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Alt 05.04.2016, 16:32   #1
Friedhelm Götz
Schüttelgreis
 
Registriert seit: 02.11.2011
Beiträge: 954
Standard Pyramus und Thisbe (frei nach einem gewissen Herrn Ovid)

Es lebte einst am Euphratfluss
ein Jüngling namens Pyramus.
Der hatt' unsterblich sich vergafft
in Thisbe aus der Nachbarschaft.

Doch machten leider ihre Väter
auf beiden Seiten viel Gezeter,
und jeder voller Starrsinn sprach:
»Ich gebe nie und nimmer nach!«

So waren, fern dem Standesamt,
die zwei zur Heimlichkeit verdammt.
Sie trafen sich im Mondenschein
am Maulbeerbaum zum Stelldichein.

Doch eines Abends, gegen zehn,
blieb Pyramusses Sanduhr stehn.
Zu spät kam er zum Liebesplatz.
Statt seinen heißgeliebten Schatz

sah er zertretne Efeuranken,
die Spur von schweren Löwenpranken!
Und dort, an einer Blütenrispe,
den Schleier seiner liebsten Thisbe.

»O Thisbe«, rief er, »welche Pein,
wo du nicht bist, kann ich nicht sein!«
Drauf zog sein Schwert der Pyramus
und machte mit dem Leben Schluss.

Doch kaum, dass dieses war geschehn,
ließ sich die Thisbe wieder sehn.
Der Löwe, friedlich von Natur,
beschnupperte das Mädel nur.

»O!«, klagte Thisbe, »Pyramus,
das Leben ist nun kein Genuss.«
Sie nahm das Schwert, von Blut so rot,
und stach sich gleichfalls mausetot.

Im Orkus haben immerzu
die zwei seitdem ihr Rendezvous.
Der Maulbeerbaum, schließt die Geschichte,
trägt nun aus Trauer schwarze Früchte.
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Reime zu schütteln, gilt vielen als Nonsens von Spaßern, nichts Rechtes!
Aber die Spaßer mit Ernst suchen im Unsinn den Sinn!

Geändert von Friedhelm Götz (29.04.2016 um 15:53 Uhr)
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