Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 22.10.2015, 16:34   #7
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.910
Standard

Moin Claudi,

du schriebst, du hättest kein Problem mit meinem ersten Kommi, hast mir aber indirekt doch sofort widersprochen, was ja auch vollkommen in Ordnung ist. Also bin auch darauf eingegangen.

Prinzipiell hat das nix mit deinen Texten zu tun, doch ich habe den Eindruck, dass auch du sehr experimentierfreudig bist und deshalb bei einigen deiner Texte bei mir das Gefühl entsteht, dass diese eben nicht „frei nach Schnauze“ geschrieben wurden, sondern dass du solange daran gefeilt hast, dass sie einigermaßen dem entsprachen, was dir vorschwebte.
Oft genug hast du geäußert, du seiest damit selbst noch nicht zufrieden.

Das ist eben der Punkt. Manchmal kann man auch zuviel des Guten tun und deshalb habe ich bei manchen deiner Texte das Gefühl, dass du den ersten Ursprungstext so weit verändertest, dass von diesem nicht mehr viel übrig geblieben ist.

Ich bitte das jetzt nicht falsch zu verstehen, es ist ja dein gutes Recht, deine Texte zu bearbeiten, solange du das willst.
Es ist auch verdammt schwer zu erklären. *grübel*
Vielleicht versuche ich es mal so: Manchmal habe ich bei deinen Texten das Gefühl, als sei da nicht die Dichterin Claudi, sondern die Mathematikerin Claudi am Werke gewesen.
Die Idee ist gut, die Sprache einwandfrei, die Metrik ist im Griff, eigentlich gibt es nichts Greifbares auszusetzen, aber den letzten Kick, den Charme des persönlichen Stiles vermisse ich da manchmal. Mir kommt das dann steril vor, so als sei jeder Keim sorgfältig entfernt worden.
Das meinte ich auch damit, als ich schrieb, man kann durch die Theorie nicht alles lernen. Denn bei der Theorie geht es lediglich um das Handwerk an sich, niemals aber um den persönlichen Stil, welcher den eigentlichen Charakter eines Textes ausmacht. Dass du die Theorie aus dem Effeff beherrschst, würde ich niemals in Abrede stellen.
(Vielleicht ist das auch der Grund für Rilkes "unsauberes" Sonett aus wolos "Leinwandfaden" gewesen.)

In meinen Anfangstagen habe ich ein Gedicht geschrieben, welches überall großen Beifall fand, wenn ich es vortrug. Es war witzig, hintergründig und hatte einen ganz eigenen Charme.
Später, nachdem ich mich ausgiebig mit Metrik beschäftigt habe, ist mir aufgefallen, dass dieser Text metrisch eine vollkommene Katastrophe war.
Also habe ich mich drangesetzt und ihn entsprechend überarbeitet.
Das Ergebnis hat mir nie gefallen, weil der alte Charme dabei verloren gegangen ist.

Heute schreibe ich meine Texte, ohne die ganze Theorie ständig vor Augen dabei zu haben. Entweder es flutscht auf Anhieb oder ich verwerfe sie.
Wenn ich tatsächlich einen Text nicht in „einem Rutsch“ hinbekomme und mehrere Tage daran arbeite, dann ist für mich das Ergebnis meist unbefriedigend.
Das heißt aber natürlich nicht, dass meine Texte statisch sind. Selbstverständlich kann man an Aussage(n) und Begriffen arbeiten.
Nur der Grundtenor muss dabei erhalten bleiben, sonst macht mich das Ergebnis nicht glücklich.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe nur versucht zu analysieren, warum wir beide in solchen Dingen so oft unterschiedlicher Meinung sind. Das muss ja einen Grund haben.
Keinesfalls wollte ich dir „einen ans Zeug flicken“, das lag nicht in meiner Absicht und wenn das falsch herüber gekommen sein sollte, dann entschuldige ich mich dafür.

Können wir das so stehen lassen?


Liebe Grüße

Falderwald


__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten