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Sufnus 27.02.2018 11:14

Spur und Vermächtnis
 
Spur und Vermächtnis

Wir stehen erstarrt am Ufer,
Stimme im heiligen Sang,
mittellose Rufer,
seit die Lyra zersprang.

Und auf dem Spiegel zerkrausen
Wellen, Idol und Poet,
doch wird, zwischen Steigen und Pausen,
nochmals die Lichtspur beredt:

Fernüber wird immer, was schön ist, bestehn,
zwar nicht in gerahmten Bildern,
jedoch in der Klage, im Schildern.

Wir gleichen, im höheren Sinne besehn,
den Pollen, die golden im Windhauch verwehn.

Chavali 27.02.2018 12:46

Hallo Sufnus,

das ist irgendwie melancholisch und gerade deshalb besonders schön.
Obwohl die Zeilenlängen unterschiedlich sind, lässt es sich ganz wunderbar lesen, laut lesen.
Dann kommt erst Wirkung und die Aussage so richtig zur Geltung.

Ja, was bleibt von uns, wenn wir mal nicht mehr da sind - ein unendliches Thema und vielfach verdichtet.
Du aber hast es hier geschafft, neue Wendungen zu kreieren und neue Töne zu erzeugen.

(hinter Pollen noch ein Komma)

Sehr gern gelesen und toll gefunden!

LG Chavali

Sufnus 27.02.2018 13:20

Ganz lieben Dank, Chavali! :) Kommafehler ist behoben... dankeschön auch dafür!

Man kann die Dreiheber (Anaklasis bei mittellos - Erich wird es hassen :o) in den beiden Quartetten übrigens auch zu Sechshebern mit Mittelzäsur zusammengefasst lesen, so dass sich der Wechsel im Auftakt auflöst.

Nur das "mittellos" soll sich - in grausamer Absicht - gegen ein unproblematisches Durchlesen sperren ;)

Und formal handelt es sich um ein verletztes Sonett, dem eine Zeile abhanden gekommen ist.

Eisenvorhang 27.02.2018 13:24

Ich finde es genial!

vlg

EV

Sufnus 27.02.2018 13:50

Zuviel der Ehre, EV, aber vielen Dank!!! :)

.... und neugierigerweise: hört evtl. jemand heraus, welcher Titel eines Gedichtbandes bzw. welche Zeile aus einem rel. bekannten Gedicht im Titel anklingt?

Eisenvorhang 27.02.2018 13:56

Goethe - Vermächtnis :P

vlg

EV

Erich Kykal 27.02.2018 17:34

Hi Sufnus!

Dieser Text folgt ganz seiner eigenen Melodie, die nicht unausgewogen wirkt, darum wirkt er seinen ganz eigenen Zauber, auch ohne metrisches Regulativ.

Wir stehen erstarrt am Ufer,
Stimme im heiligen Sang,
mittellose Rufer,
seit die Lyra zersprang.

Und auf dem Spiegel zerkrausen
Wellen Idol und Poet, Komma nach "Wellen".
doch wird, zwischen Steigen und Pausen,
nochmals die Lichtspur beredt:

Fernüber wird immer, was schön ist, bestehn,
zwar nicht in gerahmten Bildern,
jedoch in der Klage, im Schildern.

Wir gleichen, im höheren Sinne besehn,
den Pollen, die golden im Windhauch verwehn.


Hebungsschema: 3-3-3-3 // 3-3-3-3 // 4-3-3 // 4-4

Auftaktschema: u-b-b-b // u-b-u-u // u-u-u // u-u


Wer mag, kann gern eine Version ersinnen, bei der alles im Gleichmaß bleibt, indes, ich halte dies hier für überflüssig. Trotz erwiesener Unwucht schwingt und klingt der Text, gewichtet das Wesentliche zielsicher. Was braucht es mehr?

Sehr gern gelesen! :)

LG, eKy

Sufnus 28.02.2018 11:21

Lieber Erich,
vielen lieben Dank für Dein freundliches Lob zur textilen Melodei... aus Deinem Mund empfinde ich das als einen echten Ritterschlag (mit der flachen, nicht mit der schmalen Seite der Klinge :D )...
Und das Komma ist eingebaut... es verbessert interessanterweise auch den Sprachfluss, finde ich... :)


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