Gedichte-Eiland

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Friedhelm Götz 26.02.2017 08:25

Verleger an einen Leser ...
 
... auf seine Anfrage, ob er ein Buch in Schüttelreimen verlegen würde:

Wer will denn Lyrik von den Leuten haben,
Wer Lyrik als noch honorabel führen?
Wer lässt sich denn von einer Fabel rühren?
Ein Trank, von dem sich Minderheiten laben!

Schaut euch nur um, was Remittenden bieten,
die Leser stets mit DER Idee beschenken.
Man muss da auch so manch Klischee bedenken.
Ich rate, klebt aus Schüttelbänden Tüten.

Ich wär bereit, ein Bändchen zu verlegen.
Bringt einen, dem Thalia Mittel schenkt,
der tiefsten Sinn ins Reimgeschüttel mengt.
Ich fürchte aber, ihr habt leer zu fegen.

Leser:

Ich hab den Wunsch, mein Herr, nach Sinn begriffen,
doch Sinn beim Schüttelreim – nicht inbegriffen.

Verleger:

Den falschen Reim so hinzusabbern,
scheint's mehr als nur am Sinn zu happern.
O, Schüttelreimbeginner siebt,
dass euer Werk auch Sinn ergibt.

Erich Kykal 26.02.2017 11:57

Hi Fridolin!

Ja, das kenne ich! All meine Bücher habe ich im "Eigenverlag" publiziert, d.h., ich habe selbst für Editieren und Druck sowie das Binden bezahlt.
An die 40.000 Öcken hat mich das über die Jahre schon gekostet - mindestens! Gibt es eine Chance, das je wieder reinzuholen? - Nope!
Die meisten Bücher liegen immer noch bei mir rum, meist verschenke ich sie an die seltenen Gäste - ernsthaft Interessierte gibt es praktisch keine.
Warum ich es dennoch tue? Keine Ahnung - oder doch, aber die ist mir etwas peinlich! Es sind irgendwie meine "Kinder" - als Ästhet habe ich vor langer Zeit beschlossen, meine genetische Disposition keinem anderen fühlenden Wesen bewusst anzutun: Klein, fett, sehr kurzsichtig, kurzfingrig, Glatze, starke Körperbehaarung, Plattfüße, und, und, und ... - die Liste ist lang, mit Sicherheit länger als ich!
Was von mir "in der Welt" also bleiben wird, mein Vermächtnis, mein Erbe - das werden meine Bücher sein. Zumindest die paar, die ich verkauft oder verschenkt habe. Was hier noch rumliegt, wird irgendein Erbe höchstwahrscheinlich geschlossen zum Altpapier werfen ...

Kaum einer macht sich im Zeitalter der Massenmedien noch die Mühe, Lyrik zu lesen. Denn wie ist sie entstanden? - In einer Zeit, da es KEIN Smartphone, KEIN Radio, KEIN Fernsehen, ja kaum Printmedien gab, da musste man den Geist eben anders beschäftigen. Eine Methode war, im Familienkreis oder in größerem Rahmen musikalische und/oder literarische Abende zu gestalten.
Gedichte galten neben Musik als Königsdisziplin der gehobenen Unterhaltung!
Man las viel mehr als heute, zumindest in gebildeten Kreisen. Entsprechend hoch war das Niveau des Geschriebenen.
Heute schreibt man (wenn überhaupt noch - ich fürchte, irgendwann wird es nur noch "Hörbücher" (-Würg!) geben!) eher für die Masse - und deren Ohr wurde nie für Lyrik geschärft, deren Herz nie dafür erwärmt.
Dazu kam die "Prosaisierung" durch 2 Weltkriege und viel Elend - die Leute hatten andere Sorgen! Zuletzt nagelte die "moderne" abstrakte Lyrik endgültig den Sargdeckel zu! Sowas wollte einfach keiner mehr lesen, abgesehen von einigen exaltierten selbstgefälligen Hirnwixern, die sich wer weiß was auf ihr abgehoben elitäres Kunstverständnis einbildeten.

Höchst bedauerlich, aber es ist so! Wenn wir heute noch publizieren, dann hauptsächlich für uns und die verschwindend kleine Gemeinde jener, die noch Sinn für den und Freunde am Zauber der Sprache selbst haben! Und damit meine ich nicht den Proletensprech bildungsferner Deutschtürken, nicht das dialektverseuchte Schimpfwortgeleier untersten Saufgesindels, nicht die verkrüppelte Stenosprache emoticonverseuchter Smartphonedaddler!
All diese Auflösungserscheinungen gepflegter Sprache sind mir zutiefst zuwider - dazu liebe ich sie einfach zu sehr, um sie dermaßen vergewaltigt, ja geschändet zu sehen!
Wir Dichter sind einfach aus der Zeit gefallen ...

