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Alt 20.06.2014, 10:25   #1
Friedhelm Götz
Schüttelgreis
 
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Standard Der Tatzelwurm im Watzelturm - Szenische Schüttelballade (sehr lang!)

I. Ein Jüngling wird gerettet

Ein Jüngling macht am Sonntagmorgen
sich schon für nächsten Montag Sorgen,
schläft schlecht des Nachts, vor Sorgen müd,
was man am nächsten Morgen sieht.

Am Montagmorgen ist er schlapp,
mit seinem Leben schließt er ab,
Er stürzt sich in den Forgensee.
Da rettet ihn die Sorgenfee.

»Was hast du«, fragt sie mütterlich,
»du dauerst wie mein Lütter mich.«
»Mir ist’s«, seufzt er, »sehr hart gegangen,
hab lang an Hildegard gehangen.

Anstatt sie an den Ring zu ketten,
hätt ich erst meinen King zu retten.
So kam ich an den See zu Forgen,
nun hast du für mich, Fee, zu sorgen!«

»Doch hilf erst mir«, spricht seelenvoll
die Fee, »dass dir nichts fehlen soll.
Im Turm dort, wo die Wache thront,
mein Mann verhext als Drache wohnt.

Ein junger Mann, der sorgenvoll
sich stürzen in den Forgen soll,
ward mir als Retter weisgesagt.
Du musst es sein! Nun sei‘s gewagt.

Nur du kannst mit dem Drachen ringen,
in seinen Feuerrachen dringen.
Das Seepferd schon die Lanze schwenkt,
hinauf dich mit dem Schwanze lenkt.«

II. Der Tatzelwurm erzählt seine Geschichte

Mit einem noch recht schwachen Drang
der Jüngling sich zum Drachen schwang.
Schon sah er dort die Wurmgestalt.
Doch ach, wo blieb die Sturmgewalt?

Kein Feuer aus dem Drachen lohte,
der vielmehr laut zu lachen drohte:
»Gestatte, dass ich drüber lache,
ich bin«, sprach er, »ein lieber Drache.

Du denkst gewiss, der Drache lügt,
und dass dich mein Gelache trügt.
Ich spei schon lang kein Feuer mehr,
drum sei in dem Gemäuer fair!

Hier oben in dem Watzelturm,
leb ich verhext als Tatzelwurm.
Als ich noch König Malde war,
verfiel mein Sohn, Prinz Waldemar,

dem Reiz der Ruth von Moosenrund.
Ihr Vater, König Rosenmund,
hat mir im Streit mein Schwert entwunden,
so ist mir Königs Wert entschwunden.

Mit Zauberei und Sturmgewalten,
ließ er im Turm mich Wurm gestalten.
Verhext hat er im Forgensee
auch meine Frau, die Sorgenfee.

Er hat in seinem Grant gewitzelt,
ein Bild hier an die Wand gekritzelt,
sprach höhnisch nur: ›Ein netter Rat -
ein Ritter einst als Retter naht.‹

Doch überm See Gewitter rollten,
sooft mich retten Ritter wollten,
versanken sie in Sturmes Wehen,
stets blieb der Turm des Wurmes stehen.

Längst ist der Ritter Gilde bleich....
Doch du bist ganz dem Bilde gleich!
Da heut noch keine Wetter röhrten,
hab Mut! Du musst mein Retter werden!«

III. Wie der Jüngling zum Retter wurde

Der Jüngling fing zu heulen an.
Da krähte laut ein Eulenhahn
(der Wächter, der zum Wachen thront,
und, auch verhext, beim Drachen wohnt):

»Dem Jüngling wohl die Kräfte sanken.....
Doch helfen Zaubersäfte Kranken.
Hier trink, statt rumzuheulen, Saft,
lang währt in Turmes Säulen Haft.

Beende deinen Zitterreigen!
Du musst dich als der Ritter zeigen!«

Der Jüngling, der kaum Krisen rafft,
bekam durch Säfte Riesenkraft.
Er stemmte hoch den Watzelturm,
und warf ihn samt dem Tatzelwurm,

hinunter in den Forgensee,
da jubelte die Sorgenfee.

IV. Das Königspaar kehrt zurück

Das Königspaar sieht Schlösser ragen,
hört Hufe edler Rösser schlagen.
Von hoher Berge Seilgehänge
ertönen laute Heilgesänge.

Den König noch die Rappen kennen,
die Kinder froh mit Kappen rennen,
und von des Waldes Höhe rasen
auch zur Begrüßung Rehe, Hasen.

Der Retter wird als Held gefeiert,
als General fürs Feld geheuert.

