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Alt 24.10.2015, 17:34   #5
Marzipania
Gast
 
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Hallo, Erich,
Sonette werden ja heutzutage vergleichsweise selten geschrieben und falls doch einmal, eher mit (zeitgenössischen) Variationen versehen.
Hinzu kommt, dass metrische Schemata nicht für alle Gedichte gleichmäßig genau angegeben werden können. Sapphische Oden lassen sich bis in kleinste Kleinigkeit der metrischen Einheiten nachempfinden, in der Analyse auch erkennen: Strophenlänge, Zeilenlänge, Hebungen und Senkungen sind gleichsam "schicksalhaft" vorherbestimmt.
Anders sieht es in der Tat bei Sonetten aus, die - wie von dir angeführt - bereits von Rilke u.a. bzgl. der Verslängen variert worden sind.
Allgemein lässt sich sagen, dass die Lyrik germanischer Herkunft metrisch viel fixierter daherkommt als die romanische. Und Sonette gehören bekanntlich der romanischen Gattung an.
Ein Bauplan besteht ja zunächst einmal unabhängig von seiner Erfüllung: Das Schema kann gleich bleiben, aber dennoch ganz verschieden klingen (Lautung im einzelnen). Innerhalb der Hebungen existiert zudem eine ganze Skala an Möglichkeiten - von klangvoll bist kaum spürbar, anderes klingt wiederum straffer, artikulatorisch deutlicher.
Diese Verschiedenheiten sind bei guten Dichtern aber keineswegs zufällig, sondern Manifestationen eines viel umfassenderen Phänomens, des Rhythmus.
Aus meiner Forenerfahrung haben Musiker deshalb viel weniger Schwierigkeiten, ein gut klingendes Gedicht zu schreiben als unmusikalische Menschen. - Auch unverbildeten Kindern kann man die Chose durch Händeklatschen relativ leicht beibringen.
Das soll erstmal reichen
M.
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