Thema: Im Sterben
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Alt 05.01.2012, 10:11   #3
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asphaltwaldwesen
 
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Zitat:
Zitat von Erich Kykal Beitrag anzeigen
dass niemand an ihnen erblinde
im dunkel verträumten Gemach.
Ein letztes Zerstreuen von Sonne
erhebt meinen atmenden Geist:
Ach, Leben! Im Sterben ist Wonne,
von welcher du kaum etwas weißt!

servus erich,

ich lese den text etwas anders als stimme, kann aber, wenn ich die letzten sechs zeilen für sich allein stehend und in ihrer abschließenden wirkung lese, verstehen, was stimme dabei als eine art "verklärung" empfinden mag, die ihr mit dem sterben nicht zusammengehen will.

ich kann aus eigener erfahrung - nicht beim sterben, aber als zeugin - sagen, dass ich beides kenne: sterbende, die den übertritt fürchten und trotz lebenswidrigster befindlichkeit nicht gehen können. und sterbende, die - wie im gedicht beschrieben - zufrieden und lächelnd diesen schritt tun. hätt ich es nicht erlebt, ich würde wohl ähnlich empfinden wie stimme. für mich war aber gerade das erleben von letzterem etwas, für das ich sehr dankbar bin.

die wonne ist auch mir etwas zu "aktiv" klingend für das gemeinte. ich lese es aber als verklärung. und zwar die verklärung von uns lebenden, die wir wohl erst im letzten moment wissen werden, wie wir selbst über diese schwelle gehen können oder wollen.

dass das leben vom sterben nichts weiß, weil man als lebender eben nur ahnen kann und doch so gerne wissen würde (und zu einem unbewussten teil auch wieder nicht wissen möchte), halte ich für die wichtigste aussage im text. ob die wonne da wunschbild ist, an das so gern geglaubt werden will? warum nicht!

ich behaupte, hier im gedicht ist die stimme des lyrICH nur das vehikel und das, was zwischen den zeilen ausgesagt wird, ist das eigentlich spannende. ob das nun so beabsichtigt war, wage ich nicht zu beurteilen.

ein erfüllendes glücksmoment wie das, das die erste strophe darstellt, ist, weswegen wir gerne auf erden weilen. in solchen momenten wünscht man sich, sie dauerten ewig. ich lese darin das glück, sich mit der natur eins zu fühlen angesichts solcher schauspiele und momente.

sterben ist auch teil der natur. und - hätt ich es nicht gesehen - ich wüsste nicht, dass man sich auch darin eins fühlen kann mit dem großen ganzen und allem, was dazugehört. ich weiß - meine tante war ein sehr willensstarker und zugleich sensibler mensch, der sich sein glück sehr bewusst aufzeigen und erarbeiten musste. vermutlich war das der grund, warum sie "mit dem universum versöhnt" gehen konnte und dabei fröhlich sein. ein wenig davon lese ich hier im gedicht.

wonne - wie gesagt - hätte auch ich es nicht genannt. doch es war definitiv ein "eins-werden", ohne jegliche angst oder bedauern. doch ich wüsste kein anderes wort, wenn ich ehrlich bin.

ich persönlich finde, dass das "verträumte" nicht stimmig ist. wer dem tod entgegengeht, ist alles andere als verträumt. er ist sowas von gegenwärtig und nimmt messerscharf wahr, was abläuft. nie ist die sicht auf die welt und die dinge klarer.

außer er ist von opiaten ohnehin schon völlig aus dem diesseits geholt und dämmert nur noch vor sich hin. etwas dazwischen gibt es nicht. ich würde also diese stelle ändern. dann wär es für mich ein in sich stimmiges gedicht und die "wonne" wäre gemildert und nur noch auf das eine, allerletzte "tun" bezogen. auf diesen einen schritt - ins licht. denn DAS beschreibt der text nämlich. die lichtbringenden regentropfen sind nur dessen vorboten.


gern gelesen, denn der text hat etwas in mir berührt und mich erinnert.


lieber gruß

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