Gern, aber zutiefst resignierend seufzend gelesen! :(

LG, eKy

Christian Wolf 26.02.2017 18:19

Lieber Erich,

das mit den Deutschtürken klingt unschön,
mein Kumpel ist tiroler Türke, dessen Verse sind auch unschön- liegt aber am Prosaischen.

Ich weiß doch was du meinst und die Erbärmlichkeit,
die kenn ich selbst, wenn's in der Trauer noch die Smileys schneit.
Ich sehe mich darein verwoben und alles andere als abgehoben, darum gefällt mir auch dein derber Fluch auf exzentrierten Avantgardeversuch.
Ich melde mich mit Celan doch zur Sprachgewalt, die sich mit letzter Kraft in ihren Schwingen, als Echo ihrer Sonnenzeit im Nichts verhallt.
Das ist doch leider diese Postmoderne? Da tanzen wir richtig erkannt, unter den fremden Sternen.

Zustimmung und alle lieben Grüße, ich bin zurück, aus jener Fb/jugend/todessüße.


Und allgemein, Fridolin,
sind Schüttelreime einfach eine gefährdete Spezies,
genial und bravourös, dialektisch und meisterhaft im Sinn, macht der Magenkleister keinen Klagenmeister. Also, Schüttelreim ist gewissermaßen retroavantgardistisch und auch für Dichter manchmal- harte Kost. So ist das leider noch für den Besten.
Tut mir leid für dich.

Chris

Erich Kykal 26.02.2017 19:04

Hi Christian!

Manche Dinge auf der Welt SIND unschön, und "Ej, Alda, isch waiß wo dain Haus wohnt! Reschpeggt, ej!" gehört für mich dazu, seit ich "Erkan und Stefan" das erste - grenzenlos erschütterte! - Mal im Fernsehen mitansehen und vor allem: anhören! musste.
Ich konnte noch irgendwie verstehen, dass jemand namens Erkan so grenzenlos bescheuert Deutsch sprechen konnte, weil er es vielleicht nie besser gelernt hatte (heute weiß ich, dass man in gewissen Kreisen sogar stolz ist auf diesen "eigenen Slang" und eher bloß wieder Türkisch reden würde als korrektes Deutsch zu lernen!), aber dass jemand namens STEFAN freiwillig(!) so reden konnte, habe ich nie verstanden und werde es nie verstehen! Das ist, als würde man sich die Worte "Ich bin ein bildungsferner Assi!" breit über die Strine tätowieren lassen würde! Heute weiß ich, dass in den Schulen sogar deutsche Kinder anfangen, diesen Türkensprech zu verwenden, weil sie - irregeführt durch miserable Musik mit noch miserableren wie moralisch verwerflichen Texten - tatsächlich glauben, dann "cooler" zu sein, als würden sie so auf magische Weise ein wenig zu den niemals lächelnden Gangsterrappern mit Terminatormienen, die sie - warum auch immer - als Vorbilder akzeptiert haben!
Diese Kids sind mir egal - die meisten bleiben ohnehin ihr ganzes Leben dämlich - aber die Vergewaltigung meiner Muttersprache ist es nicht! Nebenbei, ich habe Rapmusik schon lange vorher gehasst - ehe türkischstämmige "Deutschrapper" damit zu spielen begannen! Ist einfach keine Musik in meinen Ohren, und die Texte sind bestenfalls kindlich-naiv bis aggressiv-destruktiv: dämliches Machogehabe, Dicke-Eiergeprotze von der niedersten Sorte, verbunden mit Spastigezucke der Arme vor der Kameralinse, von dem man wohl angehalten sein soll, es als "saucool" zu empfinden. Ist aber alles nur Kampfgockelgescharre.
Einziges anderes Thema ihrer "Musik" ist ihr Gejammer über die schreckliche Kindheit, die sie hatten, das triste Umfeld, die elterliche Gewalt - wie um zu rechtfertigen, dass sie so nie eine Chance hatten, was anderes als ausgewiesene Arschlöcher zu werden! Schluchz! - Schon mal nachgeprüft, in wie vielen Fällen was dran ist?

