Gedichte-Eiland

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charis 31.01.2016 07:48

Der Maler
 
Diese Stadt! Dionysische Raserei treibt sie: Im Nehmen
gierig und maßlos im Geben. Er fragte sich nicht, ob Gejagter
oder Jäger; er brauchte das Blut aus offenen Bäuchen,
zuckenden Herzen, entrissen der Brust.

Blind vertraute er ihrer Verführung, sie stillte die Lüste,
nährte die blanke Gier nach des Ruhms nie schwindenden Freuden.
Strömte sein Blut aus den Bildern, so lag sie ihm schmachtend zu Füßen.
Er war das Opium gegen Tristesse.

Bittersüßer Geruch erfüllt den Raum; lässt ihn wanken.
Dieses Bild! Es bröckeln Fassaden, doch morschende Sparren
stützen gefällig das Dach; am Fenster die Frau mit dem Spiegel:
Du, meine Schönste, verführst alles Licht!

Seidenmatt schimmert die Nacktheit und makellos sind ihre Züge,
nicht ein Funke von Scham oder Angst; sie fühlt sich geborgen.
Liebte er immer nur seine Geschöpfe, auf ewig entrückte
Strahlende, nie von der Wahrheit verletzt?

Rückt er nun näher, so scheint ihn die Liebste im Bild zu verhöhnen:
Alle Klarheit schwindet. Zerfetzt von bacchantischen Strichen
büßt sie die Schönheit. Das Antlitz entstellt die Fratze des Todes.
Genius steht mit dem Satan im Bund!

Lüge scheint ihm die Kunst, das Licht auf Leinwand zu zwingen,
Reines zu zeugen, das selbst im Schrecken liegt und im Grauen.
Strebt er nach Unsterblichkeit, dem schalen Genuss der Erhöhung?
Nein, er ist Diener der göttlichen Macht.

Farben hängen zärtlich an dünnen Armen, als böten
silbrige Härchen auf blauen Hügeln noch Heimat und Zuflucht.
Mutlos verhüllt er das Bild und reinigt akribisch die Pinsel.
Über den Dächern verblutet das Licht.

Erich Kykal 31.01.2016 13:17

Hi, Charis!

Fehlerchen:

S1Z1 - "treibt"
S4Z1 - "Züge"

Reimlos, aber in großer Sprache beschreibst du Überhöhung und Fluch der Malerei. An manchen Stellen fast ein wenig zu pathetisch, aber insgesamt "süffig" zu lesen, auch wenn es keinen exakten Rhythmus gibt, eher jenen des Sprachflusses selbst.

Gern gelesen!

LG, eKy

charis 31.01.2016 16:09

Lieber Eky,

Vielen Dank! Es freut mich sehr, dass du vorbeigeschat hast. Ich weiß ja wie ungern du Ungereimtes kommentierst ;).

Also, es sollen Hexameter mit einem jeweils strophenabschließenden, daktylischem Vierhebern sein.

Es ist noch nicht so wirklich richtig (besonders mit den Zäsuren haut das noch nicht so hin und auch mit der "Wirklichkeit und Gegenständlichkeit", die der Hexa braucht). Das Ganze wird sich also noch hier und dort verändern.

Mich hat aber erst einmal gefreut, dass du das Thema und die Sprache annehmen kannst, das ist mir sehr wichtig. Ein bissl Pathos kann dem Hexa nicht schaden ;)

Lieben Gruß
charis

juli 01.02.2016 09:55

Hallo charis,
Deine langen Zeilen, und der besondere Sprachtakt, fordern zum langsamen Lesen auf. Du verwendest keine Reime, erzählst teilweise dramatisch ( finde ich gut ) aber auch so, daß ein kleiner Film vor den Augen abläuft. Ich kann mich da eKys Worten anschließen.

Das ist bestimmt sehr schwer zu schreiben. Ein Hexa. Ich mag die " Farben" die das Gedicht suggeriert, etwas düster, aber auch mit blutrot, leidenschaftlich.

