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Alt 18.07.2014, 14:06   #5
Lailany
Kiwifrüchtchen
 
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Lieber Faldi,
ich bin freudigst überrascht, dass ich rein zufällig und über diverse Umwege auf dieses Werk gestoßen bin.
Du hast jedoch in einem Kommi mal beiläufig erwähnt, dass Du Taxifahrer warst.
Zum Text selbst kann ich nur sagen: In gewohnter Güte, die alte Meckerziege bekommt von Dir ja äußerst selten die Chance, ein Unkrautblättlein zu finden.
Zum Inhalt kann ich nur zustimmend und bei jedem einzelnen Wort nicken.

Zu Deiner ausführlichen Antwort auf die Beiträge kann ich ebenfalls nur beipflichtend nicken. Zu allem, was da steht... und auch zu dem, was da nicht steht.
Ich bin in Österreich ca 7 Jahre Taxi gefahren, ausschließlich Nachtschicht, von 19 - 7 Uhr. Zu den Eskapaden der Fahrgäste kamen oft noch die Straßenverhältnisse dazu. Ketten anlegen im Schneegestöber, am Arsch der Welt, kein Haus weit und breit... und wenn, dann schläft jeder.
JA... Du erwähnst auch das Gefühl der 'Freiheit', weil man sein eigener Herr ist. Die Kehrseite dieser Medaille ist halt, dass man bei Problemen auch auf sich allein gestellt ist.
In und um mein Arbeitsgebiet Steyr in OÖ gabs genügend einschichtige Gegenden, in denen auf weiten Stecken keine Funkverbindung zur Zentrale bestand.

Hier in NZL fuhr ich ca 4 Jahre. Erst Nachtschicht... nach etwa 3 Jahren hatte ich die Schnauze so voll und auch nimmer die Nerven dafür. Das Benehmen von Betrunkenen und AufWasAuchImmerDrauf-Fahrgästen wurde von Jahr zu Jahr schlimmer und auch häufiger, ich wechselte zur Tagschicht.

Du sagst, Du könntest stundenlang erzählen von Erlebnissen, die sich, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, oft so bizarr anhören, dass sie kaum einer glaubt, ausser ein Taxikollege.
Ich sag nur: Vollmond... und Du weißt, was ich meine.
Auch bin ich mir sicher, jetzt Deinen Seufzer gehört zu haben.

Mit schöner Regelmäßigkeit liefen wochenlang die Schichten ohne besondere Vorkommnisse ab und eines Abends, nach einem auch noch stinknormalen Schichtbeginn gehts urplötzlich los mit verrückt. Und dann läufts auf dieser Schiene weiter bis in die frühen Morgenstunden.
Am Standplatz tauscht man sich mit den Kollegen aus, einer hat vllt einen Kalender dabei, dann wird nachgeguckt, ob denn Vollmond sei. Und Bingo.
Ich legte niemals ein Augenmerk auf Mondphasen, auf mich hat der Mond keine Auswirkungen, außer, dass ich ihn schön finde.
Und doch wusste ich, wie's Amen im Gebet, jeden Monat, wann Vollmond war. Gute, nette Stammkunden, die das ganze Monat über völlig normal waren, benahmen sich plötzlich, als wenn sie den Verstand verloren hätten.
Dieses Phänomen können alle jene bestätigen, die Nachtschicht schieben in Berufen, die mit dem Auflesen der Trümmer zu tun haben: Krankenhauspersonal, Polizisten, Telefonisten in Notrufzentralen... die Liste ist lang.

ABER: So, wie Du, auch ich möchte die Zeit nicht missen. Keine gottverdammte lausige, beschissene, verrückte, sowie auch zum Schreien lustige Stunde davon. Ich könnte mir kaum einen Beruf vorstellen, in dem ich so viel über Menschen gelernt hätte.
Außer vllt, wenn ich Psychologie oä. studiert hätte.

Ja... auch ich hatte so manchen Psycho im Cab, wo sich mir während der Fahrt die Nackenhaare aufstellten. Grundlos, wie's schien. Einfach so ein mulmiges Gefühl, alle Alarmglocken bimmeln. Aber: Nur nichts anmerken lassen !!! Chit Chat anfangen... ein Thema finden... sei's Sport, Biersorten, dem Geschimpf über die Schlampen von Exfreundinnen zustimmen, die die armen Kerle mit ihren Allüren auf die Palme, aus dem Haus und ins Lokal trieben.... ach menno... wie oft hab ich nach solch atemberaubenden Stories gedacht: Das wars. Jetzt hab ich wirklich ALLES gehört. Jetzt kann mich nix mehr erschüttern, oder auch nur überraschen.
Aber es kam immer wieder Einer, der das alles noch toppte.

Will man sich die eigene Zurechnungsfähigkeit bewahren, ist unabdingbar, sowie unbezahlbar in diesem Job: Ein gutes Mundwerk und die Bereitschaft, sich auf Gespräche einzulassen, über alles und jedes und Gott und die Welt. Und natürlich eine gute Portion Humor.
Sobald ein Thema den richtigen 'Knopf drückte', war für mich das Eis gebrochen und ich konnte mit allem umgehen, was da vom Nebensitz oder von hinten kam.

Und dann gibts als schöne Draufgabe noch die farbenfrohen Varianten der, mangels Barem, bargeldlosen Bezahlung: eine Tüte voll fetter Grasköpfe feinster Qualität ... ein Riegel Cannabis... Schmuck... Uhren... eine X-Box samt Spielen... Marken-Sonnenbrille... Handys...
Zugegeben, doch etwas verblüfft war ich, als ich mal eine Garnitur Marken-Bettwäsche angeboten bekam, noch in der verschweißten Originalverpackung.
Komplimente und Angebote von... bis... sind natürlich auch im Glückskoffer für eine Taxlerin. Von Kerlen von 15 bis... nach oben keine Grenze. Mann, wie glücklich schätzt man sich da, 2 Ohren zu haben, um den 'Durchzug' abzukönnen.
Ach Faldi... ich könnt einen fetten Schmöker füllen, schrieb ich all die Erlebnisse nieder.
Eins steht fest: Man surft auf einem Bein ständig die Welle, die durch Knast, Klapse, Cabaret und Zoo rollt. Und mit dem 2. steht man im Grab.

Ich hab oft versucht, etwas davon in einem Text zu verarbeiten, aber seltsamerweise will mir das nicht gelingen. Warum das so ist, versteh ich selbst nicht.

Sorry für meine Ausschweifungen hier, die ja nicht direkt textbezogen sind, doch meine ich, Du verstehst.

Sehr gern als Fahrgast in Deinem Taxi gesessen und Dir während der Fahrt Erlebnisse aus meinem Taxi erzählt.
Gutes Trinkgeld gibts natürlich auch für den Fahrer, unter Kollegen versteht sich das von selbst.

Schmunzelnd und sehr gern in meine Erinnerungskiste reingelangt.

LG von Lai
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"Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal

Geändert von Lailany (31.07.2014 um 06:56 Uhr)
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