Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 16.07.2012 18:47

Die Wahnsinnige
 
Zerstoben ist ihr alle Wesensruh -
und wider alles, was sich weiter böte,
bläst sie des Irrsinns unentwegte Flöte,
als spielte sie ihr Leiden immerzu.

Zuletzt bleibt nur des wunden Wahnsinns Waffe
in ihrer welken Hand - die Scherbenklinge
des Spiegelbilds, das alle heilen Dinge
erdolcht. Oh Wunde, öffne dich und klaffe!

Verblute, Innerstes, in diese Leere,
die solch ein Seinzerfleischen hinterlässt.
Was übrigbleibt, entseelt und schweißdurchnässt,

ergibt sich willenlos der eignen Schwere.
Man kleidet ihre Hülle, kämmt die Haare,
und lässt sie sickern in den Lauf der Jahre.

Thomas 17.07.2012 09:14

Hallo Erich,

sehr ergreifend und wahrhaftig. Formvollendet, obwohl der Inhalt der Form des Sonetts zu widersprechend scheint. Chapeaux!

Liebe Grüße
Thomas

a.c.larin 17.07.2012 09:21

lieber erich,

Zerblasen ist ihr alle Wesensruh - Super! das triffts!

und wider alles, was man andres böte, - Wie bitte? Ich versteh nur "Bahnhof"! :confused:

Insgesamt stört mich da:

Zerblasen ist ihr alle Wesensruh -
und wider alles, was man andres böte -
a,a,a, .....

bläst sie des Irrsinns unentwegte Flöte - :p da kommt mir jetzt ein anderer, beliebter gedichtfaden in den sinn!

strophe zwei: wunderschön! die vielen w-wörter gefallen mir hier.

Was übrigbleibt, urin- und schweißdurchnässt

muss das sein?
was hat wahnsinn mit inkontinenz zu tun?

der rest, sauber fortgeführt, lässt ein gänsehautgruseln über den rücken
wandern...:eek:


einfach ein wahnsinn, das gedicht!
lg, larin

Erich Kykal 17.07.2012 11:00

Hi, Thomas!

Danke für die Blumen! Zu Zeit gerinnt mir einfach alles irgendwie zu einem Sonett...warum wohl!!?;)

Hi, larin!

Auch dir sei Preis und Dank!
Zu deinen Anmerkungen:
"wider alles, was man andres böte" = gegen alles, womit man sie ablenken, zurückholen will. Ich werde aber statt des "man" ein "sich" setzen, dann wird die Aussage klarer, denke ich. Dadurch ergibt sich zwar ein Konsonantenprall (was sich), aber das nehme ich hier für eine deutlichere Aussage in Kauf.

Seltsam - die vielen "w" gefallen dir, die vielen "a" weiter oben nicht??! Ist beides Teil einer möglichst fließenden Sprachmelodie.

Ja, das mit dem Urin muss sein. Ich war selbst ab und zu im Irrenhaus - obwohl man es heute anders nennt - vom Roten Kreuz aus oder als Besucher (Schulexkursion vor 30 Jahren und zu Besuch bei meiner dementen Tante), und es roch immer sehr intensiv danach. Manche "Gäste" tragen ständig Windeln - und nicht nur die Dementen!
Offenbar ist das eine Art zu rebellieren oder die Welt zu bestrafen. Oder es ist manchen in ihrem Zustand schlicht egal. Natürlich machen das nicht alle, aber jedenfalls gehört es in meinem Kopf zum Irresein irgendwie dazu.
Sei froh - ursprünglich stand in dieser Zeile: "urin- und kotdurchnässt"! :p;)

LG, eKy

a.c.larin 17.07.2012 13:36

hi erich,

den background, aus dem heraus du dein sonett gechrieben hast, kannte ich natürlich nicht.

Zitat:

Ich war selbst ab und zu im Irrenhaus
zum glück nur besuchsweise! :p

Zitat:

es roch immer sehr intensiv ....Offenbar ist das eine Art zu rebellieren oder die Welt zu bestrafen.
da könnte was dran sein! :rolleyes:
mein kater, der seit wochen einen kragen tragen muss, damit sein lädiertes ohr verheilt, uriniert seit geraumer zeit auf die badezimmermatten!
offenbar rächt er sich so für die "freiheitsberaubung" zu seinem eigenen schutz!

ich weiß auch nicht, weswegen mir die vielen "a"s nicht so zusagen - möglicherweise, weil ich selber genug davon im namen habe? :confused:
aber mit "sich" ist die stelle merklich gemildert. :)

"urin- und kotdurchnässt" hingegen klänge für mich sogar logischer, weil es auf einer ebene der ausscheidung ist.

eines muss man noch dazu sagen: die behandlung geisteskranker menschen hat sich in den letzten dreißig jahren doch sehr gewandelt.(zum glück!)
generell wird heutzutage auch das psychische leiden als leiden anerkannt - die heutige gesellschaft ist offener für diese themen geworden.
in den sechzigern war das noch so gut wie totgeschwiegen und sehr stigmatisiert.

kleine und große "verrückungen" sind etwas sehr alltägliches -es lohnt sich allemal, dem spinner, den man selber in sich trägt, auf die schliche zu kommen!
dabei hat mir hat mein "kleiner taschentherapeut" schon sehr oft geholfen! :)

das leben ist irre - möge es irre gut werden!
lg, larin

Erich Kykal 17.07.2012 14:19

Hi, larin!

Habe die Urinstelle ersetzt. Was hältst du davon?

LG, eKy

a.c.larin 17.07.2012 16:06

viiiiiel besser!

entseelt und schweißdurchnässt - einfach super!

was hieltest du denn von dieser zeile zwo:

....und wider alles, das sich ihr noch böte (dieses "andres" spießt sich mir für mic immer noch ein wenig)

bin neugierig, obs dir mundet....

lg, larin

Erich Kykal 17.07.2012 19:36

Auch hier glaube ich das perfekte Wort gefunden zu haben.

Was denkst du? Noch'n "w"-Wort....:p:D

LG, eKy

a.c.larin 18.07.2012 08:40

hi erich,
ja, "weiter" klingt gut,("sonst noch" wär auch möglich, aber das klingt wahrscheinlich zu profan)
ich schlage vor, dazwischen ein "das" einzubauen.
allzu viele "w"'s überladen die zeile - und dann denkt man, das ganze wäre ein spaßgedicht.

und wider alles, das sich weiter böte,

was denkst du?

lg, larin

Erich Kykal 18.07.2012 11:18

Hi, ll (=liebe larin)!

Mir geht es immer auch um einen möglichst obstruktionsfreien Vortrag, und da gewinnt das "was". Und mit diesen 3 "w"s finde ich die Zeile akkustisch genau richtig, nicht überladen. Mehr sollten es aber wirklich nicht sein!:rolleyes:
Die Gefahr, dass man das für "lustig gemeint" hält, ergibt sich kaum, da der Leser hier primär auf den Sinnfaden achtet, weniger auf die Klangkomponenten der Sprache. Und beim Vortrag sollten Stimmlage und Mienenspiel ausreichen, um dem Hörer die Deutung zu erleichtern.:)

Vielen Dank für deine anregenden Gedanken!

LG, eKy


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