Thema: Sonett
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Alt 18.08.2016, 02:01   #34
Romantiker2016
Holger
 
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Hallo Koko,

eigentlich hatte ich mir überlegt, zu vermeiden, dass sich hier weiterhin die Wogen auftürmen, höher und höher, in einem zum Teil unversöhnlichen Schwall, jedoch veranlasst mich Deine Einlassung, nochmals Stellung zu nehmen. Vorausschicken möchte ich, dass ein jeder hier naturgemäß das Recht hat seine Meinung zu äußern. - Im idealen Fall ist solch eine Stellungnahme geprägt von Toleranz; Arroganz sollte eher mit Abwesenheit glänzen. - Ich persönlich sehe Deine Zeilen in diesem Zusammenhang nicht als ein ideales Beispiel.
Deine Fixierung auf´s Klassische, damit verbunden, es als allgemeingültig in diesem Gedichteforum darzustellen, wenn ich es recht verstehe, empfinde ich schon als kühn. - Hey, es ist ein Gedichteforum; demnach kann in diesem freien Raum beispielsweise auch Gegenwartsdichtung mit einfließen, ohne jegliche klassische Formen; das wäre doch vollkommen okay, nicht wahr ? - Sicherlich habe ich Dich missverstanden und Du räumst "anderer" Dichtung genau so einen hohen Stellenwert ein wie der klassischen.

Du findest als angemessen, mein Gedicht auch inhaltlich beurteilen zu können/wollen, obwohl Du in einem anderen Beitrag bewiesen hast, dass Du den Sinngehalt des Sonetts gar nicht verstanden hast ? - Deine Argumente (Zitat: "es wurden einige Fehler in Satzstruktur und Bildhaftigkeit nachgewiesen.") sind armselig, weil sie auf subjektive Unterstellungen aufbauen. - Solltest Du dennoch der Meinung sein, dass es Dir möglich ist, die Bedeutungstiefe anspruchvoller Gedichten zu durchdringen, empfehle ich Dir, Dich inhaltlich mit meinem im Forum eingestellten Gedicht "Der steinerne Engel" zu befassen; darin ist eine ganze Philosophie enthalten, die man umfangreich ausführen könnte.
Zudem empfehle ich Dir, bei der Betrachtung von Gedichten die Technik einmal beiseite zu lassen und das Werk aus dem Blickwinkel der Kunst (Rhythmus, Wirkung und Tiefe) zu betrachten. - Ich schreibe das deshalb, weil ich persönlich Gedichte, die ich bisher von Dir gelesen habe, als kalt, also ohne lyrisches Feuer und schon gar nicht mit einem Zauber umwoben - also als kunstfern - empfunden habe. - Andere mögen das anders sehen, und es mag auch gegenteilige Werke von Dir geben.

Um den Anflug von fragwürdigen Darstellungen (Zitat: "Um einem Dichtenden, der mit namhaften ( oder auch nicht namhaften) Referenzen daherkommt") deinerseits entgegenzuwirken, sehe ich mich veranlasst, hier Klarheit zu erbringen und hierzu einige Quellen und Referenzen bezüglich meiner Person einzufügen:

Zunächst Quellenangaben/Links als Beispiele für deutsche Universitäten ( Leipnitz Universität Hannover, Goethe Universität Frankfurt), in deren Bibliothek meine Bücher genutzt werden:

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"Links entfernt"

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Als ein Beispiel für namhafte Literaten, Professoren usw. möchte ich hier das Vorwort zu einem meiner Bücher, von Herrn Prof. Peter Demetz (einer der wichtigsten Literaturhistoriker heutiger Zeit, er hat jahrzentelang in Yale unterrichtet und ist Inhaber der Sterling Professur; näheres Wiki) vorstellen:

Brief von Prof. Dr. Peter Demetz an den Autor

Lieber Herr Jürges,

ich will Ihnen in meinem Briefe danken, dass Sie mir eine Sammlung Ihrer Gedichte hierher übersandt haben. Die Zeit, in welcher man Gedichte liest, ist nie ohne Geschichte, und der Raum nie leer – Moment und Ort entscheiden darüber, wie ich Lyrik lese. Ich lebe hier in einer reinlichen akademischen Vorstadt im Staate New Jersey, und da leben, mit mir und in meiner Nachbarschaft, Koreaner und Ungarn, Chinesen und Mexikaner, orthodoxe Juden und Italiener (um nur einige Gruppen zu nennen). In dieser
Welt ist die Gegenwart eines deutschen Gedichtes von einer Deutlichkeit, die der Lyriker, der sie schrieb, in seiner fernen Heimatstadt nie voraussehen konnte, und seine Texte, schwarz vom weißen Papier abgehoben, erzwingen, auf ihre Art, eine Konzentration meiner Aufmerksamkeit , von der sich ihr Autor, in seiner deutschen Lebenswelt, wohl keine Vorstellung zu machen vermochte.

Es wäre allzu einfach, Sie als Freund der Tradition zu bezeichnen, aber Sie erschweren mir die Frage nicht, welche Lyriker der Vergangenheit für Sie bedeutsam sind, denn einzelne Gedichte nennen Namen, George („in alten Schriften steht zu lesen”), Morgenstern ( das verwirrte Reh im Kernkraftwerk), und Eichendorff („so träum ich mich ins Weite”). Ich glaube gar, Eichendorff steht Ihnen näher als andere , denn Sie reden ihn unmittelbar an, und wenn mir einer fehlt, dann ist es der langvergessene
Alfred Mombert, mit dem Sie (Sie verzeihen das große Wort) die kosmische Weite der Perspektive gemeinsam haben, denn Sie vergessen nie, dass sich der Einzelne zugleich in seiner Einsamkeit und in einem Dasein befindet, dem sich die Himmel öffnen und das Irdische die Sterne reflektiert.

Das Romantische, das war Zwiespalt, und deshalb haben so viele ihrer Gedichte einen romantischen Klang, aber nicht im billigen Sinne, sondern im ursprünglichen Verstande der Polarität und des Gegeneinander. Eine Harmonie der Widersprüchlichkeit; das Gedicht „Dasein” stellt die wesentliche Frage und antwortet zugleich mit einem „Vielleicht”, der Einzelne, in seinem Dasein, tastet nach dem „wahren Dasein”, das sich ihm entzieht – es sei denn ein „Gesang”, der sich herniederlässt, „streifend wie ein milder Hauch”; ob in den Städten, wo wir Einzelnen „in schweren Zimmern” leben und die Traurigkeit wie unter einem Tuch „herausschaut“, oder in der grünen Offenheit, in der wir in „seidener Stille” hören wollen, welcher Wille uns in das einzelne Leben gestellt hat, in diese Zerstreuung, in der allein der Wind die einstigen Orte berührt hat, in denen wir lebten.

Ich bin geradezu versucht, Ihnen auf den Kopf zuzusagen, dass Sie kein Kind der Großstadt sind, und wenn Sie von den „Wäldern meiner Kindheit” reden, ist das keine nützliche Fiktion. In Ihren Gedichten findet der Einzelne selten Ruhe; Sie sagen zwar, das Leben „im Hiesigen” bestünde aus „ruhen, lieben, handeln”, aber aller Nachdruck liegt auf dem Lieben und Handeln, die sich mit einer unverlierbaren menschlichen Unruhe verbünden, die ihren festen Ort sucht. Auffallend, wie in vielen Ihrer Gedichte Bäume und alles in der reinen Natur Gewachsene Ruhe, Standhaftigkeit und eine Festigkeit ausstrahlen, die (ich wage fast zu sagen) einen Stoizismus , der dem umhergetriebenen Menschlichen fehlt – ob es nur ein „alter Baum” ist, der Hoffnung ausstrahlt, ein Baum, der „Sturm und Kälte überdauert“, oder „Der Eichenbaum”, der „Ewigkeit im Rindensaum” birgt. Aus vielen Gründen zähle ich Ihr Gedicht „Roter Waldholunder” zu den bedeutsamsten, die Sie geschrieben haben, denn in ihm verbinden sich viele Motive, Gedanken und Bilder, die Sie sonst in andere Gedichte verstreut haben, die „wilde Schönheit”, verschwistert mit Sonne und Wind, sich „selbst genug”, und dennoch, gerade im Selbstgenügen, das dem rastlosen Menschen fehlt, in eine höhere Ordnung gerückt, in die „Güte” der Schöpfung.

Ich glaube, lieber Herr Juerges, sie lassen sich als Lyriker, durch vergangene Diskussionen darüber, ob man schreiben soll oder was Gedichte sein sollten oder nicht, wenig anfechten, und setzen darauf, die lange Historie des Gedichtes auf Ihre Art wagemutig fortzusetzen. Der Literaturhistoriker (ich bin einer) wird natürlich einwenden, dass Arno Holz, der störrische, schon in der Tiefe des 19. Jahrhundert erklärte, die Lyrik, wie wir sie kennen, hätte als Kunst der Großväter längst bankrott gemacht; und er schiebt die Schuld an diesem Bankrott dem gereimten Wort zu, das auf die althergebrachte Weise fortlebt, obwohl, wie er sagt, 75% Prozent aller deutschen Worte nicht gereimt werden können. Deshalb reduziert sich der Horizont der Lyrik im Vergleich zur umfassenden Wirklichkeit, auf bloße 25% (gar nicht zu reden, von der alten Leier der Reime), und er empfiehlt, als Allheilmittel, den „Rhythmus”, in welchem die Realität „um Ausdruck ringt”, einschließlich der blühenden Apfelbäume, die auch er bewunderte.

Der Literaturhistoriker wird aber auch daran erinnern, dass einer der Kapitäne der Moderne nicht gewillt war, den Klang des Gedichtes zu ignorieren. Ich meine Ezra Pound (nicht den abwegigen Ideologen, sondern den Dichtungstheoretiker), der in seinem Aufsatz „How to read“ (Wie soll man lesen, 1931), darauf bestand, Gedichte seien Kombinationen aus Sinnhaftigkeit, optischen Elementen und ihrem Klange, oder ihrer „Melopoeia”, den musikalischen Qualitäten.

Ich schreibe das alles, um mir selbst Klarheit über Ihre Gedichte zu schaffen, Verse in der Tradition von der Romantik bis auf Rilke, und was Sie bestimmt, sich in dieser Tradition zu bewegen. Ihre Gedichte sind Augenblicke der Meditation, des Nachdenkens über den einzelnen Menschen im Zusammenhange der Natur, und nicht nur der grünen; und diese Gedichte wollen, gerade in ihrer Sprachstruktur, nicht verleugnen, dass es Gedichte sind, also etwas Besonderes und Magnetisches, das die Aufmerksamkeit, um nicht zu sagen, die Bereitschaft zur Einfühlung, auf sich ziehen will – das Besondere ist eben die Weite der Perspektive und das Begrenzte der Sprachgestalt, nur drei oder vier Takte in jeder Zeile, die im Wenigen das Viele bereithält. Jede Leserschaft steht ja heute in einem Sprachregen, nicht nur der alten Medien, sondern auch der neuen elektronischen, mit denen man, im wahrsten Sinne des Wortes, hantiert. Das Gedicht, das in Ihrem Sinne darauf besteht, ein Gedicht zu sein, eröffnet die Chance innezuhalten und an unerwarteten Bewusstseinsbewegungen teilzunehmen. Man tritt ein, liest und hört zu, freiwillig und bald beglückt, und, wie im Fluge, in und außerhalb der Welt zugleich.

Mit den freundlichsten Grüßen,

Ihr Peter Demetz

Anfang Januar 2012

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Noch ein Beispiel, diesmal für einige Artikel, die über mich geschrieben worden sind. - Die Kritik wurde von dem Kunstdozenten Martin Jasper auf der Kulturseite der Braunschweiger Zeitung veröffentlicht:


Eine Überdosis Seele „Immer ein leises Gehen“ – Gedichte des Jerxheimer Autors Holger Jürges, der im Hauptberuf Kriminal-Kommissar ist

– Martin Jasper, Braunschweiger Zeitung –

Ja ja, das Bändchen liegt schon eine ganze Weile auf dem Schreibtisch. Zugesandt von einem Dichter aus Jerxheim bei Helmstedt in der vagen Hoffnung auf Beachtung.
Man glaubt ja kaum, dass es solche Gedichte noch gibt! Das ist keine Lyrik, das ist Poesie! Dass es noch Leute gibt, die dem sanften Hauch, dem zarten Duft, dem Bächlein, dem Schimmer goldner Sterne, der lieblich blauen Blume und so weiter ihre Verse widmen, um nicht zu sagen: weihen. Und diese Verse stammen auch noch von einem Mann, der von Beruf Kriminalbeamter ist!
Holger Jürges heißt er, und es war nicht nur Arbeits-Überlastung, die sein Büchlein bisher unbeachtet liegen ließ. Es war auch eine Scheu vor dem billigen Verriss, der da ein arg spätes, weihevoll-romantisches Epigonentum erblickt, eine allzu zutrauliche, religiös aufgeladene Naturschwärmerei, eine Überdosis Seele, eine ganz und gar ungebrochene Eichendorfferei, die sich konsequent dem entzieht, was wir seit mehr als 100 Jahren die Moderne nennen. Die also nicht zeitgemäß ist.
Das ist offensichtlich, also einfach.
Schwieriger ist es, mal leise und ehrlich in sich selbst hineinzufragen, ob wir nicht trotz aller modernen Entzauberung diese tiefe Sehnsucht immer noch in uns haben (und sie nur eben nicht mehr rauslassen).
Die Sehnsucht nämlich nach einer heilen und heilenden Natur, nach dem Erfühlen der Weltharmonie im Himmel und im Blumenblatt. Und die Frage nach dem, der dies alles unendlich sanft in seinen Händen hält (um Rilke die gebührende Reverenz zu erweisen).
Jürges Gedichte – eine Mischung aus Natur- und Gedankenpoesie – sprechen rhythmussicher und solide gereimt dieses sich verströmende Weltgefühl aus. Ihm gelingen zuweilen Formulierungen von sinnlich-melodischer Schönheit, etwa im „Herbst“: „Müd steigt der Morgen aus dem Feld/ und legt gedämpfte Sonne übers Land...“ Oder in der Phänomenologie des Windes, „der wehend lau, sich selbst in Fernen trägt.“
Und, bei aller herbeigesehnten Gottgeborgenheit in der Natur, erahnen die besseren Gedichte Jürges’ eben auch die schmerzliche Geschiedenheit davon, die Einsamkeit in der Schöpfung. Etwa in dem Lied an die Nacht: „Bin ich auch winzig klein/ in dir, die alles übersteigt,/so wag ich doch zu sein,/ als Seele, die sich zu dir neigt.“ Oder im Nachsinnen eines Adlerflugs: „Der Adler gleitet weiter,/bis deine Augen ihn verliern;/ die Täler scheinen breiter, –/in deiner Seele ist ein Friern.“ Das immerhin ist eine zeitlose lyrisches Grundbefindlichkeit.

Holger Jürges, „Immer ein leises Gehen“, Edition Das andere Buch, 11,90 Euro.

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Um das Gesamtbild abzurunden, auch wenn´s iroinisch klingt, was es nicht sein soll: Gerne würde ich etwas zu Deinen Referenzen erfahren (Du hattest ja seinerzeit die meinigen verlangt); ich freue mich darauf.

Übrigens Koko und das hatte ich wohl schon erwähnt, wurde in keinem meiner Gespäche und Briefe mit den literarischen Persönlichkeiten das Thema Metrik erwähnt. - Es ging stets um die künstlerische Güte und nicht um technische Details. Ich bin fast versucht, anzunehmen, dass Dir hier der Gedanke kommt, dass all die besagten Persönlichkeiten die falsche Herangehensweise haben (der Geisterfahrer wundert sich, warum denn alle, die ihm entgegenkommen, falsch fahren^^). - Naja, es kommt eben immer darauf an, wie man die Schwerpunkte setzt.
Aus bestimmten Gründen rate ich davon ab, sich zu einem Metrikjünger zu entwickeln, es besteht nicht nur die Gefahr, dass der Blick für das jeweilge Gedicht als Gesamtwerk verwässert wird, sondern es erschafft dem Jünger auch immer einen Meister; das macht im Allgemeinen unfrei, auch in der eigenen Meinung.

Herzliche Grüße,
Holger

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Zitat:
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Atmen, du unsichtbares Gedicht!
Immerfort um das eigne
Sein rein eingetauschter Weltraum. Gegengewicht,
in dem ich mich rhythmisch ereigne.
Einzige Welle, deren
allmähliches Meer ich bin;
sparsamstes du von allen möglichen Meeren, –
Raumgewinn.
Wieviele von diesen Stellen der Räume waren schon
innen in mir. Manche Winde
sind wie mein Sohn.
Erkennst du mich, Luft, du, voll noch einst meiniger Orte?
Du, einmal glatte Rinde,
Rundung und Blatt meiner Worte.
Rilke... Schon groß.
Ich hör besser doch mit Dichten auf...

Liebe Grüße
Wodziwob

PS: In einem anderen Poesieforum habe ich vor Jahren schon mal einen lebhaften Disput über die unergründlichen Geheimnisse eines Sonetts gelesen- und so nett das auch zu lesen gewesen sein mag, es will dieselben offenbar nicht preisgeben.
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„ . . . wenn uns das Lärmen der Tage erschöpft, tun sich leise träumend
Land und Himmel auf, – Wiesen werden zu sanften Brüdern.“

Geändert von Eiland-Moderation (18.08.2016 um 19:28 Uhr) Grund: Beiträge zusammengeführt und Links entfernt
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