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Alt 03.02.2013, 13:23   #13
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo Dana,

ich kenne dich ja nur durch deine Gedichte (was heißt "nur") und Kommentare, aber ich glaube du bist einer der glücklichen Menschen, die sich bei der Beurteilung von Lyrik ganz auf ihr Gefühl verlassen können, und dann schärfer urteilen können, als andere mithilfe eines wissenschaftlichen Apparates. Deine Behauptung: "Lyrik wird vom Einzelnen 'erschaffen' und sucht die Berührung." (des Andern) unterstreiche ich voll und ganz. Das ist wichtig und muss bei allem Suchen nach begrifflicher Klärung Grundlagen sein.

Liebe Grüße
Thomas



Hallo marzipania,

natürlich gibt es "ein Leben nach Goethe", warum ich mich in dieser Frage auf Goethe beziehe, werde ich dir später noch genauer erklären, ich dachte halt es sei klar.

Auch wenn ich die These etwas leichtfertig als Ergänzung zu einem anderen Kommentar eingestellt habe, so ist der Text schon Resultat einigen Nachdenkens. Und diese bräuchte ich nicht zu tun, wenn es mir darum ging Neues auszugrenzen. Aber leider ist Neues, nur weil es Neues ist, nicht automatisch gut und richtig.

Vor allem lässt sich wirklich Neue und Gutes ohne klare Begriffe und Definitionen gar nicht als solches erkennen.

Es lohnt sich also schon, Gedanken zu machen, wenn man Neuem offen gegenübertreten will, oder sogar etwas beitragen will.

Deinen Glauben an die Literaturwissenschaft möchte ich dir nicht rauben, aber ich bin sicher, dass ich einen Großteil der vielen Definitionen, von denen du sprichst kenne, nicht nur kenne, sondern auch darüber nachgedacht haben. Leider ist da (für die Beurteilung von Neuem) kaum etwas brauchbares dabei. Die letzte in sich kohärente und brauchbare Definition, die einen positiven Begriff von Lyrik liefert stammt (meines Wissens) die von Bernhard Asmuth. Viele der gängigen Definitionen sind von der Art, auf die ich im Kommentar an Falderwald mit der Bemerkung anspielte: "Gesundheit wird als Abwesenheit von Krankheit definiert", d.h. sie sind nicht in der Lage einen Begriff von Lyrik zu geben. Aber das sind noch die besseren, viele der literaturwissenschaftlich veröffentlichten Definitionen von Lyrik sind inkohärent und in sich widersprüchlich. Nur deshalb sah ich mich als denkender Mensch seit einiger Zeit überhaupt veranlasst, selbst eine Definition zu versuchen. Die Diskussion darüber, ob die brauchbar ist, und wie sie verbessert werden kann, ist für mich sehr interessant.

Leider gehst du darauf gar nicht ein. Dafür lieferst du selbst einen Vorschlag, auf den ich gerne eingehe, auch, weil ich hoffen, dass du dich dann ein wenig mehr mit meinen Gedanken auseinandersetzt.

Deine drei Aussagen sind:

"- Das Gedicht ist ein Verstext"
"- Es ist ein lyrisches Gebilde"
"- und es zeigt poetische Sprache"

Du hast Recht, darauf können wir uns einigen. Und was dann?

Die erste Aussage hängt davon ab, was du unter den Begriff "Vers" verstehst. Meinst du es wirklich im ursprünglichen Sinne des Wortes als Kehre? Dann wären nur sehr wenige der neueren Text Lyrik. Meinst du es im übertragen Sinn, dass man z.B. auch Aufgesang und Abgesang darunter verstehen kann? Oder was müsste man unter Vers verstehen, damit z.B. Goethes (schon wieder der) Prometheus unter Lyrik fällt (was er wohl sollte)? Oder entstehen Verse einfach dadurch, dass jemand Text umbrochen schreibt? Da würde ich widersprechen, das hieße "Lyrik ist, wenn einer sagt: Das ist Lyrik!" So etwas ist eine Null-Definition.

Um derartige Probleme zu vermeiden, habe ich es in meinem Definitionsversuch vermieden Begriffe wie Vers, Reim, Metrum etc. zu verwenden, sondern die besondere Verwendung von Sprachelementen hervorgehoben, Sprachelemente, die es auch in der Prosa gibt, deren besondere Verwendung sich aber unterschiedet. Auf dieser Basis kann man dann Vers, Reim, Metrum etc. genauer definieren und immer wieder kontrollieren, ob die Begriffe stimmig und passend bleiben.

Die zweite Aussage ist eine Tautologie: Lyrik ist eine lyrisches Gebilde. Kein Widerspruch ist möglich, aber als Aussage ist leider nutzlos.

Die dritte Aussage ist garantiert auch wahr, da Poesie der zu Lyrik gehörende Oberbegriff ist, ist alles lyrische poetisch. Kein Widerspruch ist möglich, aber als Aussage ist leider nutzlos.

Nochmals zu Goethe. Warum beziehe ich mich auf seine Definition? Nicht weil ich in die alte Zeit zurück möchte, sondern weil er, soweit ich erkennen kann, die letzte kohärente Definition gegeben hat (das habe ich hier und im LyrikChat versucht, nach bestem Wissen und Gewissen darzustellen). Ich habe ja erwähnt, dass sich der Begriff Lyrik in der Geschichte verändert hat. Die jeweiligen Definitionen waren eingebrette in ein in der jeweiligen Zeit stimmiges Konzept der Poesie. Mir ist es egal, ob man die Poesie in 3 Hauptgruppen unterteilt oder zufällig, wie den Regenbogen, in sieben, aber die Begriffe müssen eine zusammenstimmende Gesamtheit ergeben. Wenn du mir so etwas nach Goethe zeigts, bin ich der erste, der es übernimmt. Mir selbst ist bisher übrigens auch noch nichts Besseres eingefallen.

Deine Schlussbemerkung, warum du Lyrik liebst, finde ich nett und erfreulich. Vielleicht würde ich sagen, ich liebe gute Lyrik in ihrer Vielseitigkeit. Vielleicht verrate ich dir auch noch, dass ich einige Schlagertexte, wie z.B. "Spidersweb" für sehr gut Lyrik halte (um mich nicht ganz unmöglich zu machen, erwähne ich jetzt keinen Titel von Bläckföös, aber da sind auch sehr gute darunter). Jedenfalls würde es mich freuen, wenn du versuchen würdest etwas genauer herauszufinden, was den Spinner Thomas da so umtreibt.

Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller

Geändert von Thomas (03.02.2013 um 14:34 Uhr)
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