Thema: Gegenwind
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Alt 20.12.2018, 22:45   #2
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Lieber Stefan,

vielleicht wäre es gut, wenn du an dem Text noch etwas arbeiten würdest. Die Form ist nicht optimal. Da du Reime verwendest, nehme ich an, dass es kein Prosagedicht oder freie Lyrik sein soll. Wenn dem so ist, bewegst du dich in einer Form, in der eigentlich ein Metrum erkennbar sein sollte. Die Anzahl der Hebungen in deinem Text schwankt jedoch zwischen 2 und 5 pro Zeile. Da keine regelmäßige Füllung erkennbar ist (es gibt drei trochäische Zeilen, ansonsten geht es recht munter zu) wäre eine konstante Anzahl der Hebungen wichtig (oder eben regelmäßige Füllung). Zusätzlich verstärkst du den struppigen Rhythmus ab und zu durch einen unschönen Hebungsprall ("Wind schlägt", " bleib einfach"). Weiter verstärkt wir das Stocken durch das (häufige aber nicht konsequent durchgehaltene) Verschlucken der "e" am Ende – stemm, scheiter, fall, hör, würd, wie'n. Wahrscheinlich wirst du sagen, das sei dein Stil. Aber ist es guter Stil?

Die letzte Zeile der zweiten Strophe müsste korrekt " dass Stabil- und Gefestigtsein." geschrieben werden (wie das Sein, das Nichtsein) und nach der zweiten Zeile der Strophe würde ich eine Punkt setzten.

Auch möchte ich dir raten, über die Schwierigkeit nachzudenken, gute Ich-Gedichte zu schreiben. Es ist meiner Meinung nach viel einfacher und wirkungsvoller, das "ich" außen vor zu lassen. Um anzudeuten, was ich damit meine, erinnere dich z.B. an Shakespeares König Lear, und das Unwetter, dem er ausgesetzt ist. Er beschreibt nicht in einem Monolog, was mit ihm los ist, wie seine Seele bis zum Wahnsinn zerrissen wird, was in einem Drama ja gut möglich wäre. Das Unwetter wirkt als Metapher viel stärker, als jeder Ich-Monolog, der zwangsläufig durch die Vermittlung der Sprache gemildert ist.

Schließlich solltest du noch überlegen, ob es auch ein bisschen weniger drastisch geht, ob man z.B. gleich vom Wind zu Boden gehauen werden muss, um nach Mamma zu rufen. Du bist noch jung, und in deinem Alter habe ich auch gerne mit Signalfarben gepinselt, aber die Wirkung ist nicht optimal, etwa so, wie die etwas zu starke Schminke nicht zur Verschönerung beiträgt.

Nimm das als Tipps eines alten Knackers und nicht als Kritik. Du musst deinen Stil selbst finden, aber darüber nachdenken, das wird kann schaden.

Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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