Aber ich schweife ab. Es geht hier um die Schönheit und Eleganz einer RICHTIG und geschult verwendeten Sprache, die immer mehr abhanden zu kommen scheint in einer Welt quotenorientierter Massenmedien, die immer mehr Formate produzieren, die nur die untersten Schichten ansprechen - weil dann einfach mehr Leute zuschauen! Die Sprache verarmt, und mittlerweile kenne ich ein halbes Dutzend Werbespots und Dokus mit deutlichen Grammatikfehlern - und niemanden scheint es zu interessieren!

Okay, das klingt jetzt schon ein wenig nach AfD und Deutschtümelei, was ich so von mir gebe, aber nichts konnte mir ferner liegen als schwarzweiße Schubkastenweltbild dieser Schwachköpfe! Mir geht es einzig um den so bedauerlichen Verfall meiner geliebten Sprache. Ich könnte hier noch eine seitenlange "Vorlesung" halten über all die anderen Faktoren, die hier mE. mit hereinspielen, aber das erspare ich mir - und den Lesern!
Ich bin einfach nur traurig und wütend, dass der einstige Reichtum des Deutschen sukzessive verloren zu gehen scheint.

LG, eKy

Christian Wolf 26.02.2017 20:08

Yo,

ich bin immer der, der den Rassistenpart spielen muss und dann den Linkslinken einfach so zum Spaß, man findet immer wenn man will. Bissi zu viel ist es schon find ich und das es mit Reich-tum abschließt sehr amüsant. Aber das beiseite- keine Sorge, ich bin so oldschool ich habe immer nur Klassik gehört seit ich klein war.

Natürlich nicht, aber wenn dann wie jetzt anderes, um mich einzuleben aber ich fühle mich nur verrohen und verständnisvoller werden: Stimmungsmusik, was ok ist bei Hippies aber aggressiv schon sehr unnötig, auch das düstere der Avantgarde. Jedenfalls, da ich eine sehr enge Beziehung mit Musik führe und Sprache a la Jelinek mich philosophisch drückt aber im Theater doch begeistert hat- aufzurütteln aus der siegessicherem reinen Vernunft- kann ich dich absolut verstehen.

Du musstest zumindest nicht leiden, dass das deine Jugend war und Party Musik.. Orgie, Orgie über alles! Im Kontext von Rap mildert das die AfD bei dir natürlich, wobei das immer so gefährlich ist und doch iwie stimmig. Well ich schwing keine Knüppel. Ich verstehe. Aber die Zeit ist eben nicht in der Romantik stehen geblieben und bei den Strophenformen. Schöne Gedichte sind immernoch wichtig aber reine Kreativität wurde vieles, doch nicht Alles.

Wenig Rap ist lyrisch aber aus dem Stegreif doch bemerkenswert. Fakt ist, in meiner Recherche trafen sich doch immer Philosophie, Sound/Stil, Persönlichkeit und emotionale Aussage. Es bleibt auch bei ungleicher Verteilung nur die Mischung über die Zeit. Das Menschliche- ob Dylan, Patti Smith, die Beatles oder Led Zeppelin und nja was damals Populärmusik war ist heute leider Hochkultur und Gegenkultur zum Pop.

Nja, unterm Strich: es gibt Wege, es ist bunt und Vieles will man eben nicht sehen muss man heute aber leider, dennoch, musikalisch ist Rap unwürdig wie das alternative Gedudel, wie Schlager und iwo war mal Seele ob Worte, Töne oder Linien und danach sucht doch der Dichter, ich zumindest und ich gebe den Glauben nicht auf, dass sich überall etwas ausdrückt und Rap ist doch amüsant, die Jugendlichen verstehen nur manchmal nicht, wie unernst die Texte eigentlich sind, nja solche und solche. Amen, auf Wiedersehen, jetzt hab ich meine Klugschwätzerei vom Zaun gebrochen und hab gerade keine Zeit diese Notizschreibweise zu verbessern.

Liebe Grüße und
stay :cool:

Wenn man es öfter liest weicht die Keule dem Einverständnis. Es ist eben krass, nicht immer und nicht immer öfter aber es ist definitiv zu krass manchmal was da abgeht und Rap ist einfach lächerlich aber Erkan ist ein starker Name, dafür ist er ja schon schuldbefreit, hihi.

PS: Ich denk immer an Hesse:
die Jugend bewirft den alten Mann mit Dreck,
er wischt ihn vom Mantel und geht weiter.


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