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Alt 16.02.2009, 15:29   #3
Klatschmohn
MohnArt
 
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Sie hatte einmal gehört, dass man einem Menschen eher etwas antat, wenn man ihn quasi seines Menschseins, seiner Persönlichkeit beraubt. So begann sie von sich zu erzählen, von ihrem Leben, von ihrer Jugend, von Schicksalsschlägen. Nicht dass sie alles offenbart hätte, aber doch so, dass diese Frau ein Gefühl für sie als Mensch bekommen sollte. Viel sagte ihr Gegenüber mit der Perücke nicht, nur ab und zu stellte sie mal eine Frage. Meist jedoch wollte sie von ihr wissen, wo das Geld versteckt sei. Sobald man es habe, würde sie freigelassen.
Immerhin, sie bekam ausreichend zu essen. Noch nie im Leben hatte sie Döner gegessen, aber solange dieser noch einigermaßen warm war, schmeckte er ihr sogar. Menü: "Alles auf einmal", dachte sie mit einem Anflug ihres alten Humors: Salatgang, Fleischgang, Brot. Als sie auf die Chilischote gebissen hatte, hatte sie einen Schluckauf bekommen.
Wehmütig dachte sie an die ausgewählten Speisen und Getränke, die sie jetzt eigentlich zu sich genommen hätte, wäre alles so verlaufen wie geplant. Sie hatte eine feine Suite für sich und Trixi gemietet, hätte die Bekannten wiedergesehen und die niedlichen Geschwister von Trixi.
Überhaupt hatte sie viel eher eine Beziehung zu Tieren, und Hunden im Besonderen, als zu Menschen. Tiere waren nicht so gefährlich berechnend. Da ging es höchstens um Leckerlis. Bei den Menschen, war sie sich nie sicher, ob Freunde oder Verwandte sich ihr gegenüber ehrlich verhielten. Ihr Neffe zum Beispiel. Ihr war überhaupt nicht klar was der so trieb. Börsengeschäfte? Sie schüttelte bei dem Gedanken den Kopf. Dazu war er einfach nicht clever genug.
Matti, der einzige Sohn ihrer jüngeren, leider verstorbenen Schwester war ein hübsches dunkelhaariges Kerlchen gewesen. Er hatte seine Eltern stets um den Finger wickeln können. Ein bisschen verschlagen, dachte sie. Nie hatte sich die Schwester gegen ihn durchsetzen können. Sie hatte den Verdacht, dass der mittlerweile 35jährige sich ein bisschen viel in den Spielcasinos und vor allem mit Frauen herumtrieb. Eine Menge gescheiterte Beziehungen hatte er schon hinter sich. Mittlerweile wechselten die Freundinnen so schnell, dass sie es aufgegeben hatte, sich die Namen der momentanen Begleiterinnen zu merken.
Der glaubt wohl alles zu erben, dachte sie. Frau von Limpisch hatte bereits ihr Testament gemacht. Sie hatte sich vom Anwalt ihres verstorbenen Mannes ein wasserdichtes Testament aufsetzen lassen. Die Tierschutzorganisation sollte den Hauptanteil bekommen und die Villa sollte zur Zentrale umgebaut werden.
Dann würden die auch das Geld finden - das sollen die Tiere bekommen, nicht der Staat und schon gar nicht die Schurken hier, die ihr das antaten. Außerdem, was sollte sie sonst mit dem Geld machen. Ihr Mann hatte ein Riesenvermögen an schwarzem Geld angehortet. Sie wollte es ursprünglich dem Finanzamt mitteilen, aber als sie es entdeckte, war es schon zu spät. Die hätten ihr wohl nie geglaubt, dass sie das Vermögen erst lange nach dem Tod ihres Mannes gefunden hatte. Sie wollte einfach keinen Ärger. Außerdem schien mit dem Geld etwas nicht zu stimmen. Bodo hätte ihr ja sonst davon erzählt.
Jetzt wollte sie es da lassen wo es war. Sollten sich andere daran den Kopf zerbrechen. Nur Matti sollte es nicht kriegen. Der würde ganz aus der Rolle fallen.
Aber jetzt wollten diese Menschen Geld." Ich habe nicht so viel", versicherte sie immer wieder. "Eine Millionen kann man nicht so einfach locker machen. Ich, in meiner jetzigen Situation sowieso nicht und mein Neffe hat keine Vollmachten."
Die Typen hatten sich wohl mit Matti in Verbindung gesetzt. Ob der alles tat, um sie frei zu bekommen? Vielleicht dachte der, wenn sie weg wäre, würde ihm alles gehören.
Der Kerl da, der hatte wohl öfters mit Matti telefoniert. Immer, wenn es dunkel wurde kam er, brachte Lebensmittel und Getränke. Er pfiff dann leise eine bestimmte Tonfolge und die Frau öffnete ihm. Offensichtlich hatte sie aber das Sagen.

