Gedichte-Eiland

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Archimedes 18.11.2010 17:33

Wehmut
 
Wie wollten wir die schnöde Welt verändern,
mit Sozialismus, ohne Heuchelei,
wir drehten an Gesellschaftsrändern,
der Kinderladen war stets auch dabei.

Bewusstseinsübungen, die brachten
die Freiheit doch so recht in Schwung,
Establishment war ständig zu verachten,
“wir schaffen das“, wir fühlten uns ja jung.

Doch leider konnten wir bald deutlich sehen,
gesellschaftlich gelang die Wende nicht:
Das bloße am Bewusstsein drehen,
es landete für manche vor Gericht.

Die Kinder haben wohl den Schaden,
der Ellenbogen-Einsatz ist ihn'n fremd,
wir fühlen uns jetzt Schuldbeladen.
Entwicklungsmöglichkeiten, ungehemmt,

die brachten nicht den steten, reifen,
gesellschaftlich bewussten, neuen Staat.
Nur Egoisten können wieder sich abgreifen,
was Solidarität geboten hat.

So träumen wir in späten Jahren
von einer bessern, lebenswerten Welt,
gerecht für jeden, Fried-erfahren
und unabhängig von dem ganzen Geld.

Galapapa 18.11.2010 19:57

Wehmut
 
Hallo Archimedes,
sehr schön gedichtet, rund und flüssig zu lesen!
Der Inhalt macht mich in der Tat wehmütig, da ich in dieser Zeit gelebt und gelernt habe und angesichts der hohen Ziele von damals, in der 60ern, stehe auch ich vor einem Scherbenhaufen, vor einem kleinen allerdings. Denn bewegt haben wir doch Einiges, glaube ich.
Mit einem zuversichtlichen Gruß!
Galapapa

Dana 22.11.2010 20:23

Lieber Archi,

ich bin froh, dass du es nicht unter "Trauer" gesetzt hast.
Weißt du warum?
Weil ich den Glauben an eine bessere, gerechtere und schöne Welt nicht aufgeben will.
Ich weiß genau, was du meinst.
Wir gehen derzeit durch eine Zeit der Angst. Angst um den Job, Sorge um die Familie - die Jungen noch mehr als wir.


Zitat:

Zitat von Archimedes
die brachten nicht den steten, reifen,
gesellschaftlich bewussten, neuen Staat.
Nur Egoisten können wieder sich abgreifen,
was Solidarität geboten hat.

Die Egoisten haben es wieder geschafft. Sie haben die "Gunst der Stunde" für sich genutzt.
So ist es eigentlich immer gewesen: Verständnis heucheln, um für sich einen Gewinn zu erzielen. Rein mathematisch geht diese aber Rechnung nie, nie auf.
Sie holt die Egoisten ein und quittiert es. Ob sie es so empfinden, sei dahin gestellt.

Ich vermisse einen Aufschrei pro Menschlichkeit und fürchte mich vor dem Tag, wo man den "Mob" wieder für alles verantwortlich macht.

Du hast eine Wehmut verdichtet, die stimmig ist und die (unsere) Kinder nicht anprangert. Das macht dein Gedicht wahrlich wehmütig, aber nicht ausweglos.

Mir gefallen diese Gedanken und die Verse.
Ich glaube daran, dass man sich wieder auf Solidarität besinnen wird.
Du weißt es auch, du mit den Kreisen.;)

Liebe Grüße
Dana

Archimedes 22.11.2010 23:05

Hallo Galapapa, liebe Dana, ihr habt hier so schöne Kommentare geschrieben, die die Botschaft der Zuversicht senden. Die mag ich zwar nicht teilen, bin aber mit euch der Meinung, dass sich was ändern wird. Wir sind jetzt in der Phase des "jeder sorgt für sich, dann ist für alle gesorgt"(Kapitalismus). Der hat gut funktioniert, und seine Faszination hat hochgradige Sozialisten zu Heuchlern werden lassen. Jetzt kommen wir aber in eine Phase, da ganze Staaten in die Armut fallen und es bald nicht mehr so weiter gehen kann, da ganz Europa zum Armenhaus verfallen wird. China, Indien und Brasilien werden die Neureichen werden, da sie das Know-how, die billigen Arbeitskräfte und die Rohstoffe haben.
Mir scheint, es gibt nur die Möglichkeit, in Richtung " jeder sorgt für alle, dann ist für jeden gesorgt"(Sozialismus). Das funktioniert nur, wenn das Interesse darin besteht, die Gesamtheit voranzubringen. Dazu gehört, sich mit dem Durchschnitt zufrieden zu geben. Das dauert noch, wenn aber Europa demnächst sich wie Afrika zu den ärmeren Kontinenten zählen wird, besteht diese Chance, dass nicht Reichtum und Spaß zur Kultur des Volkes gehört, sondern Gemeinwohl und Solidarität.
Das dazu, dass ich das Gedicht nicht bei "Trauer" eingestellt habe. Die Wehmut besteht im Verpasst haben von Chancen, die sich mit Neuanfängen ergeben hätten. Aber lernt der Mensch überhaupt? Wir sind doch wieder in der gleichen Situation wie 1933: Das Volk wird insgesamt immer ärmer, was wohl wieder zu einem populistischen Volksverhetzer und -verräter führen wird. Die Frage ist eigentlich nur, welche Volksgruppe diesmal als "Juden" herhalten muss. Es ist also auch Wehmut für die Zukunft angebracht.

Ich danke euch für die geübte, besondere Solidarität
Gruß Archimedes ...der mit den wehwirklichen Kreisen


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