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Alt 02.12.2016, 12:37   #6
Angelika
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo Kokochanel,

ja, ich kenn das schon - was einmal eingerastet ist, sitzt fest, da ist man dann für Neues, was eigentlich gar nicht neu ist, sondern nur dem Empfänger der Mitteilung neu, nicht aufgeschlossen. Zumal dann, wenn man sich bestimmte Kenntnisse nur angeeignet hat. Da grassieren dann in den Foren die seltsamsten Aussprüche, wie zum Beispiel, man solle keine Inversionen einsetzen, das wäre schlechter Stil. Ich kenne von solchen Äußerungen eine ganze Menge, die aber alle in Annahmen einzelner ihre Grundlage haben, nicht jedoch in der nachweislich lyrischen Technik.

Aber zur Conclusio: Natürlich ärgert es den Berliner, wenn er nicht über die Piste rasen kann, aber er hat sich an so vieles gewöhnt, dass er sich über das Déjà-vu überhaupt nicht mehr ärgern kann, sondern sich freut, dass sich seine Voraussicht bestätigt hat. Nebenbeigesagt ist die Formulierung "wie in Mutterns Schoß" eine Berliner Redewendung, die natürlich, wie könnte es anders sein, Protest und Liebe zugleich einschließt. Man muss eben nicht nur lesen, was in Buchstaben ausgedrückt wird, sondern auch das zwischen den Zeilen, um eine Aussage ganz zu verstehen. So gesehen ist dieses Anti-Sonett auch eine Liebeserklärung an Berlin. Denn der Berliner meint es nie so ganz eindeutig, und meist sogar das Gegenteil, von dem er spricht.
Daran musst du dich bei mir gewöhnen. In meinem Alter und wenn man seit Geburt in Berlin gelebt hat, stellt man sich nicht mehr um, jedenfalls nicht, was die Berliner Natur angeht. Wenn du wissen willst, wie der Berliner denkt, dann ist immer noch Tucholsky eine Quelle.

Alles klar? Danke, dass du dich über den Text gebeugt hast.

Angelika

Geändert von Angelika (02.12.2016 um 12:49 Uhr)
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