Thema: Dieser Tag
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Alt 19.11.2011, 17:57   #1
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Standard Dieser Tag

Dieser Tag

Wird nun dieser Tag so ein Tag gleich den anderen Tagen,
dringt die Erinnerung ein, lähmt mich mit eiserner Hand?
Wie viele Träume, wie viele Wünsche begrabe ich heute,
machtlos gefangen im Sein, fern jeder Ahnung von Glück?
Oftmals verschenkte ich Liebe, erlaubte dem Herzen zu singen;
Lieder, so hoffnungserfüllt, Klänge mit freudigem Schall.
Harmonien der Zukunft, sie ließen das Gestern entschwinden,
trugen mein Selbst hoch empor, schenkten mir grenzenlos Kraft,
all das Verlorene, all das Vergangene, jedes Verhängnis,
jeden Betrug und Verlust von mir zu weisen, bereit
stolz zu blühen wie eine Blume, als Wunder im Winter.
Nur: Die Blüte war kurz, bald schon dahin und besiegt
von den eisigen Händen des Frostes, verwelkt und erfroren.
Ist er illusionär, nur ein gedankliches Spiel,
dieser Glaube an dich, an jemanden, den ich nicht kenne?
Bist mir noch unbekannt, gleichzeitig bestens vertraut.
Kommst du zu mir, an irgendeinem der endlosen Tage
in der grausamen Welt, die kein Erbarmen besitzt?
Heute gewonnen und morgen zerronnen, so lauten die Worte
einer Wahrheit, die nahm, kaum dass ich etwas besaß.
Ach, du herzlose Welt, gestatte mir endlich das Leben!
Ich bin es müde, allein, müde, begraben zu sein!
Wo ist die Göttin des Glücks? Hat Fortuna mich einfach vergessen?
Neigt dieses Wesen zu Neid? China berichtet davon,
dass sie die Kinder mit Namen wie Ratte und Käfer benennen,
um zu verhindern, dass sonst einer der Götter sie raubt.
Künftig, da werde ich Freude verbergen, Fortuna belügen;
ihre verschlagene Macht brechen, die Liebe wird mein!
Dieser Tag ist der erste der neuen Reihe von Tagen,
denn ich begrabe die Furcht: Schicksal, du bist schon besiegt,
suche dir andere Opfer, ich bin bereit, hart zu kämpfen;
jetzt ist mein Wille Gesetz, notfalls gebrauch ich Gewalt!*

*der letzte Vers ist eine Variante einer Zeile aus Johann Wolfgang von Goethes Ballade vom "Erlkönig", Zitat: "Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt." (7. Strophe, Vers 2)
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