V. Das Königspaar vermisst den Sohn,
Prinz Waldemar

Derweil manch Trunk die Meute frischte,
sich Trauer in die Freude mischte.
Untröstlich König Malde war,
ihm fehlte sein Sohn Waldemar.

Betrübt saß er am Forgensee
zusammen mit der Sorgenfee.
Sie fing schon bald zu heulen an.
Da flog herbei der Eulenhahn

und sprach: »Jetzt stellt das Heulen ein.
Ich flog grad übern Eulenhain.
Da sprach mit ihrem Rosenmund
zu mir Frau Ruth von Moosenrund:

›Der Sohn von König Malde war
mein heißgeliebter Waldemar.
Doch Malde hat nur breit gelacht,
uns beiden sehr viel Leid gebracht.

Denn als uns ward ein Sohn geschenkt,
war Maldes Daumen schon gesenkt.
Mein Vater, der sich magisch tränkte,
die Droge Schan sich tragisch mengte,

hat nicht nur Maldes Schwert entwunden,
womit des Königs Wert entschwunden,
nein, Malde auch zum Hohn versext,
die ganze Brut samt Sohn verhext,

jedoch auch sich im Wahn verschandelt
in einen Schwan durch Schan verwandelt.
Nun liegt das Schwert im Krähensund,
vom Schwan bewacht am Seengrund.

Das alles ist jetzt lange her,
die Zauberwelt am Hange leer.
Verschwunden ist der Watzelturm,
gerettet ist der Tatzelwurm.

Der Retter Königs Malde war:
Der Sohn von mir und Waldemar.
Der ganze Zauberwahn entschwindet,
wenn er das Schwert dem Schwan entwindet.

Doch braucht er dazu Kraft zu siegen,
drum gilt es, dafür Saft zu kriegen:
Im Eulenhain wächst Krähensaft,
er gibt ihm, tief zu sehen, Kraft,

und dann erlöst im Krähensund
auch dich das Schwert am Seengrund.
Dies lasse König Malde wissen,
nicht lang mehr muss er Walde missen.‹

Da rief der König Malde aus:
»Mir sagte eine alte Maus:
›Im Herzen, das fürs Rechte schlägt,
sich oftmals auch das Schlechte regt.‹

Wie recht das alte Mäuslein hat,
ich kriech ins Schneckenhäuslein matt.
Jetzt macht euch beide wegefertig,
des Segens auch der Fee gewärtig.«

VI. Der Jüngling erzählt auf der Reise dem
Eulenhahn seine Geschichte

»Im Krähensund, dem fernen Land,
wo ich einst viel zu lernen fand,
da packte mich die Minne sehr,
für nichts sonst hatt ich Sinne mehr.

Als Hildes Finger steif gereckt,
hab ich drauf einen Reif gesteckt.
Doch Hilde sprach voll Liebe, traut:
›Zwar werden jetzt die Triebe laut,

doch statt dich mit dem Ring zu ketten,
hast du erst deinen King zu retten.‹
Ich wusste davon nicht Bescheid.
Obwohl ich nicht die Schicht beneid,

brach ich doch auf zum Watzelturm
und rettete den Tatzelwurm.
Nun werde ich als Held verehrt,
doch ist mein Seelenfeld verheert.

Vom Feiern einen feinen Kater
hab ich noch heut, doch keinen Vater.
Gern würd ich dich als Pater fassen,
du würdest mir als Vater passen.«

»Du sollst dich nicht im Leid verzehren,
denn schlecht wär‘s, wenn wir Zeit verlören«,
sprach drauf der Eulenhahn: »Mein Sohn,
nicht jedem blüht sogleich sein Mohn.

Oft strenger Wind entgegenweht
dem, der auf Königswegen geht!
Soll dir nicht dieser Wert entschwinden,
musst du dem Schwan das Schwert entwinden!«

VII. Im Krähensund, Prinzessin Hildegard im Dialog mit ihrer Patentante, Ruth von Moosenrund

Im Schloss Prinzessin Hildegard
schon bang der Ritter Gilde harrt.
»Nachdem mein Bert den King gerettet,
fühlt er sich an den Ring gekettet?

Was meinst du, liebe Patentante,
löst er nach seinen Taten Bande,
weil mehr ihm an der Krone liegt,
als dass er mich zum Lohne kriegt?«

Lacht Ruth: »Fand nicht, o Hilde, bald
dein Bert an deinem Bilde Halt?
Soll ihm die Krone nichtig sein?
Doch ist er danach süchtig? Nein!

Dir wird das Herz von Bert nicht schwinden,
Er wird’s schon an das Schwert nicht binden.
Doch höre ich nicht Rosse traben?
Es fliegen vor dem Trosse Raben.

