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Alt 23.02.2013, 10:12   #6
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Moin Thomas,

auch wenn ich die "zeitgemäßen" Haikus nicht besonders mag, so kann diese Form durchaus ihren Reiz besitzen.

Ein Haiku muss m. E. nachhallen. Er ist eine Momentbeschreibung, eine kurze Betrachtung ur- oder grundsätzlicher Dinge und sollte möglichst frei von jeglicher Individualität gehalten werden, sofern so etwas überhaupt möglich ist.

Einer meiner Lieblingsdichter für Haikus ist neben Matsuo Bashō der viel modernere Masaoka Shiki (1867 - 1902):

Unohana o
megakete kitaka
hototogisu

Es scheint, er zielte
auf die Deutzienblüten –
der Kleine Kuckuck.

Shiki forderte vom Haiku realistische Beschreibung wirklichen Geschehens in ungestelzter Sprache.

Auf Entenflügel
der zarte Schnee sich häuft;
oh, diese Stille.

Oh, welche Kühle:
Es läuft die Abendflut auf
und Fische springen.

Der (oder das) Haiku sollte also die Dinge in ihrem "So-Sein" erscheinen lassen.
Seine Grundstimmung sollte "zu nichts gedrängt sein" und "niemandig" die Welt in sich spiegeln, denn er ist kein Ausdruck der menschlichen Seele, sondern eher als Ansicht des "Niemandes" zu interpretieren.
Hier drückt sich kein Lyrisches Ich aus, es ist also keine Innerlichkeit auszumachen.
Nur so können die Dinge des Haikus zu Metaphern oder Symbolen werden.

Bei deinem Haiku gefällt mir eigentlich die längere Version besser.
Du müsstest eigentlich nur das "sacht" in der ersten Zeile austauschen, denn hier ist eine persönliche Bewertung enthalten, die dem Haiku nicht gut zu Gesicht steht.


Gerne gelesen und kommentiert....


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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