Jetzt war er wieder da. Er schlüpfte durch die grüne Holztüre, wählte eine Nummer und reichte ihr das Mobiltelefon. Matti war am Telefon:
"Tantchen, mein Gott, geht es Dir gut? Hältst du es noch aus, wo bist Du nur?" Der bärtige Mann mit der Schirmmütze hob warnend die Hand. "Kein Wort wo sie sind, sonst sind wir alle hier schneller weg als sie bis drei zählen können. Wo wir dann hingehen, gibt es weder Ofen, Essen noch Matratze." "Tantchen, Du hast doch noch Geld; die wollen 2,5 Millionen Euro. Ich habe das Geld nicht, aber Mutter hatte mal gesagt, Du hättest irgendwo eine stille Reserve. Was nützt Dir das Geld wenn Du tot bist. Bitte hilf mir an das Geld zu kommen, dass ich Dich da raus holen kann."
Etwas in seiner Stimme verwirrte die alte Dame vollends. Sie kannte ihren Neffen. Ob der was mit der Entführung zu tun hatte? "Ich weiß nicht wie du darauf kommst, aber ich werde nachdenken wie ich an Geld kommen kann Matti. Ich will so schnell wie möglich hier raus."
Grob wurde ihr das Telefon entrissen, der Mann sprach weiter mit Matti und legte auf.
Draußen war es mittlerweile richtig dunkel geworden, aber durch die Spalten in den geschlossenen Fensterläden kamen blaue Lichtblitze.
"Verdammt", knurrte der Mann. "Polizei!"
Wenige Augenblicke später trugen zwei Gestalten eine dritte an den rückwärtigen Teil des Gartens, des verlassenen Hauses. Eine sprang über den Zaun und nahm die Person an, die da getragen wurde. Mit einem Sprung setzte der Mensch auf der Gartenseite nach und alle drei verschwanden in der Dunkelheit.
Als die Polizei wenig später das angebaute Gartenhäuschen erstürmte, fanden sie die zwei Matratzen, eine Campingtoilette, eine Kiste Wasser, den Heizstrahler, Decken, Müll, Essensreste und verschiedene Chiptüten vor. Ansonsten war der Raum leer.
Am Ende des Parkplatzes stand eine Gestalt unter den Büschen, duckte sich in die Dunkelheit und war dann ebenfalls verschwunden.
Auch Hilde beobachtete den Polizeieinsatz. Sie hatte keine Ruhe gefunden und sah die blauen Lichter, als sie wieder einmal aus dem Fenster geschaut hatte und war hinausgegangen.
Sie bemerkte, dass die Polizei zu spät gekommen war, aber auch, dass auf dem Platz ein Polizeiwagen stationiert wurde, um auf den Lexus aufzupassen.




Fortsetzung folgt

Geändert von Klatschmohn (18.02.2009 um 14:01 Uhr)
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