Thema: Gleichnis
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Alt 02.09.2012, 17:49   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Faldi!

Danke für deinen ausführlichen Kommi, der mir aus der Seele spricht! Ich möchte nur hinzufügen, dass dieses Gleichnis ebenso für alle restriktiven oder totalitären politischen Systeme gilt, denn die folgen in etwa denselben Grundzügen wie radikalisierte Religionen.

In einem anderen Forum (grün!) sagte ich meine freie Meinung über Religionen in einem Faden zu einem quasireligiösen Gedicht. Man unterstellte mir andeutungsweise - im Brustton der Überzeugung demokratischer Toleranz - diesbezüglich ebensolchen Fanatismus wie beispielsweise radikalen Moslems. Darob musste ich dieses Gedichtlein schreiben! Es mag keine lyrische Großtat sein, aber es hat einfach nur gut getan!

Im grünen Forum äußerte ich meine Ansichten zum Thema Religion, worauf man mir ebenfalls Fanatismus unterstellte. Ich solle doch lieber schweigen, wenn ich nichts Gutes zu sagen wüsste. Abgesehen davon, dass so eine übertolerante, betont demokratische Einstellung von den Irren dieser Welt bestenfalls als ausnützbare Schwäche ausgelegt wird (genau so ein "Schweigen" machte einen Hitler groß!), hat man in einem freien Land das Recht, frei seine Meinung zu äußern, auch wenn sie manchen nicht gefällt. Die Radikalen dieser Erde haben damit KEIN Problem, und niemand käme auf die Idee, sie diesbezüglich maßregeln zu wollen - man weiß, die "sind einfach so". Aber wenn man als "Vernünftiger" mal das Maul aufmacht, wird man sofort in dieselbe Ecke gestellt und gerügt. Wie in der Schule: Jeder macht "PSSST" zum einzigen Unkonformen, um den wütenden Lehrer nicht noch mehr zu verärgern...

Dieses Gedicht ist NICHT verallgemeinernd. Es richtet sich zielgenau gegen Verhetzer und Manipulatoren, sei es in religiöser oder politischer Hinsicht, und gegen ein falsch verstandenes, übervorsichtiges Toleranzprinzip, das jegliche abstruse Dummheit und jede Lüge als "andere Meinung" oder "anderen kulturellen Hintergrund" akzeptiert, um nur ja auf keine (oft bewusst untergeschobenen) Zehen zu treten! Ich finde das FALSCH! Was eindeutig unrichtig ist und den Menschen schadet, sie im Namen von hirnloser Tradition oder sturem Beharren auf überkommenden Vorstellungen zurückwirft ins unfreie Mittelalter oder sie durch Furcht und Einschüchterung davon zu überzeugen sucht, MUSS angeprangert, zumindest aber ausgesprochen werden dürfen. Kennst du Dürrenmatt's "Biedermann und die Brandstifter"?

Das Problem liegt darin, dass menschliche Gemeinschaften sich meist genau darüber definieren: "Wir sind, was wir glauben, und deshalb sind "die anderen" nicht wir."
Nennt es Tradition, Kultur, Glaube, Regierungssystem - letztlich dient all das nur dem Zusammenhalt eines wie auch immer funktionierenden Systems, das sich über seine Geschichte und Vergangenheit in eine mögliche Zukunft seines Weiterbestehens projiziert.
Wer kommt und sagt: "Dies ist falsch, ist es immer gewesen und wird es immer sein!" rüttelt also an den Grundfesten jeglicher Gemeinschaft, stellt ihre Identität in Frage. Vielen macht dies große Angst - sie wollen (selbst wenn sie es als Einzelne irgendwie wissen oder zumindest ahnen, dass sie einem Blödsinn glauben) lieber gemeinschaftlich einer Lüge folgen, die sie wenigstens verbindet, als allein nach einer objektiveren Weltsicht suchen zu müssen.
Die Menschheit als solche suchte nie wirklich nach Objektivität - nur nach Sicherheit! Und alles, was uns sicherer fühlen lässt, wird gern als "Wahrheit" akzeptiert und über die Generationen weitergetragen, der Beständigkeit, Sicherheit wegen, die es vermittelt.
Darum ändern sich diese Dinge nur sehr langsam, und nur durch mehrheitliche Einsicht, nie durch gewaltsame Revolution:
Beispiel UDSSR: Dort war Religion Jahrzehnte verpönt, man versuchte, die Jugend anderweitig zu indoktrinieren, wetterte wider diese überkommenen Inhalte und versuchte sie durch den Glauben an den Kommunismus zu ersetzen. Hat es funktioniert? Nein.
Kaum war das aufgezwungene System zusammengebrochen, blühten die orthodoxen Klöster und Kirchen wieder auf.
Dass überhaupt manche heutzutage so denken können wir wir (zumindest ansatzweise) freien Geister, verdanken wir Jahrhunderten der Aufklärung und der geduldigen, logischen Widerlegung erwiesener Irrtümer durch fundierte Erklärung und Diskussion. Es ist ein mühsamer, steiniger Weg, aber der einzig gangbare.
Deshalb werde ich nie müde werden, meine Ansicht zum Besten zu geben: Wenn nur EINER, der dies liest, die selbstgewählten engen Grenzen seines Weltbildes hinterfragt, habe ich mir die Mühe schon nicht umsonst gemacht! Aber das kann dauern...



LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
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Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (02.09.2012 um 18:06 Uhr)
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