Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 15.02.2013 15:54

Pensioniert!
 
Er schlurft in grauen Socken durch den Tag,
als wohnte er nicht wirklich in der Welt.
Man hat ihn pensioniert und kaltgestellt.
Es ist wie Kastration mit Zahnbelag,

so denkt er im Gefängnis seiner Wände.
Wozu er atmet, weiß er nicht zu sagen,
er lässt sich blind und taub ins Leben ragen
und wäscht sich einmal wöchentlich die Hände.

Das heiße Leben ist nun ausgekühlt,
er wurde abgehakt und ausgeschieden,
von einer neuen Strömung fortgespült.

Von allem, was Bedeutung hat, hienieden
verachtet, abgeurteilt und gemieden -
von Selbstbedauern einzig aufgewühlt.

Erich Kykal 16.02.2013 10:51

Hi, Lipiwig!

Danke für das Lob, indes, es ist weitgehend unverdient. Ich schrieb dies mehr oder weniger "vor mich hin", sozusagen als Dreingabe zum Gedicht über den Abend im entlegensten Mühlviertel.
Nach jenem hatte ich nämlich noch etwas poetischen "Drang" übrig...
Was du so trefflich analysiert hast, ist rein zufällig - oder zumindest bloß intuitiv - so entstanden. Nach solchen Maßgaben "konstruiert" ist praktisch keins meiner Gedichte.
Beim Schreiben achte ich bloß auf Reimschema und Heber pro Zeile. Die männlichen/weiblichen Kadenzen beispielsweise sind schon Zufallsprodukt, oder meinem intuitiven Rhythmusgefühl zu verdanken. Bewusst so gesetzt habe ich sie jedenfalls nicht.

Die Botschaft hast du jedenfalls richtig erfasst: Ein frisch Pensionierter, der (noch?) keine neue Richtung für sein Restleben gefunden hat und quasi durchhängt. Manche empfinden ihren Ruhestand als verfrüht oder demütigend (ICH hingegen kann's kaum erwarten...falls ich es erlebe!), vor allem, wenn sie ihren ganzen Selbstwert über Beruf und Karriere definiert haben!

Vielen Dank für deine Gedanken - man lernt nie aus!:)

LG, eKy

Dana 09.03.2013 17:38

Lieber eKy,

ich kenne jene, wenn auch nur vereinzelt. Sie selbst sprechen vom "schwarzen Loch" in das sie fallen. Als ob sie aufhören zu existieren.:(

Dein Sonett zeigt es in drastischen Bildern, die der Wirklichkeit sehr nahe stehen.

Wie du, kann ich meine "Kaltstellung" kaum abwarten.;) Ich bilde mir ein, mit mir gut auszukommen. Die 6 Stunden mehr, die ich dann habe, werde ich gut gebrauchen können, denn ein wenig langsamer bin ich schon geworden.

Trotz echtem Mitgefühl für die "sichtlich Betroffenen" hoffe ich, dass solche Situationen nur vorübergehend sind - bis man darin ein eigenes "Neuland" entdeckt.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass diese "Traurigkeit" aufrütteln kann, wenn sie von Betroffenen gelesen wird. Das Leben definiert sich nicht einzig über den Beruf - im Gegenteil. Angenommen, wir müssten nicht, täten wir doch endlich das, was wir können.:D

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 09.03.2013 21:02

Hi, Dana!

Solches passiert vor allem jenen, die sich über die Meinung anderer bezüglich Karriere, Männlichkeit und Dynamik identifizieren - oder die ihr selbstverliebtes Selbstbild nur im "Machertum" bestätigt sehen.
Mangels anderer Talente oder Neigungen, die sie immer ignorierten und/oder verkümmern ließen, stürzen sie dann in besagtes Loch...

Ich kann mit jenen nicht so wirklich Mitleid haben. Selbstverordnete Depression!

LG, eKy


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