Da kommt dein Ritter Engelbert,
mein Sohn, wie man den Bengel ehrt!
Dein Vater, König Krähensund,
zeigt ihm den Weg zum Seengrund.«

Ruth reicht ihr ein seltsam geformtes Glas:

»Viel schärfer als durch Brillengläser
siehst du durchs Glas der Grillenbläser.«

Prinzessin Hildegard aufgeregt:

»Wie weit ich in die Tiefe schaue!
Ich sehe ein paar schiefe Taue.
Bert will das Schwert dem Schwan entreißen,
doch muss er erst die Rah‘n entschweißen,

von einem Schiff am Seengrund,
es trägt die Aufschrift Krähensund«.

Wenig später:

»Er hat das Schwert dem Schwan genommen!
Er kommt, ich seh ihn nahn, geschwommen
und freudig kräht der Eulenhahn:«
»Das Schwert fängt mich zu heilen an!

Prinz Bert trägt es in seinen Händen.
lasst uns den Dank den Hainen senden,
denn sehr half ihm der Krähen Saft
und gab ihm, tief zu sehen, Kraft!

Schaut nur, wie eine Fledermaus,
verlier ich jeden Meter Flaus...«

Zu König Malde, der mit Gefolge eintrifft:

»Dein Traum wird, König Malde wahr:
Hier steht dein Sohn, Prinz Waldemar!«

VIII. Schlussbild

König Malde reicht seinem Sohn das Königsschwert:

»Mein lieber Sohn, Prinz Waldemar,
zu lang ich König Malde war.
Wie dich, mein Sohn, ersehn ich kein –
Du sollst fortan mein König sein!

Verzeihe mir, ich war verschert,
hab euch die Kinderschar verwehrt.
Nun, wo wir uns am Sund begegnet,
sei endlich euer Bund gesegnet.«

Zu der hinzutretenden Ruth von Moosenrund fragend:

»Was hast du, Ruth von Moosenrund?«

»Mein Vater, König Rosenmund,
er hat sich von dem Schwan entwunden,
nun ist auch ihm der Wahn entschwunden,
ist ohne Zauberschwan gekommen...
Dort kommt er auf dem Kahn geschwommen.«

König Krähensund aufgeregt:

»Das ist kein Kahn! Die Krähensund,
das ist mein Schiff vom Seengrund!
Schaut nur, es bläht die Segel fein,
will schneller noch als Vögel sein.

Von Deck aus winkt der ›Wilde Hein‹:«
»Ich bring mit Schwester Hilde Wein,
und mehr noch«, ruft der Wilde heiter.
An Land erzählt dann Hilde weiter:

»Uns plagte eine Fieberart,
verzögerte die Überfahrt.
So wurden wir am Sunde krank,
wo auch das Schiff zum Grunde sank.

Doch pflegte uns im Moosenrund
das Volk von König Rosenmund.
Zwar ging das Schiff mitsamt Wein unter,
doch dann geschah wahrhaft ein Wunder.

Von einer alten Flunder weiß ich:
›Es sind am Sund die Wunder fleißig.
Wer Hilf vom Flundergott erfleht,
merkt, dass bald alles flotter geht.‹

So machte – Dank dem Flundergott! –
das Schiff mein Bruder Gunter flott.
Nun trifft hier doch noch munter ein
die Hildegard vom Untermain.«

Die drei Könige, Malde, Krähensund und Rosenmund, sehen staunend zu, wie Matrosen zahlreiche Fässer Wein und viele andere Köstlichkeiten ausladen, umarmen sich stumm, dann :

König Malde (feierlich):

»Der Wind, wenn so am Sund er weht,
kein Wunder, dass er Wunder sät!
Was waren wir, wie ihr verweint,
nun sind zusammen wir vereint.

Das muss wahrhaft ein Wunder sein!
Stoßt an mit Wunder-Sunderwein.
Das Glück, das wir am Sund gefunden,
lasst uns an diesem Fund gesunden

und nie mehr uns im Leben streiten,
nur Liebe soll das Streben leiten.«

Alle im Chor:

»Wir haben unser Lied gesungen,
es ist uns, wie man sieht, gelungen.
Ihr Leser kommt, wir wollen feiern,
trinkt Bier und Wein aus vollen Weihern!

Und wer sich jetzt noch Sorgen macht,
wenn ihm nicht naht der Morgen sacht,
der rufe an die Sorgenfee.
Doch springt er in den Forgensee,

kann’s sein, dass er erst wieder lacht,
wenn er mit diesem Lied erwacht.«

Geändert von Friedhelm Götz (24.09.2014 um 08:03 Uhr)
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