Gedichte-Eiland

Gedichte-Eiland (http://www.gedichte-eiland.de/index.php)
-   Ausflug in die Natur (http://www.gedichte-eiland.de/forumdisplay.php?f=11)
-   -   Der Faun erwacht (http://www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=8881)

fee 01.03.2012 12:58

Der Faun erwacht
 
Ein sanftes, laues Wehen strich vorüber,
berührte seines Herzens tiefste Kammern.
Er reckte sich und streckte seine Glieder.
Schon drang an spitzes Ohr ein zages Jammern
von Stimmen, die unendlich zart und leise
die Brust ihm dennoch schnürten, fest wie Klammern,
ihn nicht mehr fliehn zu lassen jene Weise,
die sang das Klagelied der Eisbedeckten
zum hellen Trillerton der muntren Meise.
Ihm folgend fand er die Emporgereckten,
nahm letzten Schnee mit zarter Hand von ihnen,
nun Sonnenlicht-beschienenen Erweckten.






.fee ´12

Falderwald 02.03.2012 19:42

Servus fee,

das ist schön, das gefällt mir sehr.

Dein Protagonist erfährt den sich nahenden Frühling hautnah. Er erfährt ihn als elegische Melodie, die ihn hinauszieht.
Dort findet er die ersten Frühlingsblüher, die Vorboten des Lenzes, emporgereckt und befreit ihre Blüten von den letzten Schnee- und Eisresten.

Man ist fast versucht zu sagen, eine sehr zärtliche Szene entwickelt sich hier zwischen Mensch und Pflänzchen.

Schöne Bilder...:)

Auch der dreifach wiederkehrende Klammerreim (Ausnahme "ihnen" in der vorletzten Zeile) erzielt seine Wirkung, ähnlich wie in einer Stanze.


Gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

fee 02.03.2012 20:43

Zitat:

Zitat von Falderwald (Beitrag 60601)

das ist schön, das gefällt mir sehr.

...
Man ist fast versucht zu sagen, eine sehr zärtliche Szene entwickelt sich hier zwischen Mensch und Pflänzchen.

...

Auch der dreifach wiederkehrende Klammerreim (Ausnahme "ihnen" in der vorletzten Zeile) erzielt seine Wirkung, ähnlich wie in einer Stanze.



das freut mich sehr, lieber falderwald!


danke für das feine lob!

die dreifache klammerreim-sache ist durch das reimschema der terzine begründet, die diesem gedicht zugrunde liegt.
stanzen mag ich übrigens auch aus sehr ähnlichem grund.


liebe grüße an dich


fee

Timo 03.03.2012 10:46

Liebe Fee,
du hast uns mit dem Kommen des Frühlings unsere Herzenskammern angerührt.
Nur eines verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht:
Zitat:

Schon drang an seine Ohren zages Jammern,
von Stimmen, die unendlich zart und leise
die Brust ihm dennoch schnürten, fest wie Klammern,
Wer ist er, was bedeutet zages Jammern, die Brust ihm schnürten...
Ich kann mir nur darunter vorstellen, dass der Winter nicht fliehen will und er zaghaft jammert und die Brust geschnürt ist mit festen Klammern ...
Unter Emporgereckten meinst du sicherlich die Zweige, die befreit wurden von der Last des Schnees.
Du hast manches unausgesprochen, deshalb interessiert mich der Zusammenhang.
Liebe Grüße
Timo

Thomas 03.03.2012 10:56

Liebe Fee,

gerade habe ich gesehen, dass aus den Ästen Weidekätzchen quellen und aus dem Boden kleine weiße Blütenköpfchen hervorgeklingelt kommen. Die hat bestimmt dein Faun befreit! Zwei Kleinigkeiten könnte man vielleicht an dem schönen Gedicht noch verbessern. Die erste Terzine beginnt mit einer Assonanz (auf nur verwandte Vokale Ü und I), während der Rest alles reine Reime sind; ich wünscht fast, sie wären es nicht, da ich nicht sehe, wie man den Beginn des Gedichtes besser machen kann. Und zweitens denke ich, dass in der vierten Zeile 'Ohr' schöner klingen würde, als die etwas prosaischen 'Ohren' es tun, das wäre leicht zu ändern, wenn du es wolltest. Übrigens glaube ich, dass du die Form der Terzine für dieses Thema gewählt hast, weil sie (im Gegensatz zur Stanze) ein zum Inhalt des Gedichtes so schön passendes offenes Ende hat.

