Thema: Sieg
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Alt 17.02.2015, 03:08   #5
AAAAAZ
Wortgespielin
 
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Hi eky,

dass du hier wirklich klarer siehst, mag ich dir nicht so ganz abnehmen. Klingt mir eher wie ein ironisches Abtätscheln, und es sei dir vergönnt. Eine Texterläuterung hatte ich ja noch gar nicht vorgenommen, will es aber gerne näher ausführen, um nicht missverstanden zu werden.
Ich hatte den Text spontan geschrieben, nachdem ich mich ein wenig mit Mark Fisher beschäftigt hatte. Er ist Inhaber des exotisch anmutenden Lehrstuhls für ,,Hauntologie" in London ( Goldsmiths College).
Mich fasziniert dabei vor allem die erfrischend unkonventionelle Denkweise, und die Beschreibung von Wirklichkeit, auch wenn ich nicht alles von ihm teile und manches anders sehe.
Für mich interessant sind seine Betrachtungen zur Postmoderne. Er beschäftigt sich mit ,Kapitalismus ohne Alternative', welches im Phänomen kollektiver Stagnation bzw. Depression mündet. Echten kulturellen Fortschritt sieht Fisher mittlerweile auf das Smartphone begrenzt. Die Zeit der Avantgarde ist obsolet. Auch wenn sich manches Denken totgelaufen hat, scheint der Kapitalismus den Sieg davongetragen zu haben und uns erhalten zu bleiben.
Ebenfalls interessant ist in diesem Zusammenhang, dass du um ,,moderne Gedichtsformen" einen Bogen machst. (Deine Bewertungs- Kriterien hierzu stehen übrigens noch aus.)
Es mag sein, dass sich dieses darauf hin entstandene Gedicht für dich liest wie ein Klischee einer Zeitkritik und genau dieses soll es sein. Wir kennen die klischeehaften Gedankensplitter von Regenwald- Abholzung, Ausbeutung, dem Schwächsten in seiner Blechhütte, den es am stärksten trifft, etc. und uns bleibt als lakonische Antwort: Pech gehabt, weil wir dem allem nichts mehr entgegen zu setzen haben. Alles auszusprechen nutzt nichts mehr. Wir sind gesättigt von unserer eignen Erkenntnis, letztendlich aber handliungsunfähig und bequem. Wir spielen mit den Sätzen und entfremden uns zunehmend von der Zeit. Sie stehen, standen, stunden herum, ( kindliche Sprachfindung, wie du es treffend ausgedrückt hast)
Wir schauen apathisch der Zeit zu, wo es im Sekundentakt bumm macht, und machen business as usual. Echte Auseinandersetzung bleibt aus, weil es mittlerweile eine Überforderung und Reizüberflutung darstellt. Unbeteiligt und ohnmächtig stehen wir den Dämonen der Zeit gegenüber, und werden zu machtlosen und zahnlosen Zeitgenossen.
Mag sein, das dich das Gedicht als Kunstwerk nicht überzeugt, in deiner Kritik fühle ich aber genau den Nerv des Widerspruches getroffen, den ich versucht habe, hervorzulocken. Es liegt an der Schwelle des Únbeschreiblichen, weshalb wohl solch ein parawissenschaftlicher Lehrstuhl eingerichtet wurde ( nicht zu verwechseln mit esoterisch ).
So mag es für dich ein vordergründiges Blabla bleiben. Der vollmundige kraftstrotzende Ausspruch ,,Yes, we can" von Obama ist längst schleichend zu einem ,, we can't do anymore " geworden. Unbeugsam wird der Optimismus dennoch hoch gehalten, als wäre er eine heilige Kuh. Und selbst, wenn die Fahrt im freien Fall weitergehen sollte, befinden wir uns in einem Boot mit einheitichen kollektiven Denksystemen und denken uns in eine angenehme Zeit der kollektiven Verdrängung mit Depressionen. Trotz Aufgeklärtheit unserer Zeit wissen wir nicht recht, wie uns geschieht, und wo es herkommt.
Deinen Anspruch des Schreibens, welcher auf Erkenntnis abzielt teile ich im übrigen. Es mag dabei verschiedene Wege geben, und diese werden zum Glück zunehmend beschritten. Andere Beschreibungsversuche können mir manchmal die Welt besser begreiflich machen, um auszubrechen, und unsere Lethargie in geschlossenen gewohnten Denk- Mustern zu überwinden. Deshalb vielleicht ruhig auch mal etwas ,,Modernes" zwischendurch, schadet doch nicht, und musst ja dabei nicht immer gleich zum Monster mutieren.
danke für deine Rückmeldung,
Lieben Gruß, AZ

Geändert von AAAAAZ (17.02.2015 um 04:37 Uhr)
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