Sehr gerne gelesen und gestaunt.:)

LIebe Grüße sy

:Blume::Blume::Blume:

charis 02.02.2016 18:56

Vielen Dank für die Blumen :Blume:, liebe Syriane,

Was mich besonders freut: dass ein kleiner Film vor deinen Augen abläuft :)

Lieben Gruß
charis

Chavali 03.02.2016 18:28

Liebe charis,

nun habe ich dein Werk mehrere Male gelesen und ich garantiere dir meine Anerkennung für solch eine Art der Dichtung :)
Hexameter habe ich noch nie versucht und werde das auch nicht tun, aber ich habe größte Achtung vor denjenigen,
die das versuchen und auch hinbekommen.

Das Thema eignet sich auch vorzüglich dafür.
Ein Maler, ein Besessener von seiner Kunst, in seinem Atelier mit seinen Bildern, in ihrem Anblick vertieft.
Seine Gefühle beim Betrachten der Bilder, seine Erinnerung, wie sie entstanden....

Genie und Wahnsinn.

So sehe ich den Text, so interpretiere ich den Inhalt.

Lieben Gruß,
Chavali








badico 04.02.2016 18:46

Liebe charis,
für mich interpretiere ich auch die ewigen Zweifel, die die meisten Künstler bei allem Können oft befällt. Man (in dem Fall der Maler) ist noch zu nah am Werke, kann es nicht mit Abstand betrachten und es wird, egal was er tut, nie das sein, was er wirklich wollte. Andere, Außenstehende, mögen vielleicht sagen, es ist perfekt, aber nur der Künstler weiß was fehlt, was nicht zu bannen ist. In Bild, in Ton oder Wort. Und wie es oft wirklich inspirierten Menschen geht, fällt nach der Fertigstellung ein Tief über sie, weil ihr Streben wieder nicht erreicht wurde, sie mehr Makel sehen als Perfektion. Für mich hier klasse symbolisiert mit dem verblutenden Licht. (Übrigens eine wunderschöne Metapher). Mir geht es wie syranie, du zauberst ebenso wie dieser Künstler Bilder...er mit Farben du mit Worten.

Gerne gelesen

badico

charis 06.02.2016 10:20

Liebe Chavi, vielen Dank für deine Anerkennung, meines Versuches. Wie schon gesagt, freut es mich vor allem, wenn das Thema und der Inhalt angenommen werden.

Der Hexa ist für mich interessant, weil ich lyrisch erzählen kann.

Der Hexa lebt von der Bewegung also von der Abwechslung zwischen Trochäen und Daktylen, und fordert damit zunächst einmal heraus deutliche Hebungen und Senkungen zu setzen. Aber das ist natürlich noch nicht alles. Wesentlich ist auch nicht zu abstrakt zu werden, was mir sehr schwer fällt. Wenn man "schnell" schreibt, dann ist je nachdem in welchem Kontext es steht uU zu abstrakt; man könnte dafür ein Bild verwenden, das verdeutlicht - das dieser abstrakte "schnell" näher beschreibt - also wenn ich das richtig verstanden habe. (Claudi könnte da sicher mehr dazu sagen). Und der Rest ist einfach die Frage, wie man überhaupt (lyrisch) schreibt, richtige Spannungsbögen erzeugt...die Langverse verlangen da natürlich schon einiges ab, damit dem Leser nicht einfach das Gähnen kommt :)

Es ist also weder schwieriger noch leichter als andere Arten von Lyrik. Ich denke, für dich wäre das durchaus interessant, weil ich bei dir immer wieder lese, wie du mit "freier Rhythmen" expermimentierst.

Lieben Gruß
charis

charis 06.02.2016 10:29

Liebe Badico,

Dir auch vielen Dank für deine Gedanken zu diesem Text. Ja, das steckt da natürlich auch drin. Aber vielleicht muss man es auch nicht nur auf Künstler reduzieren. Den Maler kann man ja auch nur als einen "gewöhnlichen" Menschen mit Zweifeln sehen; er ist ein Zerrissener (wie Dionysos?).

Lieben Gruß
charis


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