Thema: Manchmal
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Alt 01.05.2011, 18:25   #3
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo, liebe Chavali,

das Erste, was ich dachte, war: Ist das schön. Das also zur "unmittelbaren Wirkung" bzw. dem ersten Eindruck, den dein Gedicht auf mich gemacht hat.

Ich hoffe, ich liege richtig: Das Stilmittel heißt hier Anapher, oder?

Hier sorgt das "Manchmal" bei mir für eine Intensivierung des Gefühleinsdrucks, als ob der Wehmut des LyrIchs damit noch "nachgeholfen" würde. Ich bin fasziniert, dass ein im Grunde genommen eher "einfaches" Mittel eine starke Wirkung entfalten kann. Ich behalte das mal "im Hinterkopf" ...

Dass "Manchmal" in der 4. Strophe in allen vier Versen am Anfang wiederholt wird, kannte ich bisher noch nicht. Hat diese Gedichtform einen speziellen Namen?

Zitat:
Manchmal denk ich, es war gestern,
manchmal ists so lange her,
manchmal will mir Sehnsucht flüstern,
manchmal wird das Herz mir schwer.
Strophe 4 hat auf mich die emotional intensivste Wirkung. Mir wird regelrecht das eigene Herz gleich mit schwer - besonders bei "manchmal ists so lange her". Für mich sprechen Wehmut, Sehnsucht und Traurigkeit aus jeder Zeile, das LyrIch vermisst das LyrDu so sehr. Für mich entsteht der Eindruck, dass es um den Tod eines geliebten Menschen geht, dem Partner bzw. der Partnerin.

Aber ganz persönlich gefällt mir Strophe 2 am besten, mir hat es Vers 2 angetan:

Zitat:
Manchmal hör ich deine Stimme,
fragend, fordernd, leis, bestimmt,
wie ein Brausen auf den Bergen,
wie ein Hauch im Sommerwind.
Der Wechsel zeigt (symbolisch) das langjährige Auf und Ab in einer Beziehung an, vor allem einer Beziehung, die sicher lange Zeit über Bestand hatte. Es herrschte "manchmal" ein sanfter Wind, aber "manchmal" gab es wohl auch heftige Stürme.

Zitat:
Manchmal denk ich noch an dich,
wenn Lindenbäume gelblich blühn,
an Augen braun und unergründlich,
an Liebeswiesen bunt und grün.
Strophe 1 setze ich absichtlich an den "Schluss", da es hier für mich zwei Punkte gibt, die ich nicht unbedingt kritisieren, aber anmerken möchte:

Das Wort "gelblich" assoziiere ich irgendwie mit "kränklich" und "Gesichtsfarbe", geschieht ganz unbewusst, vielleicht fällt dir ein nun ja, irgendwie "blütengemäßeres" Wort ein? Das ist aber nur mein persönliches Empfinden, kann ja sein, dass es bewusst gewählt ist.

Inhaltlich komme ich beim "Bezug" von Vers 3 auf Vers 1 "durcheinander", ich musste erst ein zweites Mal lesen, um die "braunen und unergründlichen Augen" auf das "Denken" zu beziehen. Wenn ich es nochmal lese, passiert es mir wieder: Ich bekomme immer den Eindruck, dass "Lindenbäume gelblich an braunen und unergründlichen Augen blühn" - verstehst du, was ich sagen möchte? Irgendwie habe ich den Gedanken, dass Vers 2 an die Stelle von Vers 3 gehört, was reimtechnisch natürlich nicht geht ...

Aber ansonsten gefällt es mir wunderbar. Ich werde hier noch zur Romantikerin, wenn das so weitergeht.

Sehr gerne gelesen - trotz Heuschnupfen. (Ja, Lindenblüten und Brennesseln auch.)

Liebe Grüße

Stimme der Zeit
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