Gedichte-Eiland

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a.c.larin 01.10.2009 08:15

Herbstmorgen
 
Dem Winter ist doch nicht zu trau'n!
Den Ahornbaum erfasst das Grau'n:
Er schüttelt ab die Blätter.
Die Esche prangt noch grün und groß,
der Wind lässt ein paar Huster los:
Das ist ja noch kein Wetter!

Die Pappel rappelt sich im Wind,
zur Nachsicht ist sie nie gesinnt:
Sie raunt etwas von Stärke!
Doch während sie stolz kämpft und trotzt
und mancher in sein Sacktuch rotzt,
ging Nachtfrost schon zu Werke....

Dein Schritt zieht raschelnd durch das Laub,
die Fingerspitzen, kalt und taub,
umklammern deinen Kragen.
Wer Auto fährt, steht jetzt im Stau
und wartet auf das Morgengrau.
Es ringt um Wohlbehagen

Frau Linde, die schon deutlich matt,
weil sie das höchste Alter hat.
Forsch knackt sie in den Ästen!
Dieweil ein Lüftchen sie entbößt,
ihr Blatt um Blatt entschwebend löst,
träumst du von großen Festen:

Einst warst du Kind, warst fromm und klein-
die Wunder schienen riesig!
Die Winterszeit war allgemein
teils mystisch, teils zum Einsamsein.
Stumm sammelst du Kastanien ein,
der Tag wird wieder diesig....

Walther 23.11.2009 21:08

Lb. larin,

auch das ist ein schönes Herbstgedicht, das bis auf die letzte Strophe überzeugt. Hier wird vom Metrum der Strophen abgewichen, das so geht:

* Jambus vierhebig, männlich
* Jambus vierhebig, männlich
* Jambus dreihebig, weiblich
* Jambus vierhebig, männlich
* Jambus vierhebig, männlich
* Jambus dreihebig, weiblich

Mir ist klar, warum das nicht aufgeht - hier stehen der Inhalt und der schwierige Reim auf -iesig im Weg. Und vielleicht war diese Strophe sogar schon da, bevor der ganze Rest fertig war.

Was ich sagen will: Nach einem solche glänzenden Sprachstück erwartet man ein rundes Ende, auch metrisch. Inhaltlich ist an der Strophe nichts auszusetzen, aber es ist irgendwie schade, daß die Architektur nicht ganz zum Abschluß kommt.

Dennoch: Wie gewohnt feine, überduchschnittliche Dichtung - in jeder Hinsicht. Da könnten sich manche - hier und anderswo - etwas abschneiden.

Danke für den Lesegenuß!

Bester Gruß

W.

Dana 23.11.2009 21:50

Liebe larin,
auch wenn Walther etwas gefunden hat, was den "Formalitäten" nicht ganz entspricht, überlese ich, wie er selbst, und staune.
Ob Baum, ob Mensch - dem Herbste müssen sich alle beugen.
Du hast den Lauf der Zeit eindringlich verdichtet und philosophisch angehaucht.
Viel mehr als ein Naturgedicht und gut gemacht.

Liebe Grüße
Dana

Klatschmohn 24.11.2009 10:17

Liebe Larin,

"Herbstgedanken" mag ich Dein Gedicht benennen und Dir gehen wahrhaftig viele Gedanken durch den Kopf. Ich glaube kein Monat läd auch mehr dazu ein, es ist der Monat des Vergehens - unweigerlich, auch wenn er noch so lau daher kommt wie in diesem Jahr.
Mir gefallen Deine Verse sehr gut und die beiden letzten Verse geben einen besonderen Kick. Jedenfalls wirkt es so auf mich.

Liebe Grüße,
Klatschmohn

ruhelos 24.11.2009 12:20

hallo larin,

ein bezauberndes Novembergedicht hast du uns hier geschenkt. Naturgedichte liegen dir besonders. Man merkt, dass du mit offenen Augen durch die Natur streifst. Deine Beschreibungen sind sehr genau. Auch die Wortwahl und das Reimmuster überzeugt. Schön finde ich auch, dass das beschriebene Stimmungsbild das lyr ich dazu bringt, sich an die Kindheit zu erinnern. Gern gelesen.

Viele Grüße
ruhelos

a.c.larin 25.11.2009 20:35

hallo walther,
ich staune ja immer, wenn sich jemand die mühe mit den vielen x-chens macht - an sowas denk ich beim schreiben von so einem gedicht kaum! da wandle ich viel zu sehr auf den spuren der stimmung....

nun weiß ich dank dir also, dass ich jamben mit verschiedenen hebungen geschrieben habe.
an "architektur" denke ich, wie gesagt nicht -eigentlich bin ich immer wieder erstaunt, wenn mich dann jemand auf baupläne hinweist.
jetzt sehe ich es natürlich auch und insoferne hast du natürlich recht: da ist keine vollkommene regelmäßigkeit darin.
dass das gedicht nicht "perfekt" aussieht, irritiert mich aber nur wenig, solange die stimmung richtig rüberkommt - und die ergibt sich für mich aus dem klang.
hab einfach nur die bäume betrachtet und das alljährlich wiederkehrende drama, das sich da vor meinen augen abspielt in eine art "seelenmusik" übersetzt.
Soweit ich mich erinnern kann, war bei diesem gedicht als erstes auch die anfangszeile da - quasi "vorsichtshalber" wirft der ahorn mal die blätter runter, weil man ja nicht weiß, was der winter, dieser fiesling, noch so alles vorhat....
jeder baum hat seinen charakter , das ganze endet vernebelt...
(eine wetterlage, die im donauraum um diese jahreszeit recht gebräuchlich ist)

hallo dana,
ja, natur und mensch geben sich da irgendwie antwort - die stimmung im außen spiegelt sich in der inneren stimmung und umgekehrt...

liebe klatschmohn,
ein jahr, das reich an eindrücken war, lässt ja auch allerhand erinnerungsbilder zurück - und die rotieren dann so im bewusstsein, wenn man grade mal nichts besseres zu tun hat...

liebe ruhelos,
ich hab als kind ja auch viel draußen gespielt ( wir hatten einen garten) - da war jeder baum und jeder strauch irgendetwas anderes in meiner phantasiewelt: ein schloss, eine höhle, eine schützende mauer...
manchmal glaube ich, die pflanzen reden immer noch irgendwie mit mir.
mit meinem ahorn red ich jedenfalls oft! der imponiert mir!

danke euch allen für den kommi!
larin


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