Liebe Grüße
Thomas

fee 03.03.2012 13:34

lieber timo,

du fragst
Zitat:

Wer ist er, was bedeutet zages Jammern, die Brust ihm schnürten...
Ich kann mir nur darunter vorstellen, dass der Winter nicht fliehen will und er zaghaft jammert und die Brust geschnürt ist mit festen Klammern ...
Unter Emporgereckten meinst du sicherlich die Zweige, die befreit wurden von der Last des Schnees.
das zage jammern stammt von den krokussen und anderen ersten blühern, die jetzt schon versuchen, durch die schneedecken-reste an die sonne zu gelangen. und das jammern ist so drängend, dass der faun sich ihm gar nicht entziehen kann - es also nicht fliehen kann (eine etwas altmodische art, das zu formulieren) - , weil es ihn so bedrückt (= die brust ihm schnürt, also eng macht vor kummer).


lieber thomas,

in irgendeiner der ersten versionen hatte ich tatsächlich das singuläre "ohr" drin. ich glaube, ich habe es dann wegen einer wortwiederholung, die ich ersetzen musste, auf ohren umschreiben müssen. ich gebe dir aber recht - ich werde versuchen, die ohr-version wiederherzustellen (ohne wortwiederholung). die ist wirklich schöner - man sollte seine ersten impulse eben nicht leichtfertig aufgeben, nur, weil man an einer anderen ecke noch etwas verbessern wollte....

hm. hab ich die terzine deshalb gewählt? bei genauerer überlegung muss ich gestehen: ich wollte ein frühlingsgedicht schreiben - aber einmal in einer von mir noch nicht erprobten form. ich habe dabei auch über terzinen gelesen und die form hat mich zum text (wenn auch nicht zum übergeordneten thema frühling) inspiriert. nicht umgekehrt. :rolleyes:

wenn du es als stimmig empfindest und mir diesen grund nennst, habe ich grade wieder etwas dazugelernt. danke!!!! :)


euch beiden liebe fast-frühlings-grüße


fee

a.c.larin 04.03.2012 09:34

hallo fee,

das ist ein ganz zartes, fein gesponnenes frühlingsgedicht!
gefällt mir auch gut.
an einer stelle würde ich aber die interpunktion ändern (damit der leser und/ oder zuhörer) ein wenig raum hat, das vernommene einzuordnen.

ihn nicht mehr fliehn zu lassen jene Weise:
Es sang das Klagelied der Eisbedeckten
zum hellen Trillerton der bunten Meise!

(Warum nicht die Überraschung durch ein Rufezeichen noch deutlicher zur Geltung bringen?)

für die letzen beiden zeilen wäre eine variante möglich:

nahm letzten Schnee mit zarter Hand von jenen
nun Sonnenlicht-beschienenen Erweckten.

frühlingshungrige grüße,
larin

fee 04.03.2012 09:58

lieben dank für lob und anregungen, liebe larin!


"Es" finde ich keinen sehr schönen anfang und hier ist ohnehin schon die ganze sprache so verschnörkelt - da kommt es darauf auch nicht mehr an.
und "jenen" wäre zwar deutlicher für die lesbarkeit, aber ist kein schönes zeilenende. (ich weiß, ich bin kompliziert :rolleyes: ).
also das ihnen und der satzbau als ellipse.

dabei würde ich diesmal gerne bleiben.

dir einen schönen sonntag!


fee


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 10:29 Uhr.

Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg