Gedichte-Eiland

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Dana 04.03.2011 21:22

Wasser und Salz
 
.
.

Ein Tränenfluss kann Dämme brechen,
im Delta seine Arme breiten;
er wird die Last ins Meer ergießen
und sich auf Zeit von ihr befreien.

Es werden andre Kräfte wieder
zurück zur Quelle ihn geleiten,
um seinen Lauf zu wiederholen,
gedämmt vielleicht die Richtung halten.

Die ungeweinten Tränen aber
entzünden sich zu Feuerzungen,
die jeden Ausgang niederbrennen;
sie bleiben Salz in offnen Wunden.

.
.

ginTon 04.03.2011 22:41

hallo dana,,

hui das gefällt mir gut, inhaltlich und formal.

tränen oder überhaupt emotionen können natürlich befreiend wirken
oder können nicht nur sie tun es ja auch, deswegen treffend umschrieben.

schönes Gedicht, gefällt mir:) ...LG gin

Dana 14.03.2011 21:32

Lieber Ginni,

danke.:) Der Smiley gilt dem befreienden Tränenfluss.

Ich beobachte oft bei kleinen Kindern, die zu mir ins Büro kommen, um ihre Mama anzurufen, weil sie krank oder verletzt sind.
Sie kommen, erzählen ganz tapfer "ihre Geschichte" und sind noch "richtige Indianer". Sobald sie aber Kontakt zur Vertrauensperson bekommen, fangen sie an zu schlucken und mühen sich die Tränen zu unterdrücken.
Geschieht es vorher, fordere ich sie, so liebevoll ich kann, erst einmal auf den Tränen freien Fluss zu lassen. Sie sollen und dürfen erst alles ausweinen und können danach viel freier sprechen.

Unterdrückte Tränen tun niemandem gut.
Sie sind schmerzendes Salz in offenen Wunden.
Ich habe nie die "Erziehungsmethode" verstanden, dass Jungen nicht weinen dürfen - sie galt sehr, sehr lange.
Was sie bewirkte, haben meist Ehefrauen und Kinder zu spüren bekommen.
Das gilt natürlich für alle Menschen, die gelernt haben, ihre Gefühle nicht zu zeigen.

Ich erinnere noch traurige Geschehnisse, wo man als Kind gesehen hat, dass Papa oder ein Mann weinten. Es war ein Zeichen dafür, dass etwas ganz, ganz Schlimmes passiert sein musste, weil sogar ein Mann weinte.

Diesen Schmerz habe ich versucht in Versen zu verdichten.

Danke für deinen Beitrag,
liebe Grüße
Dana

Hans Beislschmidt 12.08.2011 09:46

Hey Dana,

ein vielschichtiges Thema, welches vordergründig die Verarbeitung von Schmerz im weitesten Sinne thematisiert. Ein Grund also, mich auf ein paar Nebenschauplätzen auszuweinen.

Das Aus- oder Nichtausleben von Schmerz oder Trauer kanalisiert unsere Gemütsverfassung und reicht von Ausgeglichenheit bis zu aufgestauter Wut. Es steckt aber noch ein wenig mehr dahinter. Tränen der Wut erlebe ich bei Kindern genauso wie Tränen der Freude. Kinder sind noch befähigt, will sagen emotional beweglich, zu weinen. Das Erwachsensein drängt diese Ausdrucksform zurück und hierbei denke ich an die verkarsteten Greise, die, innerlich verhärtet, keine Befähigung zur Emotionalität mehr haben; an denen einfach alles abprallt, weil sie genug gesehen, erlebt oder erduldet haben. Das führt zum Schluss, dass das Weinen eine Zeitkurve hat.

Die Floskel „ein Indianer kennt keinen Schmerz“, bereitet Jungs darauf vor, dass im späteren Leben der Begriff „Männlichkeit“ keine Affinität zum Weinen aufzeigen darf, woran aber gerade die erziehenden Mütter nicht ganz unschuldig waren. Das Rollenklischee des „Stehers“ beginnt sich in der Moderne aber zu Gunsten von Team- und Konsensfähigkeit aufzuweichen. Trotzdem ist der Wunsch der Frauen nach einem „richtigen Mann“ ungebrochen. Liegt das an dem kollektiven Unterbewusstsein oder ist es ein Relikt aus der Steinzeit?

„Männer“ werden immer weniger gebraucht. Gut oder schlecht?

Gruß vom Hans

Dana 12.08.2011 19:43

Zitat:

Zitat von Hans Beislschmidt
Die Floskel „ein Indianer kennt keinen Schmerz“, bereitet Jungs darauf vor, dass im späteren Leben der Begriff „Männlichkeit“ keine Affinität zum Weinen aufzeigen darf, woran aber gerade die erziehenden Mütter nicht ganz unschuldig waren. Das Rollenklischee des „Stehers“ beginnt sich in der Moderne aber zu Gunsten von Team- und Konsensfähigkeit aufzuweichen. Trotzdem ist der Wunsch der Frauen nach einem „richtigen Mann“ ungebrochen. Liegt das an dem kollektiven Unterbewusstsein oder ist es ein Relikt aus der Steinzeit?

„Männer“ werden immer weniger gebraucht. Gut oder schlecht?

Lieber Hans,

das sind keine leichten Fragen.
Die erziehenden Mütter haben mitgewirkt, ganz bestimmt - doch stets im Sinne der Väter.
Damit will ich niemandem eine "Schuld" zuweisen, denn wir sind alle zusammen "Opfer" eines anerzogenen Rollenklischees.
Was sich heute ein wenig lockert ist das Erkennen der falschen Rollenverteilung in Theorie. Die Praxis funktioniert immer noch nach "bewährtem" Muster.
Irgendwo ein Relikt aus der Stein- und Neuzeit. Wer sind und waren die Krieger?
Wann wurden sie "degradiert"? Wenn sie Tränen zeigten, weil sie dann zu "Memmen" wurden. Wer hat sie am meisten verlacht?

In diesem Muster ist nicht einzig das Weinen und Nichtweinen enthalten.

Sehen wir es einmal umgekehrt, wenn das Frauchen Stärke zeigt. Eine, die ihr Auto selbst in Gang bekommt, eine Firmenchefin, eine, die für sich entschieden hat solo zu bleiben und sich nicht zur "alten Jungfer" stempeln lässt.
Das sind doch keine richtigen Frauen sagt man, oder? Es sind Emanzen, die noch nicht an den "richtigen Kerl" geraten sind.:confused:

Zeiten des Umbruchs oder Umdenkens fordern immer und für lange Zeit Gegner und Befürworter. Das gilt übrigens für jede Änderung, die der Gewohnheit etwas streitig machen will.

Noch mehr:
Erst wenn es einmal so weit ist, dass beide weinen dürfen und sollen, dass jeder macht, was er kann, ohne jede Rollenzuweisung, wird sich zeigen, ob es gut oder schlecht ist.
Vom so mancher Reform sehnt man sich wieder nach "bewährten alten Methoden".
Da könnte man natürlich darauf kommen, dass etwas, was seit der "Steinzeit" noch gilt, nicht nur schlecht sein kann.;)


In meinem Gedicht ging es mir um ungeweinte Tränen beider Geschlechter.
Für mich persönlich ist ein weinender Mann nichts "Abschreckendes" - er darf nur nicht auf Schritt und Tritt weinerlich sein.:D
Eine Frau selbstverständlich auch nicht.:cool:

Danke für deine interessanten Denkanstöße.

Liebe Grüße
Dana


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