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Alt 20.02.2017, 17:19   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Fee!

Du weißt, wie ich zur Alles-klein-Schreibung so stehe. Falls du dich nicht erinnerst: Ich halte sie für einen Born unnötiger Verwirrung und Leseerschwernis.

Gleichwie, es sind auch noch ein paar andere kleine Schnitzerchen zu monieren:

die jahre sitzen ihm in allen knochen Komma am Ende.
nur langsam schlurft er durch das atelier
zur küche um sich schwarzen tee zu kochen Komma nach "Küche" und am Ende.
und manchmal (für den kreislauf) auch kaffee Punkt.

(Solltest du das Argument anführen wollen, du hättest die Satzzeichen mit Bedacht weggelassen, so verweise ich gern auf S5Z1/Z3 und S6Z2, wo du sie durchaus verwendest. Inkonsequent! )
Den Rest des Gedichtes erspare ich mir die Satzzeichenkorrektur - es sei nur gesagt, dass es sich mit Satzzeichen erheblich leichter lesen und korrekt betonen ließe, weil man manche Bezüge gleich besser versteht. - Aber warum das Publikum NUR mit Kleinschreibung verwirren, wenn es noch erheblich besser geht ...

beim gießen mit der kanne zittern finger
die knöchel an der hand sind dick und rot
und er verflucht sie, diese unbrauchbaren dinger Die Zeile ist einen Heber zu lang. Ich rate, das "unbrauchbaren" durch "plumpen", "derben", "kruden", "klammen", "krummen" usw... zu ersetzen.
den pinsel halten sie mit müh und not

der tee - er gießt ihn halb nur in die tasse
der rest davon ergießt sich auf papier Wäre hier "aufs" nicht passender? Eine Version ohne Wortwiederholung von "gießt" findest du in der "normalen" Version weiter unten.
darauf die skizze einer alten gasse Hier fehlt das Verb "ist", was missverständlich gelesen werden kann. Auch hier eine unverfängliche Version weiter unten.
schraffiert in mittelmäßiger manier

schon längst genügt nicht mehr die treue brille
die ränder seines seh'ns sind trüb verwischt Es heißt: "Sehns" - meinetwegen klein, aber ohne Apostroph !
einst sah er um sich reine farbenfülle
nun sieht er wie die welt um ihn erlischt

er fühlt wie tag für tag durch viele lücken
der leinwand seine lebenskraft entrinnt
wo früher lag in pinselstrich entzücken Unschöne Inversion! Altern.: "einst lang in seinem Pinselstrich Entzücken, // wo nun der Überlebenskampf beginnt."
spürt er wie überlebenskampf beginnt Siehe Vorzeile.

und an die wand gelehnt, die vielen bilder
für ihn zuletzt nur zeugnis von verlust
er war, doch wird nie mehr ein "Junger Wilder"
der umstand ist ihm länger schon bewusst

er würd so gerne sich noch ein mal betten "einmal" immer noch zusammen.
in farben, formen, leicht gesetzt von hand
die malerwürde will er für sich retten
mit einem streich setzt er das holz in brand


Nur mal als Frage: Was stört dich eigentlich so sehr an "normal" geschriebener Poesie? Oder denkst du, ohne gewisse künstlerisch wirkende "Extras" wären deine Werke zu unauffällig, zu durchschnittlich? Ich sage: Gute Poesie hat keine Effekte nötig. Darum auch deine nicht. Punkt.

Daher zum Vergleich:

Die Jahre sitzen ihm in allen Knochen,
nur langsam schlurft er durch das Atelier
zur Küche, um sich schwarzen Tee zu kochen,
und manchmal für den Kreislauf auch Kaffee.

Beim Gießen mit der Kanne zittern Finger,
die Knöchel an der Hand sind dick und rot,
und er verflucht sie, diese derben Dinger -
den Pinsel halten sie mit Müh und Not!

Der Tee - er gießt ihn halb nur in die Tasse,
der Rest davon verströmt sich auf Papier
und über Skizzen einer alten Gasse,
schraffiert in mittelmäßiger Manier.

Schon längst genügt nicht mehr die treue Brille,
die Ränder seines Sehns sind trüb verwischt.
Einst sah er um sich reine Farbenfülle -
nun sieht er, wie die Welt um ihn erlischt.

Er fühlt, wie Tag für Tag durch viele Lücken
der Leinwand seine Lebenskraft entrinnt!
Einst lag in seinem Pinselstrich Entzücken,
wo nun ein Überlebenskampf beginnt!

Und an die Wand gelehnt die vielen Bilder -
für ihn zuletzt nur Zeugnis von Verlust!
Er war, doch wird nie mehr ein "Junger Wilder",
der Umstand ist ihm länger schon bewusst.

Er würd so gerne sich noch einmal betten
in Farben, Formen, leicht gesetzt von Hand!
Die Malerwürde will er für sich retten -
mit einem Streich setzt er das Holz in Brand.


Ich sehe einen Maler mit Parkinson vor mir, oder mit gichtigen Fingern. Im Geiste jung geblieben, vermag sein Körper die Inspiration nicht mehr umzusetzen - wie ein Dichter mit Demenz ... (Schauder!)

Sehr gern gelesen. (Ich lese auch die Gedichte negativen Inhalts sehr gern, daher scheue ich mich nicht, diese Floskel anzuwenden. )

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (20.02.2017 um 18:19 Uhr)
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