ich erst mal nachschlagen. Du meinst die ständige Wiederholung der Stropheneinstiegsphrase. Ja, das setze ich mitunter ein, um Gleichmaß und Ruhe, eine Art Takt hineinzubringen, wie ein Mantra, mit dem sich der Leser vertraut macht.

Hi, Sy!

Das Gedicht beschreibt einen scheuen Menschen, der immer nur nachts spazieren geht und das Leben der Menschen in den erleuchteten Fenstern mitbekommt: Die hässliche, aber auch die schöne Seite menschlichen Miteinanders. Daran reift er und fühlt sich dadurch endlich mit seinem eigenen Menschsein versöhnt.
Vieles an den Bildern ist nur angedeutet, aber es ist zum Draufkommen, denk ich.


Vielen Dank für eure positiven Rückmeldungen! Es freut mich immer sehr, wenn ein Werk offenbar gut gelungen ist!

LG, eKy

Dana 16.08.2014 18:36

Lieber eKy,

hier melden sich ausschließlich sprachlose Frauen - so auch ich.:)

Ein traumhaft schönes Gedicht über die Versöhnung mit sich selbst, dem Leben.

Ich denke, bis man zu diesen Worten und zu dieser Erkenntnis gelangt, bedarf es vieler und langer Nachtspaziergänge, bzw. eines aufmerksamen Auges, Ohrs und Gefühls - dann kann man auch am helligten Tage ähnliche oder dieselbe Erfahrung machen. Das Wahrnehmen, Beobachten gilt nicht ausschließlich den anderen - ebenso für sich selbst.
Ein sehr berührendes Werk - großartig in Sprache und Metaphern.

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 17.08.2014 12:37

Hi, Dana!

Seltsam:Aua - ich war immer schon eher der Schwarm der kultivierten, gebildeten Damen. Heute stört mich das nicht mehr, aber früher wären mir die dummen Blondchen mit anpassungsfähiger Sexualmoral lieber gewesen...:D;)

Scherz beiseite - vielen Dank für dein (wie eigentlich immer) ungetrübtes Lob!:Kuss

LG, eKy


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